Karl Kraus als Nachdichter ShakespearesShakespeare’s SonnetsDie Fackel


Sehr geehrter Herr!


Der Umstand, daß unser Schreiben vom 7. Dez. datiert, aber
erst am 16. aufgegeben wurde, muß Ihnen keine Skrupel verursachen.
Er beruht einfach darauf, daß Herr Karl Kraus inzwischen verreist
war und erst nach seiner Rückkehr die Durchsicht des Schreibens vor
genommen hat. Dagegen haben Sie ganz recht getan, es wegen des
Friedens der Feiertage liegen zu lassen, und gehen auch in der Mei
nung nicht fehl, daß Ihre Antwort, wenngleich verspätet, immer noch
zurechtgekommen sei. Wir hätten sogar nichts dagegen gehabt, wenn
sie überhaupt nicht gekommen wäre, weil wir, so angenehm es sich
seit Jahren mit Ihnen korrespondiert, letzten Endes doch einmal zu
einem solchen gelangen möchten, indem wir doch jetzt schon gründlich
über Ihr Wollen und Können unterrichtet sind, weit mehr als Sie sich
bei Ihrer ersten Annäherung erwartet haben mögen, und den Fall Flatter
so ziemlich abgerundet halten. Der Schlußpassus Ihres Schreibens
vom 8. Jänner nun läßt uns für die Zukunft einige Erleichterung er
hoffen. Wir glauben zu verstehen, und wir können es Ihnen durchaus
nachfühlen, daß Ihnen die Fortsetzung eines Briefwechsels, an dessen
Aufnahme in jedem Stadium wir uns unschuldig wissen, bereits doch
schon etwas Unbehagen verursacht. Ja, Sie deuten an, daß Sie weitere
Briefe von unserer Seite – als ob wir etwa die Absicht hätten, Ihnen
Talentproben für Shakespeare-Verdeutschung einzusenden – als lästig
empfänden: Sie würden sie „vielleicht einmal veröffentlichen“, jedoch
nicht mehr beantworten. Was die bloße Nichtbeantwortung betrifft,
so beneiden wir Sie um dieses Auskunftsmittel, das uns Ihnen gegen
über seit Jahren nicht eingefallen ist. Aber auch die Ankündigung
einer der Publikation würde, weit entfernt von dem Schrecken einer ge
fährlichen Drohung, insofern eine gewisse Annehmlichkeit verheißen,
als uns damit, falls wir einmal dazu kommen, die Produktion des
Verlags der Fackel“ zu sammeln, ein Teil unserer Aufgabe abgenommen
würde. Freilich wohl nur ein Teil, denn wir haben erfahrungsgemäß
leider nicht so sehr Ursache, Veröffentlichungen als Weglassungen zu
fürchten, indem Sie vielleicht doch nicht den vollständigen Brief-
wechsel in Druck geben würden, vor allem nicht Ihre eigenen Zuschriften,
auf die es doch hauptsächlich ankommt. Wir würden insbesondere
bitten, die Angelegenheit Saulus-Paulus nicht zu vergessen, vor
allem aber nicht den Ausgangspunkt, wo Sie eine kritische Kompetenz
wegen der nämlichen Leistung anrufen, die Sie Ihrer Öffentlichkeit
bisher als die Quelle Ihrer Empörung um Shakespeares willen glaub
haft gemacht haben. Es wäre schade, wenn dem Publikum die Grund
lage einer Entscheidung entzogen wäre, ob Sie tatsächlich einen
von allem Anfang an von ihnen erkannten Pfuscher unter Verschwei
gung Ihrer Erkenntnis um Beurteilung Ihrer Fähigkeit gebeten haben
oder vielmehr erst durch deren Ungunst dazu gelangt sind, ein un
günstiges Urteil über seine Fähigkeit zu fällen.


