Abschrift.
Pr.Reg.Nr. 458/28
Das Amtsgericht Nürnberg erkennt in der Privatklage
sache
Kraus Karl, Schriftsteller in Wien, Privatkläger,
gegen
Schardt Oskar Franz, Schriftleiter, Nürnberg,
Privatbeklagter
wegen Beleidigung
in der
öffentlichen Sitzung am 2. August 1928 in Gegenwart:
1.) des Landgerichtsrats Enders als Vorsitzender,
2.) des Obersekretär Riedner als Urkundsbeamter der Ge
schäftsstelle
auf Grund der
Hauptverhandlung zu Recht:
Oskar Franz Schardt, geb. am 22. März 1885 in München,
verh. Schriftleiter in Nürnberg, wird von der
Anklage eines
durch die
Presse verübten Vergehens, teils der Beleidigung
teils der üblen Nachrede freigesprochen.
Die Kosten einschl. der dem
Privatbeklagten er
wachsenen notwendigen
Auslagen fallen dem Privatkläger zur
Last.
Gründe:
I.
Der Privatkläger hat im Jahre 1922 ein Stück geschrieben,
welches er „Traumstück“ genannt hat. Dieses wurde im
Februar oder in den ersten
Tagen des März 1928 von der
Jungen Bühne der Münchener
Kammerspiele aufgeführt. Wie
der Zeuge Dr. Hohenstatter heute bekundet, hat diese
Aufführung wegen der Tendenz
und der Form des Stückes in
politisch rechts gerichteten
Kreisen Münchens grosse Ent
rüstung hervorgerufen, und
es wurde das Stück von der
rechtsgerichteten Presse Münchens scharf
abgelehnt.
In der No. 65 des hiesigen „Fränkischen Kuriers“vom 5.3.28 eines
ebenfalls politisch rechts gerichteten
Blattes, erschien in
Beziehung auf diese Aufführung folgen
der Artikel:
Antinationaler Skandal in München.
München, 3. März. (Spez. Dep. uns. Münch. Schriftl.). Der
Pseudo
wiener Karl
Kraus, der durch die Herausgabe der „Fackel“ und
seinen Reklamestreit mit
Harden und auch ansonsten sich
bekannt
gemacht hat, hat in München eine
Vortragsabend
gehalten und die Münchener
Kammerspiele haben sein
„Traumstück“ aufgeführt.
Wir lehnen es ab, die
Aufführung und den Vortrags
abend künstlerisch zu würdigen. Wir stellen an Hand der
all
gemeinen Berichterstattung fest, dass der Verfasser sich
erlaubt hat, seiner pazifistischen Meinung durch Verhöhnung
des
deutschen Frontkämpfertums rohen und widerlichen Ausdruck
zu geben. Es
ist klar, dass in einem Millionenheer ausnahms
weise Dinge vorkommen,
die in dem kleinen Kreise derartiger
Literätchen (des
Literaturbolschewismus) alle Tage Übung
sind. Es ist ja bekannt,
dass eine Reihe von Vertretern
des
Literaturbolschewismus syphilitisch verseucht ist. Die
Gemeinheit liegt aber
darin, dass man etwa einen missratenen
Offizier als allgemeinen
Typ hinstellt. Angesichts der Tat
sache, dass sich die
Verniggerung und Verspottung deutschen
Wesens in München unter den Augen sonst sehr
wachsamer
Behörden
erschreckend häuft fragen wir an:
Haben sich die
zuständigen Behörden mit dieser Veran
staltung der
Kammerspiele beschäftigt und haben sie über
haupt daran gedacht,
daraus Folgerungen zu ziehen? Gedenkt
man, die Erregung, die
über diese Aufführung in nationalen
Kreisen unbestreitbar
entstanden ist, so zu würdigen, wie
man auch andere
Erregungen zu würdigen versteht?
Die Kammerspiele geniessen städtische Subvention.
Sollen
allgemeine
Steuergelder zur Darstellung derartigen Schmutzes
missbraucht werden?
Wollen die Münchener Kammerspiele, deren
gelegentliche
künstlerische Leistungen gern anerkannt werden, den Ruf
der Reinlichkeit
verlieren und sich etwa zu einer Piscator
bühne umbilden?
