Sehr geehrter Herr Kollege!
In Sachen Kraus gegen Weiss Wilhelm ( VölkischerBeobachter) ist das Hauptverfahren antragsgemäss eröffnet
und Termin zur Hauptverhandlung
lt. anliegender Ladung des
Herrn Privatklägers
auf
Montag, den 14. Mai 1928
vorm. 9 Uhr
anberaumt. Herr Kraus ist nach
§ 378 StPO. berechtigt, sich
durch einen schriftlich
bevollmächtigten Rechtsanwalt
vertreten zu lassen, braucht also zum Termin nicht zu
erscheinen. Ich würde es auch, so
sehr es mich persönlich
erfreuen
würde Herrn Kraus
kennen zu lernen, für taktisch
falsch halten, wenn Herr Kraus persönlich erscheinen
würde. Er würde damit einem
Blatte, wie dem VölkischenBeobachter, eine
Bedeutung zusprechen, die ihm nach
keiner Richtung zukommt. Auf irgendwelche geistigen Auseinan
dersetzungen mit diesem Blatte darf man sich grundsätzlich
nicht einlassen. Wie Sie aus dem
Eröffnungsbeschluß ersehen,
hat
der Richter den § 193 an sich bejaht,
da ein tadelndes
Urteil über die
schriftstellerischen Leistungen des Privat-
klägers vorliege, jedoch die
Straflosigkeit verneint,
weil aus
der Form, insbesondere aus der Häufung der
verletzenden Wendungen, das
Vorhandensein einer Beleidigung
hervorgehe. Der Richter stellt also nur auf die formellen
Beleidigungen ab. Wir sind daher
in der Lage, das Gleiche
zu tun
und brauchen uns auf Debatten über den Inhalt
des Traumstücks nicht weiter einlassen. Der Zweck
des Vorgehens, diesem Blatt einen Denkzettel zu geben,
dürfte demnach erreicht werden,
ohne daß eine Bezugnahme
auf
frühere Werke oder Vernehmung von Sachverständigen
notwendig wird.
Es kann natürlich sein, daß
sich die Situation
noch durch
Beweisanträge der Gegenpartei ändert.
Ich würde in diesem Falle
rechtzeitig Nachricht geben.
Nur wenn das Gericht der Gegenpartei wider Erwarten
einen Sachverständigenbeweis
zulassen sollte, müßten auch
wir selbstverständlich mit Sachverständigen arbeiten.
Ich bitte Herrn Kraus,
sich für diesen Fall einstweilen
3 zu überlegen, wer als Sachverständiger geladen werden
soll. Wahrscheinlich wird
diese Notwendigkeit aber
nicht eintreten.
Für die Führung der Sache
einschließlich der
Hauptverhandlung am Strafgericht gestatte ich
mir ein
Gesamthonorar von 200 M
in Vorschlag zu bringen. Ich darf
Sie bitten, die Vermittlung der Überweisung freundlichst
zu übernehmen. Wird der Beklagte verurteilt, so hat er
die gesetzlichen Gebühren, das
sind rund 70 M, zu
erstatten.
Soweit die üblichen Honorarvereinbarungen
die gesetzlichen Gebühren
übersteigen, kann im Falle der
Verurteilung der Mehrbetrag vom Beklagten nicht
beigetrieben
werden, da nur
die gesetzlichen Gebühren festgesetzt
werden können; das wird ja wohl
in Ehrensachen in Österreich
ebenso sein, sodaß ich keinen Kommentar dazu zu geben
brauche. Ich nehme an, daß jede
Vergleichsverhandlung
mit der
Gegenpartei abgelehnt wird und daß ich zu
der
Erklärung ermächtigt bin,
daß Herr Kraus mit
dem VölkischenBeobachter grundsätzlich
keinerlei Vergleichsverhandlungen
irgend welcher Art überhaupt führt. Ich halte dies für
politisch und taktisch geboten.
Ich habe allerdings auch
keine
grundsätzlichen Erwägungen dagegen, einen Vergleich
zu schliessen, wenn die Gegenpartei alle Beleidigungen
mit dem Ausdruck des Bedauerns
zurücknehmen sollte und
alle
Kosten einschließlich des vereinbarten Honorars
übernimmt. Es ist nicht ganz
ausgeschlossen, wenn auch
unwahrscheinlich, daß sie dies tun würde, um die in Press
beleidigungssachen in München ziemlich hohen Geldstrafen
zu sparen. Mir persönlich würde
es allerdings für HerrnKraus mehr
zusagen, von vornherein jede
vergleichsweise
Erledigung grundsätzlich
abzulehnen.
Mit vorzügl. koll.
Hochachtung
Dr. Hirschberg
Rechtsanwalt.
Anl.