Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


7 Cg 322/32


S/St


An das
Landesgericht für Z.R.S.Wien.


Klagende Partei: Verlag „DIE FACKEL“ Herausgeber
Karl Kraus, prot. Firma in Wien III.Hintere Zollamtsstr. 3
durch: Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Wien I., Schottenring 14


Beklagte Partei: Die Stadt Frankfurt a/Main als Konzes
sionärin der Frankfurter städtischenBühnen, zu Handen des Magistrates
Frankfurt a/Main
durch: Dr. Richard Pressburger
Rechtsanwalt Wien I., Kärntnerring 12


wegen Mk 2.000.–
Feststellung u. Rechnungslegung Mk 1000.–
zus. Mk 3.000.– Streitwert S 5.000.–


Vorbereitender Schriftsatz der beklagten Partei
und Stellungnahme gegen die unzulässige Klagsänderung seitens
der klagenden Partei:


2 fach


Zur weiteren Präzisierung des Standpunktes der beklagten Partei sei im Folgenden nur kurz zu den Ausführungen des
vorbereitenden Schriftsatzes der klagenden Partei vom 19. Okt.32 Stellung genommen:


ad 1.) des Schriftsatzes:


Die beklagte Partei hat ausser der Einwendung der
örtlichen Unzuständigkeit auch die der Unzulässigkeit des Rechts
weges erhoben, weil eben nicht das ordentliche Gericht, sondern
lediglich ein Bühnenschiedsgericht zuständig ist.


Wenn also auch posito non concesso die Argumen
te der klagenden Partei im vorbereitenden Schriftsatz zutreffen,
wäre dennoch die Unzulässigkeit des Rechtsweges gegeben, weil
eben auch bei Annahme des Gerichtsstandes gemäss § 88 J.N. le
diglich das Bühnenschiedsgericht in Wien zur Entscheidung berech
tigt gewesen wäre.


ad 2.):


Die Ausführungen der klagenden Partei gehen hier
am Kern der Sache vorbei. Ueberdies zitiert die klagende Partei
den Brief der Beklagten vom 12.III. 31 unrichtig. Es heisst in
dem Brief der Beklagten:


„Wir bestätigen den Erhalt Ihres Werten vom 3.d.M.
und erklären uns damit einverstanden, Karl Kraus
‚Ueberwindliche‘ in der nächsten Spielzeit heraus
zubringen, den definitiven Aufführungstermin werden
wir Ihnen 2 Monate vorher mitteilen“.


Wenn die klagende Partei meint, dass nunmehr
kein Zweifel bestehe, dass die beklagte Partei den Inhalt des
Schreibens vom 3.III.31 vollständig genehmigt und mit diesem sich
1 einverstanden erklärt habe, so will sie scheinbar absichtlich den
Sinn der Worte nicht so nehmen, wie er eben im Schreiben der Beklagten vom 12.III.31 enthalten ist.


Hätte die beklagte Partei das Schreiben vom 3.III.31 vollinhaltlich genehmigen und sich mit diesem einverstanden
erklären wollen, hätte sie es ja unzweifelhaft verstanden, dies
klar und deutlich auszudrücken. Die beklagte Partei hätte dann
einfach der klagenden Partei mitgeteilt, dass sie mit dem
Schreiben vom 3.III.31 vollinhaltlich einverstanden sei.


2Da dies aber eben nicht der Fall war, hat die beklagte Partei in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise
in ihrem Brief vom 12.III.31 einfach dasjenige bekanntgege
ben, womit sie sich einverstanden erkläre.


Ueber die Absicht der Parteien hinsichtlich des
Zweckes der Bekanntgabe des Aufführungstermines weiteres vorzu
bringen, erübrigt sich wohl.


ad 2.): Es wurde in der Klagebeantwortung auf die
Unmöglichkeit der weiteren Aufführung des Stückes die „Unüberwindlichen“ verwiesen und wird sich bei Vernehmung der beantragten
Zeugen herausstellen, dass nicht das geringste Verschulden sei
tens der beklagten Partei vorliegt.


Wenn die klagende Partei meint, dass die Konven
tionalstrafe von RM 2.000.– den „Schaden bei Weitem nicht decke“,
so genügt es wohl, hier darauf hinzuweisen, dass die klagendePartei es nicht einmal unternimmt, eine halbwegs plausible Kon
kretisierung dieses Schadens vorzunehmen.


ad 3.):


Dass es sich bei einem Aufführungsvertrage um
3höchst persönliche Verpflichtungen handelt, ist schon deshalb
unmöglich, weil der Direktor eines Theaters niemals für die Auf
führung durch einzelne momentan engagierte Mitglieder seines
Ensembles garantieren kann, da ja bekanntlich Aufführungen auch
durch plötzliche Personalveränderungen in Frage gestellt sein
können.


Woher die klagende Partei den Satz nimmt, dass sich
eine Bühne bei Erfüllung ihrer Aufführungsverträge, wenn dies
vertraglich nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, nicht durch
ein anderes noch vom Kläger approbiertes Ensemble vertreten lassen
4könne, ist jedenfalls schleierhaft. Es darf nicht vergessen werden,
dass die Verpflichtung der beklagten Partei nicht dahin ging,
die Aufführung der „Unüberwindlichen5 mit einem bestimmten Ensemble
vorzunehmen, sondern dass die Vertragsverpflichtung lediglich in der
tatsächlichen Aufführung des Stückes „Die Unüberwindlichen“ be
standen hat. Dass dies geschehen ist, kann die Klagspartei
nicht bestreiten und dass die Aufführung nicht serienmässig, ja
nicht ein einziges Mal wiederholt werden konnte, ist nicht auf
6 ein Verschulden der beklagten Partei, sondern auf den geänderten
Zeitgeist zurückzuführen.


Beweis: Intendant Dr. Kronacher, städt. Bühnen,
Frankfurt a/Main


Was jedoch die Stellung eines Eventual-Klagebegeh
rens an dieser Stelle betrifft, so wendet sich die beklagte Partei
ganz entschieden gegen diesen sich zweifellos als Klagsänderung
darstellende Eventualbegehren.


Es ist eine Klagsänderung im Sinne des § 235 Z.P.O.
wenn aus einem Feststellungsbegehren ein Leistungsbegehren gemacht
wird. Dies erklärt sich in augenfälliger Weise daraus, dass ein Fest
stellungsurteil in der Sache selbst nicht exekutionsfähig ist, wäh
rend eben ein Leistungsurteil ohne weiters der Exekution unterzo
gen werden kann.


Es stellt sich daher die Umwandlung eines Feststel
lungsbegehrens in ein Leistungsbegehren als eine Erweiterung des
Klagebegehrens im Sinne des § 235 Z.P.O. dar, welche eben nur
mit Zustimmung des Beklagten möglich erscheint.


Diese Zustimmung zur Aenderung des Klagebegehrens
verweigern wir aber und sprechen uns ganz entschieden gegen die
Zulassung aus.


Wien, am 29. Oktober 1932


Städtische Bühnen Frankfurt a/M
durch:
Dr. Pressburger