Wie immer dem dann sein möchte, jedenfalls wären wir hiermit
dem Problem der „Fälschung“ nahegekommen, die Sie uns nunmehr vor
zuwerfen wagen und deren Vorwurf eben der Grund dafür ist, daß wir
Ihnen trotz der Aussicht einer Veröffentlichung noch einmal mit einer
Zuschrift lästig fallen möchten. Ihre ungefährliche Drohung geht
von der etwas naiven Fiktion aus, als ob Briefe des Verlags derFackel für ihren Druck auf die Vermittlung des Adressaten angewiesen
wären und dann nur gar eines solchen, der seine Drucklegung (wie er
bekennt) „nach kürzester Zeit aus dem Buchhandel zurückzieht“, in
welchen er sie (wie wir wissen) mit nicht geringer Schwierigkeit
gebracht hat. Warum wollen Sie denn aber die Veröffentlichung
unserer Arbeiten, die wir doch seit Jahrzehnten mit einem gewissen
Erfolg besorgen, nicht lieber gleich uns überlassen, umsomehr als
Sie doch selbst seinerzeit autorrechtliche Bedenken wegen des Ab
drucks fremder Briefe geäußert haben und die eigenen Ihnen viel
leicht auch nicht mehr ganz druckreif erscheinen? Was nun den Vor
wurf der Fälschung und etliche andere Beleidigungen betrifft, die
in Ihrer letzten Zuschrift enthalten sind, so dürfte Ihnen ja be
kannt sein, daß uns eine Möglichkeit gewährt wäre, die Berechti
gung dieser Vorwürfe behördlich überprüfen zu lassen. Wir gestehen
Ihnen aber offen, daß wir, solange es uns nur irgend möglich ist,
die Genugtuung vorziehen, Ihnen als Rechtsanwalt mit eigenen Mitteln
zu der Einsicht zu verhelfen, daß Sie uns Unrecht getan haben. In
jedem Punkt gehen Sie ja leider von völlig falschen Voraussetzungen
aus, da nun einmal die Schmach, die unser Unwert Ihrem schweigenden
Verdienst erwiesen hat, oder der Umstand, daß es Ihnen bei uns an
Beförderung fehlte (falls diese Schlegel’schen Fassungen noch an-
wendbar sind), ihnen den animus injuriandi beigebracht hat. Ihre
„Überzeugung“, daß wir „uns hüten werden“, Ihren Brief Herrn Kraus zu
zeigen, beruht auf einem Optimismus, der etwas Kränkendes hat und
dessen Ursache uns glatt unverständlich ist. Wir können nur annehmen,
daß Sie nunmehr sich auch der Satire hingegeben haben und daß jene
Überzeugung eine Pointe in dem Verfolg der diabolischen Absicht be
deutet, zwischen uns und dem Herausgeber der Fackel einen Gegensatz
herzustellen und ihn durch uns zu treffen. Das hat er sich selbst zu
zuschreiben, weil er eben „die bequeme Maske des Verlags der Fackel
gewählt hat, hinter der Sie immer mit Recht sein wohlbekanntes Gesicht
vermutet haben, vielleicht ohne zu ahnen, wie bequem diese Maske ist.
Satiriker, der Sie sind, wollen Sie nun diesmal ihn nicht erkennen,
da Sie nicht zu glauben vermögen, daß ein so ärmliches Machwerk, aus
dem Sie eine piepsige Stimme hören – und hier werden Sie gegen die
Unterzeichnerin ungalant – das Opus des Herrn Karl Kraus sei, der
sich unmöglich „derart verändert“ haben könne. Da wir solche Witze
kennen, so vermuten wir ganz ernsthaft, daß Sie sich durch unsere Antwort besonders verletzt gefühlt haben. Wie würden Sie es denn sonst
über sich bringen, das Opus zu dem „Geist von einer Höhe und Weite“
zu kontrastieren, dem Sie doch öffentlich solchen Respekt versagt
haben, weil er ein Quentchen davon Ihnen schuldig bleiben mußte. Ohne
Ihnen verraten zu wollen, wie weit Herr Karl Kraus an den Briefen des
Verlags der Fackel beteiligt ist, können wir Ihnen doch versichern,
daß er uns gerade diesmal um den besonders gelungenen Ausdruck dessen,
was vorzukehren war, beneidet hat. Etwas wie Zimperlichkeit oder Ge
kränktsein einer alten Jungfer hat er bei wiederholter Lektüre unseres
Antwortschreibens darin nicht wahrnehmen können, umsoweniger als er
die „Schläge“ durchaus vermißt, die er „eingesteckt“ haben soll. Auch
wir verstehen nicht, was für „kunstgerecht angebrachte Boxhiebe“ Sie
eigentlich meinen. Sollte sich das vielleicht auf Ihre Broschüre be
ziehen, so könnte man doch nicht gut mißverstandene und verflachte
sprachkritische Erkenntnisse der Fackel als Schläge, oder entstellte
Angaben über eine Urteilsbewerbung als kunstgerechte Boxhiebe auf
fassen. Natürlich haben Sie ganz recht mit der Ansicht, daß es dem
Herausgeber der Fackel „nie um die Person des Angegriffenen, sondern
immer nur um die Sache ging, die er vor unbefugtem Zugriff zu schützen
bemüht war“. Eben der Fall ist ja aber gegeben. Es handelt sich ja doch
gerade um den Schutz des höchsten Sprachguts gegen den unbefugten Zu
griff eines ehrgeizigen Dilettantismus, der im eigentlichen Sinne der
Liebhaberei, als Zeitvertreib neben dem bürgerlichen Beruf, als Aus
füllung der Mußestunden, die der Volksmund leider Musestunden nennt,
sogar [¿¿¿] Sympathie verdiente, und solange er nicht auf Publizität und Podium
aspiriert, gewiß nicht zu jenen Auswüchsen der Advokatur zu zählen
wäre, die von der Fackel bereits gemeinsam mit Franz Klein behandelt
worden sind. Aber daß sein öffentlicher und nun gar kritisch-aggressiver
Vorstoß von einer Sprachgerichtsbarkeit abzuweisen ist, die von ihm
selbst angerufen wurde – das wollen wir doch nicht im Ernst bezweifeln!