Wollen bestimmte Kreise
den Vorwurf nach sich ziehen, dass
sie ihre Stimme erheben,
wenn sie politischen Widerstand
finden und
merkwürdigerweise nicht, wenn Christentum und
Nation wahrhaft
gefährdet sind?“
Die letzten 4 Absätze dieses
Artikels sind durch
Fettdruck
hervorgehoben.
Die Nr. 65 des Fränk. Kuriers ist von dem Privatbeklagten
verantwortlich gezeichnet „für unterhaltenden Teil,
Kunst
und
Wissenschaft.“
Der Privatkläger hat durch seine ordnungsgemäss
bevollmächtigten Anwälte am
25.4.28 gegen ihn schriftlichePrivatklage erhoben
und Strafantrag wegen Beleidigung ge
stellt. Der Privatbeklagte
ist deshalb beschuldigt, als
verantwortlicher Redakteur einer periodischen
Druckschrift
den Privätkläger beleidigt und in Beziehung auf ihn
nicht
erweislich wahre
Tatsachen behauptet zu haben, welche
geeignet sind, ihn
verächtlich zu machen und ihn in der
öffentlichen Meinung
herabzuwürdigen, Vergehen teils der
Beleidigung, teils der üblen
Nachrede nach §§ 185, 186, 73RSTGB. in Verbindung mit § 20 des
Reichs-Pressegesetzes.
II.
Der Privatbeklagte, dessen Angaben heute von dem Zeu
gen Dr. Hohenstatter bestätigt wurden, gibt an, er habe den
Artikel nicht selbst verfasst, sondern der Verfasser sei
der Münchner Schriftleiter
des Fränk. Kuriers, der Zeuge,
Dr. Ernst Hohenstatter. Dieser arbeitete bereits seit 8 oder
9 Jahren mit ihm
zusammen, und er habe ihn als zuverlässigen
sachlichen Beurteiler kennen
gelernt, dessen Artikel noch
nie zu einer Beanstandung Anlass gegeben hätten. Der Artikel
sei am 3. März 1928 telefonisch aus München
übermittelt worden.
Er selbst
habe das in der hiesigen Redaktion aufgenommene
Telefonat durchgelesen und
in zwei Punkten abgeändert:
Den von Hohenstatter gebrauchten Ausdruck „der Wiener
Karl
Kraus“ habe er geändert in „Pseudowiener.“ Dies
sei
geschehen, um zum
Ausdruck zu bringen, dass Kraus
nicht aus Wien stamme und auch nicht zu dem Kreis der
Wiener Schriftsteller
gehöre; eine beleidigende Absicht
habe er dabei nicht gehabt,
könne auch nicht zugeben, dass der
Ausdruck beleidigend sei.
Der zweite Absatz habe nach
dem Telefonat aus
München im zweiten Satz gelautet: „Wir stellen an
Hand der
allgemeinen
Berichterstattung fest, dass ein nervöser
Psychopath sich erlaubt hat
…“. Um einen verletzenden
Ausfall gegen den Privatkläger zu vermeiden,
habe er die
Worte „ein
nervöser Psychopath“ durch die Worte „der
Verfasser“ ersetzt. Schon daraus gehe hervor,
dass es ihm
nicht darum zu
tun gewesen sei, den Verfasser persönlich
zu beleidigen, sondern dass
er lediglich eine scharfe Kritik
seines Stückes beabsichtigt habe. Die übrigen Ausdrücke
des
Artikels habe er nicht als zu scharf empfunden.
Er nehme den
Schutz des § 193 RSTGB. für sich in Anspruch, nicht nur
deswegen, weil er es für
eine Berufspflicht der Presse
seiner politischen Richtung und seiner Weltanschauung halte,
das Stück nach Form und Inhalt scharf zu
verurteilen,
sondern
auch, weil in dem Werk der Journalistenstand, dem
er angehöre, angegriffen und
als „der
Nichtswürdigkeit
blutiger Scherge“ (vgl. S. 10) bezeichnet sei.
III.
Was zunächst die Frage
anlangt, ob der Privatbeklagte
für
den Artikel nach den Vorschriften
des Reichspresse-
Gesetzes
verantwortlich ist, so muss diese bejaht werden.
