Berlin, den 6. November 1928
In Sachen
„Die Fackel“ ./. Mosse
– 231. C. 135/28 –
wird auf den Schriftsatz vom 25. Oktober 1928
folgendes erwidert:
I.
1) Es ist selbstverständlich
unter der Würde
des Klägers auf die Verunglimpfungen seiner
Persönlichkeit einzugehen.
Es genügt fest
zustellen, daß die über den Kläger vorgetra
genen Sachen
sämtlich Unwahrheiten oder Entstel
lungen sind, die immer
wieder auftauchen,
die Kläger hunderte von Malen widerlegt hat
und die von der Beklagten also nur in Kenntnis
ihrer Unwahrheit vorgetragen
sein können.
Nur an einem
Beispiel soll die Methode der
Beklagten gezeigt werden.
Herr Kraus [ist] niemals wegen verleumderischer
Beleidigung bestraft worden.
Die Beklagte trägt
aber vor, die Geschworenen
hätten ihn deshalb
einstimmig
verurteilt. Es dürfte gerichtsbe
kannt sein, daß das
Abstimmungsverhältnis bei
den
Geschworenen geheim ist. Es bleibt daher
nur die Möglichkeit, daß das
Berliner
Tageblatt
allwissend ist oder daß der
Kläger Recht hat,
wenn er sagt, das Wesen des
Journalismus be
steht darin, wo es keine Neuigkeiten gibt,
solche zu erfinden. Von
allen Behauptungen der
Klageerwiderungen ist nämlich nur die richtig,
daß der Kläger ein Gegner der modernen Pressmache ist.
Zu dieser rechnet er auch,
daß der Verlag Mosse, der bisher
den Oesterreichischen Polizeipräsident Schober auf das
schwerste angegriffen und
beschimpft hat, sich zu durchsich
tigen Zwecken vor Gericht
schützend vor Schober stellt.
Um klar zu stellen, was der
Kläger wirklich für die
Deutsche Literatur bedeutet,
braucht man nur die im anliegen
den Heft abgedruckten
Gutachten erster Deutscher Dichter
und Schriftsteller, wie etwa
Richard Dehmel, Thomas Mann
und andere mehr,
hinzuweisen, deren Urteil über einen Dichter
wohl massgebender ist, als
das des Inseratenhauses Mosse.
Unwahr ist im Schriftsatz vom 25. Oktober d.Js. – in
dem allerdings wenig wahr
ist – daß Herr Kraus den Chefredak
teur Theodor Wolff
der Lüge bezichtigt hat. Umgekehrt hat
vielmehr Herr Wolff
Herrn Kraus der Lüge bezichtigt, ist des
halb in Aktis
149.B.709/28 des Amtsgerichts Berlin-Mitte
prompt angeklagt worden,
während Herr
Kerr die schweren
Vorwürfe des überreichten Heftes „die Fackel“ nicht vor
Gericht zu widerlegen wagt.
Die Frage warum Herr Kerr nicht
klagt ist gleichbedeutend mit der, warum er nicht Selbst
mord verübt. Unwahr ist
auch, daß Herr Kraus die Blätter lobt,
die ihn loben. Vielmehr ist
er zum Beispiel von der „Weltbühne“, die ihn
jahrelang als Genie gefeiert hat, abgerückt,
als sie in mehreren
Aufsätzen eine unwahre Sexualmoral zeigte.
Daß die Beklagte dem Kläger
anfechtbaren Journalismus
vorwirft, wirkt um so eigenartiger, als der Chefredakteur des
Hauses Mosse, Herr Wolff,
als Harden ihm vorhielt, warum er
in einer Diskussion am
Mittwoch die Ansicht A, im Leitartikel
vom folgenden Montag die
Ansicht B vertrat, erwiderte: „Man
muß doch leben. “
Beweis: 1. Zeugnis der Frau
Elfriede Schmaltz, Budapest,
Svabhaggi naggszalloda,
2. Zeugnis des
Schriftsteller Franz Pfemfert,
Bln.-Wilmersdorf, Nassauischestr.
17.
II.