Daß Dilettanten, durch keine grundsätzliche und individuelle Ablehnung
verschüchtert, schließlich auf die ihnen bewilligte Prüfung, weil sie
mit aller Anerkennung des Strebens ungünstig ausfällt, ungemäß reagie
ren – davon könnte doch weiß Gott kein Verdacht auf die Befangenheit
des Beurteilens fallen! Schon Ihr erstes Anerbieten mit einer Wendung
wie, wenn wir uns recht erinnern, von der „guten Tante Tieck“, also
mit der Herabsetzung hoher Sprachmeisterschaft durch eine Ahnungslosig
keit, die einen deutschen Shakespeare mittels Diktionärschöpfung ge
rettet glaubt, hätte schärfere Abweisung als den Hinweis auf die Um
schlagnotiz der Fackel verdient. Seither haben Sie keine Ruhe gegeben,
und wir möchten Sie ernstlich fragen, ob Sie anderes gewollt haben als
was Sie entrüstet leugnen; sich in das Feld der Aufmerksamkeit des
Herausgebers der Fackel zu begeben. Selbstverständlich haben Sie „kein
anderes Sinnen und Trachten“ gekannt, als Ihrem Ehrgeiz, der sich nun
einmal auf den erschreckten Schwan von Avon geworfen hat und sich im
Sprachgebiet verheerend auslebt, das Plazet der Fackel zu erringen.
Eine vollständige Veröffentlichung Ihrer Briefe – wagen Sie sie doch! –
würde jedem Leser den psychologischen Sachverhalt mit nicht zu über
bietender Anschaulichkeit vermitteln. Daß Ihnen dieses Plazet nicht
nur nicht zuteil werden konnte, sondern daß Ihnen nur der Rat erteilt
wurde, den Wahn das gediegenste Übersetzungsbüro könnte ein Gedicht
übersetzen, aufzugeben und damit vor allem die erbarmungswürdige Müh
sal meiner heillosen Entgleisung der Shakespeare-Sonette zu beenden –
das hat Sie unbändig gemacht und zu jener Broschüre hingerissen, deren
psychischen Antrieb selbst die entstellende Darstellung im Persönlichen
erkennen lassen mußte. Diese Broschüre wurde von uns ganz und gar nicht
„unnötig in die Debatte gezerrt“, weil der Antrieb, der Sie zu Ihrer
Brünner Prozedur und zu deren Mitteilung an uns hinriß, dem analogen,
alten Bedürfnis entsprang, mit der Sphäre der Fackel in Berührung zu
kommen. Gehen Sie, wenn Sie der Ehrgeiz weitertreibt, mit uns zu Ge
richt und wir werden den Sachverhalt beweisen. Vielleicht genügt es
aber, daß Sie mit sich selbst zu Gericht gehen, um zu erkennen, daß
Sie aus gekränktem Ehrgeiz handeln und an demjenigen Vergeltung üben,
dessen Instanz Sie angerufen haben und der mit bestem Wissen und Ge
wissen nicht imstande war, Ihnen das Urteil zu sprechen, das Sie sich
gewünscht ha b tt en. Anspruch auf Dankbarkeit dafür, daß er etliche Arbeits
nächte geopfert hat, um Ihren angebotenen Beweis einer Besserung zu
prüfen und zu besprechen, und gar dafür, daß er Sie vor einer unfrucht
baren Anstrengung bewahren wollte, erhebt er keineswegs. Aber daß Sie
seine programmatische Verachtung der Übersetzerei, durch die befeuert
Sie seine Instanz aufsuchten, so ins Unbewußte rücken konnten, um als
Englischkenner gegen ihn aufzutrumpfen, war nach Ihrem brieflichen
Betragen so wenig zu erwarten, wie daß der „Geist von einer Höhe und
Weite“ als Pfuscher vor dem Fachmann dastand, der von ihm die Ge
nehmigung seines Wirkens für Shakespeare erbeten hatte.