Schardt hat
nicht nur als verantwortlicher Redakteur
des betr. Teiles des Fränk. Kuriers gezeichnet, sondern ist
auch tatsächlich der
verantwortliche Redakteur dieses
Teiles gewesen. Der Zeuge
Dr. Hohenstatter, welcher der
Münchner Schriftleiter
dieser Zeitung ist, bedient ausser
ihr noch andere Blätter. Er
bekundet ausdrücklich, dass
seine Artikel nicht unverändert aufgenommen werden müssen,
sondern, dass es vorkommt,
dass die Schriftleitungen des
Erscheinungsortes der Zeitungen daran Aenderungen vor
nehmen. Auch im vorliegenden
Falle hat ja der Privatbeklagte solche Aenderungen vorgenommen. Er hat den Artikel
durchgelesen, hat ihm die
Ueberschrift gegeben, hat ihn in
zwei Punkten abgeändert und
hat dessen Aufnahme in die
Zeitung veranlasst.
Der Umstand, dass er vor dem
Urteile den Dr. Hohenstatter
als den Verfasser genannt
hat, entbindet ihn nicht von der
Haftung. Diese trifft ihn
nach § 20 des RPr. Ges., nachdem
er befreiende Umstände nicht
dargetan und sogar ausdrück
lich zugegeben hat, dass er
den Artikel durchgelesen hat.
Die Befreiungsvorschrift des
§ 21 Abs. II RPr. Ges. tritt
nicht bei vorsätzlichen,
sondern nur bei fahrlässigen
Zuwiderhandlungen ein, und könnte daher nur Platz greifen,
wenn der Privatbeklagte
etwa dargetan hätte, dass der
Artikel ohne sein Wissen und
seinen Willen in die Zeitung
gekommen sei.
Der Privatbeklagte
bestreitet übrigens selbst nicht,
seine strafrechtliche
Verantwortlichkeit für den Artikel,
sondern
erklärt heute vielmehr ausdrücklich, dass er die
pressgesetzliche
Verantwortlichkeit in vollem Umfang
übernehme. Auch auf Grund
der allgemeinen Strafgesetze
erscheint er als der Täter.
IV.
Der Inhalt des Artikels stellt ein ablehnendes
Urteil
über das „Traumstück“ dar, also ein tadelndes
Urteil über
eine
schriftstellerische Leistung des Privatklägers.
Die Kritik an solchen
Leistungen liegt im Interesse des
allgemeinen Fortschritts und
muss innerhalb gewisser
Grenzen dem Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Ehre
vorgehen. Das Gesetz hat es
deshalb für angemessen ge
halten, „in Ausgleichung
widerstreitender Interessen
durch § 193 RStGB dem freien Worte über das Gebiet der
sachlichen und daher
selbstverständlich nicht strafbaren
Kritik hinaus die
Vergünstigung zuteil werden zu lassen,
dass Beleidigungen, die
sich in tadelnden Urteilen über
wissenschaftliche,
künstlerische oder gewerbliche Lei
stungen finden, straflos
sein sollen, vorausgesetzt,
dass nicht die Absicht
der Beleidigung aus der Form der
Aeusserung oder aus den
Umständen, unter welchen sie
geschieht,
hervorgeht.“ So Reichsgericht Bd. St. 39,
S. 312. Es wird hier also
ausdrücklich zur Bestrafung nicht
nur das Bewusstsein, sondern die Absicht der Beleidigung
verlangt, ebenso auch im RG für Strfs. Bd. 40 S. 317,
44, S. 111 u. 12.1925, 153,
wo ausdrücklich gesagt ist,
Bestrafungen können nur eintreten, „wenn die Absicht zu
beleidigen, aus der Form
hervorgeht und unter der weiteren
Voraussetzung, dass der
Täter sich bewusst war, nach Form
und Umständen über das
zur Wahrnehmung berechtigter Interes
sen Erforderliche
hinauszugehen“.
Im vorliegenden Falle
bekundet der Zeuge Dr.
Hohenstatter, er habe den Artikel geschrieben, weil ihm
aus Kreisen seiner
politischen Richtung zahlreiche Kund
gebungen der Entrüstungen
über das Stück zugegangen seien.
