Antinationaler Skandal in MünchenFränkischer Kurier, 5.3.1928


Abschrift.


Beschluss


P.R.Av.99/28 Die Privatklage des Schriftstellers KarlKraus in Wien
gegen
den Schriftleiter Dr. Ernst Hohenstatter in München
wegen Beleidigung
vom 23. August 1928 wird zurückgewiesen;


Der Privatkläger hat die Kosten des Verfahrens
zu tragen und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen
Auslagen zu erstatten.


Gründe:


I.
Gegenstand der Privatklage ist der in Nr. 65 der Zeitung „Fränkischer Kurier“ vom 5. März 1928 enthaltene Artikel:
Antinationaler Skandal in München.


Dieser seinem vollen Umfang nach hierherbezogene
Artikel beginnt: „München, 3. März. (Spez. Dep. uns. Münch.
Schriftltg.)“


Am Kopfe der ersten Seite der Nr. 65 der Zeitung „FränkischerKurier“ vom 5. März 1928 sind die auswärtigen Schriftleitungen
dieser Zeitung, darunter „München, Kaiserplatz 9, Fernspr.
33930“ angegeben.


II.
Der Privatkläger hat gegen den für den einschlägigen Teil
der Zeitung verantwortlichen Schriftleiter Oskar FranzSchardt in Nürnberg wegen Beleidigung Privatklage beim
Amtsgerichte Nürnberg erhoben.


III.
Da die Klage gegen Oskar Franz Schardt schon im April
1928 erhoben worden ist, hat der Privatkläger den Artikel
im April 1928 vollständig gekannt. Er hat von der Handlung
und von der Person des Täters schon um diese Zeit Kenntnis
gehabt; er behauptet zwar den Namen des Täters erst durch
den in dem Privatklageverfahren Kraus gegen Schardt wegen
Beleidigung abgegebenen Schriftsatz vom 30. Juni 1928 erfahren
zu haben. Das mag sein.


„Die Kenntnis von der Person des Täters setzt nicht
notwendig das Wissen des Namens voraus; es genügt, dass der
Strafantragsberechtigte eine solche Kenntnis der Person er
langt hat, welche ihn in den Stand setzt, den Täter in einer
für die Strafverfolgungsbehörde erkennbaren Weise individuell
zu bezeichnen.“ Der Privatkläger hatte eine solche Kenntnis
von der Person des Täters.


Wie unter I ausgeführt, ist am Eingang des Artikels ausdrücklich angegeben, woher der Artikel stammt und am
Kopfe der Nr. 65/28 der Zeitung „Fränkischer Kurier“ der Sitz
der Münchener Schriftleitung genau mitgeteilt. Das genügt.
Der am 25.8.28 beim AG. München eingegangene Strafantrag ist
also nicht binnen 3 Monaten, sondern verspätet gestellt.


Die Privatklage ist demgemäss mit der ausgesprochenen
Kostenfolge zurückzuweisen.


§§ 185, 196, 194, 61 RSTGB., § 20 Abs. 2 Pressgesetz, Entsch.
des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 27 Seite 34, 35, §§ 158Abs. 2, 464, 471 STPO.


München, den 2. Oktober 1928
Amtsgericht München, Abteilung Strafgericht.
Amtsgerichtspräsident:
gez. Frank
Zur Beglaubigung
Der Urkundsbeamte:
lt. Siegel gez. Bauer