Daß Sie es nunmehr gar unternehmen würden, die Darlegung Ihres
Shakespeare-Ehrgeizes, Ihres intellektuellen Ausbreitungsbedürfnisses
als „Unterschiebung schäbiger materieller Motive“ hinzustellen und
damit noch Gegenpsychologie zu treiben – darauf waren wir vollends
nicht gefaßt. Wir fragen Sie, in welcher Stelle unserer Antwort wir
Ihnen die Absicht auf „geldliche Vorteile“ unter stellt schoben haben. Sie
haben ja vollkommen recht, sich über einen Vorwurf zu empören, der
Ihnen nie gemacht wurde! Wenn wir von der „Ausdehnung im Buchhandel“
sprachen, so meinten wir doch wahrhaftig nicht, daß Sie eine solche
aus Geldgier anstrebten. Welche Idee! Geld sollte noch mit Ihren Be
mühungen um Shakespeare zu verdienen sein! Wir meinten doch bei Gott
eher das Gegenteil. Wie sollten wir zweifeln, daß Sie zu jedem mate
riellen Opfer bereit wären, um dem Ziel Ihres rein geistigen Strebens
näher zu kommen? Und waren Sie denn nicht dazu bereit? Wir legen keinen
Wert auf die Information, aber wir können uns doch nicht gut des Wissens
entschlagen, daß Ihr Verleger trotz Ihrem mäzenatischen Entschluß, die
Druckkosten zu zahlen, nicht sehr willfährig und erst nach Zuspruch
einer kunstsinnigen Kaffeefirma geneigt war, sich in das Gedränge Ihrer
Kampfschrift einzulassen. Sie eröffnen uns freilich, daß Sie sich ent
schlossen hatten, diese „nach kürzester Zeit aus dem Buchhandel zu­
rückzuziehen“, weil sie bei den Ihnen maßgebenden Personen ihre Aufgabe
bereits erfüllt hatte und weil Ihnen „überdies zu Ohren gekommen war,
Herr Kraus sei krank und die Fackel erscheine nicht mehr“. Diese Zu
sammenhänge sind uns nicht ganz verständlich. Warum ein Werk aus dem
Buchhandel zurückziehen, wenn es bei einzelnen, denen man es ja in billigerer
Maschinenschrift vermitteln könnte, seine Aufgabe erfüllt hat? Offenbar
tut man es dann, solches wenn sich durch die Wirkung auf eine Mehrheit die
Einsicht Bahn gebrochen hat, daß es ein verfehltes Mittel war, den
literarischen Ehrgeiz zu befriedigen. Der zweite, mehr humanitäre Grund
ist dadurch hinfällig, daß wir Ihnen, wenn Sie schon nicht selbst Er
kundigung eingezogen haben, ein vollgültiges Gesundheitszeugnis ein
senden könnten. Das Motiv, daß die Fackel nicht mehr erscheine, bietet
freilich, wiewohl das auch nicht stimmt, eine gewisse Ursächlichkeit
mit der Zurückziehung Ihrer Broschüre, insofern nämlich, als deren
Absatz auf das Erscheinen der Fackel gegründet war. Wir könnten Ihnen
Zeugen dafür stellen, daß die verlegerische Aussicht eine Befassung
der Fackel mit Ihrer Broschüre einkalkuliert war, und einer der wenigen
Käufer hatte Gelegenheit, die diesbezügliche Hoffnung gleichsam frisch
vom Zapfen zu empfangen. Das alles hat aber doch beileibe nichts das geringste mit dem einem Vorwurf
einer von Finanzspekulation gegen Sie zu schaffen , ! der gegen Sie zu erheben wäre.
Wie Sie dazu kommen, „die Verdächtigung materieller Gewinnsucht“, die
Sie mit vollem Recht als den „pursten Unsinn“ bezeichnen, aus unserem
Brief herauszulesen, ist uns schlechthin unverständlich. Und nicht
minder unsinnig ist die Supposition, man habe Ihnen – aus eigener
schmutziger unsauberer Denkungsart – zugetraut, daß Sie als Vorleser „aus der
jetzigen Situation unseres Verwaltungsobjektes“ schmutzigen Vorteil
ziehen wollten. Man hat in Wahrheit bloß darstellen wollen, daß Sie sich
auch hier in der ideellen Nähe des Herausgebers der Fackel wohl fühlen.


