Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


7 Cg 322/32
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Beschluss


Das Landesgericht für Z.R.S. Wien hat in
der Rechtssache der klagenden Partei Verlag „Die Fackel“
Herausgeber Karl Kraus, prot. Firma in Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3 vertreten durch Dr. Oskar Samek, RA. Wien I.,Schottenring 14 wider die beklagte Partei: Stadt Frankfurtam Main als Konzessionärin der Frankfurter städt. Bühnen,
zu Handen des Magistrates Frankfurt am Main, vertreten durch
Dr. Richard Pressburger, RA. Wien I. Kärtnerring 12 wegen
S 5.000.– s.A. auf Grund der mit beiden Parteien durchge
führten abgesonderten mündlichen Verhandlung folgenden
Beschluss
gefasst:


Der von der beklagten Partei erhobenen Einrede
der Unzuständigkeit des Rechtsweges bezw. Unzuständigkeit des
Gerichtes sowie der rechtskräftig entschiedenen Streitsache
wird keine Folge gegeben.


Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 114 S 78 g bestimmten Kosten des In
zidenzstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.


Begründung:


Gegenstand des vorliegenden Prozesses ist
ein Aufführungsvertrag, laut welchem sich die beklagte Partei
verpflichtet, das Werk „Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus
innerhalb einen bestimmten Zeitraumes zur Aufführung zu
bringen und im Falle der Nichteinhaltung dieses Termines eine
Vertragsstrafe von 2000 RM. an die klagende Partei zu bezahlen.


Die klagende Partei begehrt nunmehr Fest
stellung, dass die Gegenseite ihre vertraglichen Verpflich
tungen nicht erfüllt nabe, sowie Verurteilung zur Bezahlung
der Vertragsstrafe und zum Kostenersatz. Die Zuständigkeit
des Gerichtes ergebe sich gem. § 88 J.N., da im Aufführungsvertrag Wien als Erfüllungsort vereinbart sei.


Die beklagte Partei wendet Örtliche und sach
liche Unzuständigkeit bzw. Unzulässigkeit des Rechtsweges,
sowie rechtskräftig entschiedene Streitsache ein. Die ört
liche Unzuständigkeit sei dadurch gegeben, dass die Kon
trahenten des obgenannten Aufführungsvertrages Mitglieder
der Vertragsorganisation Deutscher Bühnenverein einerseits
und der Vereinigung deutscher Bühnenverleger andererseits
seien und dass laut des zwischen diesen beiden Verbänden
bestehenden und für deren Mitglieder verbindlichen Tarif
vertrages Streitigkeiten aus Aufführungsverträgen unter
Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges die von den Ver
bänden eingesetzten Schiedsgerichte in Wien und Berlin zu
entscheiden hätten. Zuständig sei das Schiedsgericht desLandes des Beklagten und wäre daher die vorliegende Klage
in Berlin anzubringen gewesen.


Die sachliche Unzuständigkeit bezw. Unzu
lässigkeit des Rechtsweges werde darin erblickt, dass gem. den
zwischen den deutschen Bühnenverein, dem Verband deutscherBühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten und der Vereinigung der Bühnenverleger E.V. vereinbarten „Allgemeinen
Bestimmungen über den Geschäftsverkehr“, welche durch die
Streitteile zu einem wesentlichere Bestandteil des Auffüh
rungsvertrages gemacht wurden, als Gerichtsstand das zwi
schen den vertragschliessenden Teilen vereinbarte Schiedsgericht
gelte. Wenn also Wien als Erfüllungsort gelte, so wäre
lediglich das Bühnenschiedsgericht in Wien zuständig. Das
ordentliche Gericht sei aber jedenfalls ausgeschlossen,
da die Prozessparteien an den früher genannten Tarif
vertrag gebunden seien. Ueberdies sei die Klausel des Aufführungsvertrages, wonach Wien Erfüllungsort sei, ein
Unding, da der Vertrag seitens der beklagten Partei in
Frankfurt am Main zu erfüllen gewesen sei.


