Meinem mir selbst gegebenen
Versprechen getreu, Herrn KarlKraus
keine unwahre Behauptung über mich durchgehen zu lassen, bitte
ich Sie, dem Herausgeber der
„Fackel“ die nachstehenden
Mitteilungen
weitergeben zu
wollen. (Die Verspätung meiner Zuschrift ist darauf
zurückzuführen, dass ich lange
Zeit krank war.)
In der Ende Mai 1935
erschienenen „Fackel“ heisst es, ich
bestünde – in der „Wiener Zeitung“ – auf meinem Schein, den
„Kaufmann von Venedig“
verdeutscht und dargestellt zu haben, und setze
die günstige Lesart durch, es sei
vor überfülltem Saal geschehen; zum
Glück aber hätten von den sechzig,
die der Saal fasse, ein Dutzend
gefehlt.
(Die sonstigen Bemerkungen über
meine Vorlesung, die sa
tirisch sein sollen, übergehe ich
;
:
ich lehne ab, einem Kritiker zu
antworten, der über ein Werk und
seine Darbietung sich lustig macht,
ohne es selber gehört zu haben.
Lediglich auf die Behauptung von Tat
sachen, die einer Berichtigung
würdig sind, will ich erwidern.)
Die Stilisierung der oben
zitierten Sätze, die mir – in
eigener Sache – eine Aktivität andichten, soll offenbar den Verdacht
erwecken, ich hätte die in der
„Wiener Zeitung“ erschienene Bespre
chung meiner Vorlesung selbst verfasst. Die Wahrheit ist, dass die Be
sprechung nicht von
mir stammt, sondern von einem, dessen Name und
Person
Herrn Kraus
durchaus bekannt ist.
Die Behauptung, der Saal fasse
sechzig Personen, ist ebenso
falsch wie die andre, es hätten damals von den sechzig ein Dutzend
gefehlt. Aus dem beigelegten Schreiben der „Wiener Urania“ vom
5. September 1935 ergibt sich,
dass der Saal 72 Sitzplätze und 28 Steh
plätze fasst und dass damals, bei
meiner Vorlesung des „Kaufmanns vonVenedig“, 86 Karten
abgesetzt waren. Dass sämtliche 72 Stehplätze
verkauft und an der Abendkassa
schliesslich nur noch Stehplätze, von
denen also 14 abgesetzt wurden,
zu haben waren, weiss ich eben von
jenem Referenten der „Wiener Zeitung“, der für sich und seine
Frau nur
noch Stehplatzkarten erhielt; sie hatten es nur der Protektion
des Saaldieners, der noch Stühle beischaffte, zu danken, dass sie
doch noch sitzen konnten.
In der Ende August 1935
erschienenen „Fackel“ heisst es,
ich bekunde „neuerdings“ einen „polemischen Ehrgeiz“, den
man
mir gar nicht zugetraut
hätte. Wenn dies bedeuten soll, dass ich
diesen Ehrgeiz erst jetzt
betätige, so verweise ich darauf, dass die
„Wiener Zeitung“ meine gegen die Zustände in Deutschland
gerichte
ten
Polemiken, die meistens mit meinem vollen Namen gefertigt er
scheinen, schon seit April 1933
veröffentlicht, dass sie also viele
schon zu seiner Zeit brachte, da
Herrn Karl Kraus
nichts als sein
„stolz bekannte
n
s
Nichts“ einfiel. Als ihm dies einfiel, hat es wohl
vieles unter sich begraben.
Schade!
Indem ich für die erbetene
Weiterleitung dieses Briefes be
stens danke, zeichne ich
hochachtungsvoll
Dr. Flatter