Alle Ausführungen der Gegenseite über die Bedeutung der
beider Parteien dürften
jedoch nicht zur Sache gehören und
nur dazu dienen, den
juristischen Kern zu verdunkeln. In
rechtlicher Beziehung
verhält sich die vorliegende Angele
genheit folgendermassen:
1) Es kann wohl nicht gut
bestritten werden, daß durch den
in einer Filiale der Beklagten abgeschlossener Inseratenver
trag diese und
nicht ein in ihrem Haus erschienenes Blatt
verpflichtet wird. Die
Passivlegitimation einer Zeitung der
Beklagten, etwa des Berliner
Tageblatts scheitert schon daran,
daß eine solche Zeitung
keine Rechtspersönlichkeit darstellt
sondern nur ein
Verlagsartikel der Beklagten ist.
2) Fraglich kann es also nur
sein, ob durch diesen Vertrag
die Beklagte verpflichtet worden ist, das
angenommene In
serat zu veröffentlichen.
Auch diesseits wird
zugegeben, daß die Beklagte selbst
verständlich
nicht verpflichtet ist, ein beleidigendes Inse
rat zu drucken sei es, daß
es ein Mitglied ihres Hauses
sei es, daß es irgend einen Menschen im In- oder Auslande be
leidigt. Es kann aber nicht
bettritten werden, daß das
vorliegende Inserat mit keinem Wort eine Beleidigung des
Dr. Kerr oder
irgend eines Anderen enthält.
Um einen solchen zu
konstruieren ist die Beklagte genötigt
zu behaupten, daß die in
einem Inserat angekündigten Schrift
werke intrigierende
Bestandteile des Inserats sei. Sie beruft
sich dafür auf die
Judikatur, ohne diese
allerdings zu zitieren. Es wird gebeten die Rechtsprechung
in einzelnen Entscheidungen
anzugeben. Das wird allerdings
der Beklagten nicht möglich sein, weil es
eine derartige un
sinnige Rechtssprechung nicht gibt.
3) Eine Redaktion ist
garnicht in der Lage und deshalb nicht
verpflichtet zu prüfen, was
sich erst hinter dem Inserat ver
birgt. Sonst würde sie ja
wegen Beihilfe bestraft werden müs
sen, wenn sie täglich in
ihren Spalten von Firmen Schwindel
präparate- und
Darlehnschwindel- und Kuppler-Inserate abdruckt.
Ein Riesenbetreib wie der
der modernen Zeitung ist zu einer
solchen Prüfung auch
garnicht in der Lage. Bestandteile des
Inserats für den der
Redakteur des Verlags verantwortlich
ist, ist deshalb nur der
Inseratentext.
4) Gleichgültig ist, wo das
Inserat aufgegeben wird. Da die
Beklagte nicht nur ihre Hauptgeschäftsstelle unterhält,
sondern
dem Publikum auch
Filialen zur Verfügung stellt, in denen
die Inserate aufgegeben
werden können, wird sie auch durch
die Annahme eines Inserats
durch die Filiale gemäß § 278 BGB.
verpflichtet, es sei denn,
daß sie im Inseratenvertrag einen
Vorbehalt macht. Es wird auf
die überreichte Urkunde dafür
bezug genommen, daß sie einen solchen Vorbehalt nicht enthält.
5) Es wird übrigens darauf
hingewiesen, daß Herr Dr. Kerr
nicht Redakteur oder
Angestellter des Hauses Mosse sondern
nur
Mitarbeiter ist.
Beweis: Zeugnis des Herrn
Dr. Alfred
Kerr, Berlin-GrunewaldHöhmannstr. 6.
Daß sich die Hauptverwaltung
des Hauses Mosse nicht scheut
Inserate gegen diesen Mitarbeiter
anzunehmen dafür spricht
der
im Original und abschriftlich anliegende Brief vom 16.
November 1926 nebst
Probesatz eines erschienenen Inserats,
in dem „unfreiwillige Beiträge von
Dr. Alfred
Kerr“ angekün
digt werden. Das damit keine
lobende Besprechung gemeint war,
mußte sich die
Hauptexpedition des Hauses Mosse sagen.
