Sehr geehrter Herr Kollege!


In Sachen Kraus gegen Schardt schreibt mir
Justizrat Dr. Süssheim unterm 2. August 1928:


„Ihrer Weisung entsprechend haben wir in der
Angelegenheit Krauss gegen Schardt (Fränk. Kurier)
eine vergleichsweise Erledigung abgelehnt. Die
Verhandlung dauerte mehrere Stunden und endete mit
der kostenlosen Freisprechung des Beklagten.


Die beanstandeten Stellen seien allgemein
gehalten, beim Ausdruck „Literätchen“ könne
die Absicht der Beleidigung nicht nachgewiesen
werden.


Wir ersuchen um umgehende Mitteilung,
ob Berufung bezw. Revision eingelegt werden soll.“


Unterm 3. August 1928 erhalte ich von Herrn
Justizrat Süssheim folgendes Schreiben:


„Anbei übersenden wir den Bericht der FränkischenTagespost über die Verhandlung Kraus gegen Schardt.
Da der Erstrichter sein Urteil u.a. mit tatsäch
lichen „Feststellungen“ begründet, ist es
fraglich, ob hier mit der Sprungrevision beizu
kommen ist.


Doch überlassen wir die Entscheidung
ganz Ihrem Ermessen.


Zweifelhaft ist, ob nicht die Amnestie
eingreift; von gegnerischer Seite würde sie nicht
geltend gemacht, dafür um so mehr mit „nationalen“
Argumenten gegen den ‚Tschechen‘ Kraus gearbeitet.


Wir ersuchen um rechtzeitige Mitteilung.“


Ich habe lt. Anlage geantwortet und bitte um Ihre
gefl. Weisungen.


Ich empfehle unbedingt Berufungseinlegung.
Nach meiner Ansicht kommt das Urteil einer Rechtsver
weigerung nahe. Ich halte auch die Berufung für durchaus
aussichtsreich.


In negativer Beziehung ist aus dem Bericht des
Herrn Justizrats Süssheim nur zu entnehmen, daß das Gericht
offenbar der presserechtlichen Konstruktion des Privatbeklagten über den „verantwortlichen Redakteur“ nicht
gefolgt ist, sonst hätte es den Privatbeklagten nur aus
presserechtlichen, nicht aus sonstigen tatsächlichen
Erwägungen freisprechen können.


In vorzüglicher koll. Hochachtung
Loewenfeld
Rechtsanwalt.


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