Hauptsächlich aber möchten wir – ohne ernstlich eine Antwort
zu erbitten – an Sie die Gewissensfrage richten, ob Sie wirklich glau
ben, daß, wenn in dem folgenden Tatbestand eine „Fälschung“ zu erblicken
wäre, sie unser Werk sei. Sie schreiben: „Krampfhaft bemüht, sich einen,
daß Gott erbarm’! witzigen Abschluss zu verschaffen“ (glauben Sie das
doch ja nicht!) „zitieren Sie mich falsch, indem Sie unter Anführungs
zeichen als meine Behauptung wiederholen, ich hätte alles getan, was
mir möglich war, während ich doch geschrieben hatte: ‚Ich glaube, damit
alles getan zu haben, was mir in dieser Hinsicht möglich war – –‘“.
Wir möchten Sie fragen, ob Sie wirklich überzeugt wären, auf einen
Richter mit dem Tonfall der Enthüllung Eindruck zu machen, wenn Sie
eine völlige Kongruenz als Abweichung darstellen. Sie haben tatsächlich
den von Ihnen zitierten Satz geschrieben: Ich glaube usw. Wir aber
haben nie unter Anführungszeichen als Ihre Behauptung wiederholt, Sie
hätten alles getan, sondern wir haben bloß Ihren Glauben bestätigt,
indem wir schrieben, daß wir was Sie glauben „zugeben“, und nun haben
wir den Inhalt dessen, was Sie glauben, in Anführungszeichen zitiert.
Diese waren notwendig, um den künftigen Leser (der ja auch Ihren Brief
vor sich hätte und eine „Fälschung“ erkennte) die Übernahme Ihres
Arguments darzustellen. Wir wollten ja doch nicht sagen: „Wir geben zu,
daß Sie glauben, alles getan zu haben“, sondern wir wollten sagen:
Wenn Sie glauben, alles getan zu haben, so geben wir dies zu. Ver
missen Sie vielleicht in dem völlig korrekten Zitat des Glaubensinhal
tes die Worte: „in dieser Hinsicht“? Deren Übernahme wäre aber, da ja
nur von „dieser Hinsicht“ die Rede ist, stilwidrig. Sie werden sagen,
es liege, da Sie die Worte „in dieser Hinsicht“ reklamieren oder den
„Glauben“ statt bestätigt wiederholt haben wollen, keine Übersetzung
vor, sondern bloß eine Nachdichtung; aber gerade diese wird Ihrem
Gedanken völlig gerecht. Wir können uns unmöglich dazu aufraffen, eine
Arglist zu vermuten, die hier, in dieser durchaus sinngerechten, tadel
losen Zitierung eine Fälschung entdeckt. Vielmehr glauben wir, gerade
an diesem Beispiel den Mangel an sprachlichem Empfinden zu erkennen,
der Ihre Konsequenz in der Verdeutschung Shakespeares erklärt.


„Schluss damit!“ bemerken, wenngleich in ganz anderer Be
ziehung. Sie wollen nämlich keinen Brief mehr vom Verlag der Fackel
haben, da Sie, wie Sie so freundlich sagen, zwar „Ihrem großen Gegner
immer, abwehrend und angreifend, zu Verfügung stehen, aber nur ihm
persönlich, nicht seinen Handlangern und Verwaltern“. Wir wissen nicht,
was Sie zu diesem Anspruch berechtigt, da Sie doch höchstens angrei
fend jenem persönlich gegenüberstehen könnten würden . Was die Abwehr betrifft,
können Sie ja keineswegs behaupten, daß Sie bisher durch persönliche
Begegnungen verwöhnt worden sind, so daß Sie auf einmal Grund hätten,
enttäuscht zu sein. Im Gegenteil ist Ihnen doch – wenn man von einer
kleinen Coupletstrophe absehen will – jede Ablehnung ausschließlich
durch den Verlag der Fackel widerfahren, hinter dem sich der große
Gegner verschanzt hat, sooft Sie sich ihm mit Talentproben oder
Besserungsbeweisen genähert haben. Wir zweifeln nicht, da Sie ihn
diesmal erkennen werden, hoffen aber, daß wir uns auf das Versprechen
am Schluß Ihres Briefes – einer möglichen Publikation und sicheren
Nichtbeantwortung – verlassen können.


Mit vorzüglicher Hochachtung