In der Nacht vom Mittwoch, den
29. zum Donners
tag,
den 30. Mai d.J. erzählte mir der Redakteur des Berliner Tageblatts, Herr
Walter v. Molo, dass er den Auftrag gehabt habe,
die
Kritik über ein grosses
Kabarett des Berliner Westens zu schrei
ben. Diese Kritik sei von der Chefredaktion zurückgewiesen wor
den, weil das Referat von den
übergeordneten Stellen als im Urteil
ungünstig befunden worden sei.
Diese Aeusserung geschah vor
Zeugen und auf nochmalige Rückfrage erklärte Herr v.
Molo, dass
die
Besprechung nur aus diesem Grunde nicht erschienen sei. Man
habe dann einen anderen Mitarbeiter des Tageblatts hingeschickt,
dessen wohlwollende Kritik auch erschienen ist.
Am Abend des 30. September
besuchte Herr Dr. HannsHorkheimer, regelmässiger
Filmkritiker des Berliner Tageblatts,
den
Film „Das Land ohne Frauen“ im Capitol. Als Herr Dr. Horkheimer das Kino verliess, wurde er von
einem Pressechef gefragt,
wie ihm der Film gefallen habe. Herr Dr. Horkheimer äusserte seine
schärfste Missbilligung über den
Film. Die Frage des Pressechefs,
ob er auch
in diesem Sinne seine Kritik abfassen werde, wurde
von Dr. Horkheimer bejaht. Am nächsten Tage erbat sich Chefredak
teur Theodor Wolff ganz
unvermittelt und gegen jede sonstige Ge
pflogenheit das Referat des Dr.
Horkheimer über den betreffenden
Film zur Einsichtnahme. Nach der Lektüre der scharfen Ablehnung
veranlasste Herr Wolff, dass ein
anderer Mitarbeiter, Herr Szatmari
dessen Tätigkeit sonst mit
Filmkritik nichts zu tun hat, in den
Film geschickt wurde und darüber schrieb. Auch hier kam so (ver
mutlich durch
Einflussnahme des betr. Vergnügungs-Etablissements)
eine bedeutend günstigere Kritik
zustande.