6) Es fragt sich also nur
noch, ob der Kläger die Beklagte
arglistig getäuscht hat.
Dieses leitet die Beklagte daraus her, daß das Inserat in
einer kleinen Filiale
aufgegeben worden ist. Die Filiale
Schiffbauer Damm ist aber keine kleine Filiale sondern eine
normale Filiale des Hauses Mosse.
Beweis: Zeugnis des Direktors Heinrich
Fischer und Augenschein.
Daß der Kläger das Inserat gerade in dieser Filiale aufgegeben
hat und nicht in der
Hauptexpedition liegt nur daran, daß die
Filiale sich im Hause seines
Vertreters des Direktors Heinrich Fischer
befindet. Von einer arglistigen Täuschung kann
aber schon deshalb keine
Rede sein, weil der Leiter dieser
Filiale, ein
gehobener Angestellter, das Inserat angenommen
hat und weil der wußte, daß
Kerr
Mitarbeiter des HausesMosse ist. Er hat
das Inserat genau geprüft und daraus erse
hen, daß es sich um Akten zu
einem Fall Kerr handelt. Das
ein solches Werk, das Akten veröffentlicht und noch dazu zu
einem Fall, wovon man immer
etwas kriminelles oder sittenwi
driges versteht, keine
Freundlichkeiten sondern Angriffe
gegen Herrn Kerr
enthält, war für den Angestellten selbst
verständlich und wußte er.
Beweis: Zeugnis des Dr. Heinrich Fischer.
Der Leiter der Filiale hat ausdrücklich gesagt, daß die
Dr. Alfred Kerr
betreffende Zeile sehr groß gedruckt werden
müßte, weil sie
Reklamewirkung verbürgt.
Beweis: Wie zuvor.
Danach kann von einer
arglistigen Täuschung keine Rede sein.
Das Berliner
Tageblatt ist ein gewerbliches Anzeigen
unternehmen. Es hält seinen
Anzeigenteil für alle Firmen
offen und alle Firmen dürfen ihre Waren dort anpreisen.
Das Berliner
Tageblatt hat kein Recht dazu den Kläger zu
verhindern auch ein Werk über den SchriftstellerKerr gegen gute
Bezahlung dem Publikum anzubieten. Genau wie
der Berliner
Lokalanzeiger dieses Inserat sofort bringen
würde.
Beweis: Zeugnis des Direktor N.N. vom Verlag Scherl
genau so muß das Berliner
Tageblatt das Inserat bringen, nach
dem es von seinem Verlag angenommen ist. Wollte es das
nicht tun, so hätte sie sich
vor der Annahme
überlegen
müssen.
7) Die Beklagte trägt vor, nach dem ersten Abend gewußt zu
haben, daß der Kläger in Vorträgen den Chefredakteur TheodorWolff und den Verlag in schmähender Weise angreife.
Trotzdem
hat sie danach
noch laufend die Inserate gebracht, in denen
der Kläger Vorlesungen aus seinen Schriften angekündigt hat,
zu denen selbstverständlich
auch Vorlesungen aus Schriften
gegen Dr.
Kerr gehören.
Am 4. Oktober d.Js. hat der
Verlag die Veröffentlichung
des streitigen Inserats des
Klägers abgelehnt. Noch am
5. Oktober hat er die zweite
Vortragserie des Klägers mit
Vorträgen gegen die Beklagte durch die Hauptexpedition zum
Abdruck annehmen lassen und
auch diese am 10. Oktober be
ginnende 2. Serie am Sonntag
den 7. Oktober inseriert.
Beweis: Zeugnis des Herrn von
Radetzki, Vertreters der Konzertdirektion Wolff und
Sachs zu Berlin W, Linkstr.
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Demgegenüber kann sich die
Beklagte auch nicht darauf beru
fen, daß die
Insertion von Werken gegen ihre Mitarbeiter
arglistig oder anfechtbar
sei.
Begl. Abschrift ist dem Gegner direkt
zugestellt.
gez. Dr. Laserstein
Rechtsanwalt.