Es sei ihm ferngelegen, den
Privatkläger persönlich zu
beleidigen, er habe eine
scharfe Kritik im Interesse der
Sache und zur Erreichung des
angestrebten Zweckes, d.i.
wie auch die Schlussabsätze des Artikels ersehen lassen,
zur Verhinderung einer
wiederholten Aufführung des
Stückes, für erforderlich
gehalten.
Die beiden Sätze: „Es ist klar,
dass in einem
Millionenheer ausnahmsweise Dinge vorkommen, die in dem
Kreise derartiger
Literätchen alle Tage Uebung sind.
Es ist ja bekannt, dass
eine Reihe von Vertretern des
Literaturbolschewismus
syphilitisch verseucht sind“
beziehen sich nach der
Angabe des Zeugen darauf, dass in
dem „Traumstück“ ein tuberkulöses Kind auftritt, das
er
zählt,
seine Schwester sei als Hilfskraft im Feld gewesen
und dort von einem Offizier
geschlechtlich angesteckt
worden, der Herr Katechet habe gesagt, dies sei zu Ehren
des Vaterlands geschehen,
sie hätten es bunt getrieben,
aber es sei eine grosse Zeit gewesen (Seite 11). In dem
Artikel sollte der grossen Anzahl von Frontoffizieren
der kleine Kreis derjenigen
Schriftsteller gegenüber
gestellt werden, deren
Richtung der Zeuge und mit ihm
der Privatkläger vom Standpunkt ihrer
Weltanschauung und
ihrer
politischen Richtung als Literaturbolschewismus be
zeichnen, und es sollte
gesagt werden, dass in deren klei
nem Kreise geschlechtliche
Erkrankungen und Ansteckungen
viel häufiger vorkämen, als sie in dem grossen Kreise
der Frontoffiziere
vorgekommen seien.
Es unterliegt keinem
Zweifel, dass der Ausdruck
„derartiger Literätchen“ für den als Schriftsteller be
kannten Privatkläger herabwürdigend und damit beleidigend
ist. Schon unter einem
Literaten versteht man im Gegensatz
zu einem Schriftsteller oder
Dichter einen Mann, dessen
literarische Werke keinen dauernden Wert haben, und die
Verkleinerung Literätchen
bezeichnet einen Mann, der selbst
als Literat unbedeutend ist.
Wenn weiter gesagt wird, dass
aus dem kleinen Kreise derartiger Literätchen eine Reihe
von Vertretern syphilitisch
verseucht seien, so wird zwar
gegen den Privatkläger selbst ein derartiger
Vorwurf nicht
erhoben, wird
aber immerhin einem Kreise von Menschen zu
gerechnet, deren moralische
Anschauungen als seichte bezeich
net werden.
Während es sich bei dem
übrigen Inhalt des Artikels
lediglich um eine Kritik des
Stückes selbst handelt, kann
dies von den eben erwähnten
beiden Sätzen nicht gesagt
werden. Diese enthalten vielmehr beleidigende Angriffe
gegen die Person des Privatklägers.
Bei Prüfung der Frage, ob
aus den Umständen oder aus
der Form des Artikels, aus den
gewählten Ausdrücken und
insbesondere aus der Tatsache, dass der Privatkläger auch
persönlich angegriffen wird, die Absicht einer Beleidigung
zu entnehmen ist, hat das
Gericht folgendes erwogen:
1.) Schardt ist
nicht selbst der Verfasser dieses Artikels.
Er kennt
diesen Verfasser seit Jahren als einen zuver
lässigen
massvollen Mann, von dem er auch weiss, dass
er literarisches Verständnis
besitzt. Hohenstatter hat
den Artikel geschrieben in der Erregung, die durch
zahl
reiche
Kundgebungen der Entrüstung aus den Kreisen
seiner politischen Freunde
hervorgerufen war. Er hat zur
Erreichung des Zweckes, den er mit der Veröffentlichung
anstrebte, einen scharfen
Ton für nötig gehalten. Der
Angeklagte selbst hat in dem Artikel einen scharfen, den
Privatkläger herabsetzenden Ausdruck ausgemerzt. Es ist
natürlich nicht
ausgeschlossen, dass er dies getan hat,
weil er fürchtete, wegen
dieses Ausdrucks sich einer
Bestrafung wegen Beleidigung auszusetzen. Es ist aber
nicht widerlegt, dass es
geschehen ist, um eine Verletzung
und Herabwürdigung des Privatklägers zu vermeiden, und
es muss diese Behauptung des
Privatbeklagten daher als
richtig unterstellt werden.
Ist sie aber richtig, so
spricht dieser Begleitumstand nicht für, sondern gegen
die Absicht einer
Beleidigung.
Der Angeklagte
ist, wie sein Auftreten in der Haupt
verhandlung beweist, ein
Mann von lebhafter Gemütsart,
der leicht zur Erregung neigt. Er setzt sich mit Feuer
eifer für seine
publizistischen Pflichten und Ziele
ein und führt, wie allgemein
bekannt ist, selbst eine
scharfe Feder. Bei einem solchen Manne ist es angesichts
der seinen Anschauungen
scharf widerstreitenden Tendenz
und Form des Stückes des Privatklägers verständlich,
dass er im Uebereifer neben
einer scharfen Kritik des
Werkes auch eine Kritik der schriftstellerischen
Leistung und der
Persönlichkeit des Privatklägers für
nötig erachtet, um dessen
Werk zu verurteilen, das ihn
vom Standpunkt seiner Weltanschauung als unmoralisch
und staatsgefährlich
erschien, dass ihm also die
scharfen Angriffe, die der Verfasser des Artikels gegen
die persönliche und
schriftstellerische Ehre des Privatklägers richtete,
als nicht zu scharf, und als nötig
erschienen.
2.) Abgesehen von den beiden
erwähnten Sätzen enthält der
Artikel keine persönliche
Verunglimpfung des Privatklägers. Den
Ausdruck „
Pseudowiener“ hat der Angeklagte
so erklärt, dass ihm die
persönliche Spitze genommen ist.
Die Bemerkung, der Privatkläger habe sich durch die
Herausgabe der „Fackel“ usw. bekannt gemacht,
enthält
Angriffe gegen
die literarische und politische Richtung
des Privatklägers, aus denen die Absicht einer Beleidigung
nicht entnommen werden kann.
Gleiches gilt für die Aus
drücke: „Verniggerung
und Verspottung deutschen Wesens“,
und von dem jetzt vielfach
gebrauchten Schlagwort
„
Literaturbolschewismus“, sowie von dem Ausdruck
„ Gemeinheit“. Wenn
gesagt wird, der Verfasser habe seine
pazifistische Meinung durch
Verhöhnung des deutschen
Frontkämpfertums rohen und widerlichen Ausdruck gegeben,
so enthält diese Wendung
nicht die Behauptung einer Tat
sache, sondern ein Urteil
über das Werk „Traumstück“.
Der Privatbeklagte
erblickt darin, dass ein toter Soldat
ohne Kopf auf die Bühne
gebracht wird, dass „Prothesen
tanzen“, dass
der Feldherr und, wie bereits erwähnt,
der Offizier, herabgesetzt
wird, eine Verhöhnung des
deutschen Frontkämpfertums. Dieses Urteil wurde nach
der Bekundung des Zeugen Hohenstatter von Münchener
Kreisen der politischen
Richtung des Privatbeklagten ge
teilt. Ob es richtig ist
oder nicht, kann vollkommen dahin
gestellt bleiben, denn die
gebaruchten, wenn auch scharfen
Ausdrücke halten sich nach
der Anschauung des Gerichts
noch innerhalb des Rahmens
des § 193 RStGB, sie lassen
nicht erkennen, dass sie in
der Absicht gebraucht sind,
den Privatkläger zu beleidigen.
Das Gericht konnte daher nicht die Ueberzeugung ge
winnen, dass aus
den Umständen und der Form des Artikels,
der im
Zusammenhang gewürdigt und bei dessen Beurteilung
die scharfe gegensätzliche
Einstellung der beiderseitigen
Weltanschauungen und politischen Richtungen in Betracht
gezogen werden muss, die
Absicht einer Beleidigung hervor
geht, und musste deshalb zur
Freisprechung gelangen.
Die Folge ist die
Auferlegung der Kosten und der
dem Privatbeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen
auf den Privatkläger (§ 471 Abs. III
RStGB.)
Der Vorsitzende:
(L.S.) gez. Enders
Landgerichtsrat
Zur Beglaubigung
Der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle
des
Amtsgerichts Nürnberg
Abtlg.
für Strafsachen
gez. Petermann
Inspektor