Die Einwendung der Unzulässigkeit des Rechts
weges durch den Beklagten erachtet das Gericht für nicht
begründet; denn die Vereinbarung, wonach die Entscheidung
einer Streitigkeit einem Schiedsgerichte zugewiesen wer
den soll, begründet lediglich die Einrede der Unzuständig
keit, nicht aber die der Unzulässigkeit des
Rechtsweges.


Was nun die Frage der Zuständigkeit anlangt, so
hat die klagende Partei den vorliegenden Streitfall schon
seinerzeit beim Bühnenschiedsgericht in Berlin anhängig ge
macht, hat aber über die von der beklagten Partei dort mit
der Begründung, der Kläger sei nicht Mitglied des Verbandes
Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten oder der
Gemeinschaft dramatischer Schriftsteller und Komponisten,
erhobene Einrede der Unzuständigkeit, die Klage zurück
gezogen, sodass eine meritorische Entscheidung nicht
gefällt wurde. Der von der beklagten Partei nunmehr wieder
eingenommene Standpunkt, das Berliner Schiedsgericht sei
zuständig, ist unhaltbar. Gewiss ist die Entscheidung der
Frage der Zuständigkeit dadurch kompliziert, dass einer
seits der Verlag „Die Fackel“ Mitglied der Vereinigung
der Vereinigung der Bühnenverleger ist, dass aber
andererseits der Alleininhaber dieses Verlages Karl Kraus
keinem der Verbände angehört, für welche die „allgemeinen
Bestimmungen für den Geschäftsverkehr“ bindend sind. Doch
haben beide Teile einerseits durch die Einwendung der Un
zuständigkeit vor dem Berliner Schiedsgericht und von
dererseits die schiedsgerichtliche Kompetenz ausgeschlos
sen.


Es war endlich noch die Frage zu entscheiden, ob
das hiesige Gericht für diesen Streitfall zuständig sei.
Die Bestimmung des Aufführungsvertrages, wonach Wien Er
füllungsort sei, bezieht sich selbstverständlich lediglich
auf die Zahlung der Vertragsstrafe, nicht aber auf die in
Frankfurt am Main geplante Aufführung des Theaterstückes.
Dass diese Vertragsstrafe aber in Wien geleistet werden
kann, darüber besteht wohl kein Zweifel. Allerdings wendet
die beklagte Partei ein, dass die Vertragsstrafe in
Reichsmark festgesetzt sei und dass eine derartige Lei
stung mit Rücksicht auf die geltenden Devisenvorschriften
unmöglich sei. Dieser Umstand kann aber höchstens verhin
dern, dass die Zahlung in ausländischen Valuta, nicht aber
dass sie in Wien geleistet werde. Die Frage, ob infolge der
Devisenvorschriften die Vertragsstrafe tatsächlich in
Reichsmark geleistet werden kann, ist bei der Entschei
dung der Zuständigkeitsfrage überhaupt nicht zu erörtern.
Es handelt sich nur darum, dass sie unter normalen Ver
hältnissen in Wien zu leisten wäre oder hier geleistet wer
den könnte. Diese letztere Frage ist aber zweifellos zu
bejahen.


Bei der ersten Tagsatzung wurde auch noch mit
Rücksicht auf den angeblich beim Bühnenschiedsgericht in
Berlin zur Zahl Noh Sch 23/32 gefällten Schiedsspruch die
Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache er
oben. Diese Einrede ist aber nicht begründet, da, wie bereits
erwähnt wurde, vom Bühnenschiedsgericht in Berlin ein
Schiedsspruch überhaupt nicht gefällt, vielmehr die dort
eingebrachte Klage über die erhobene Einrede der Unzustän
digkeit zurückgezogen wurde.


Die Entscheidung über die Kosten
stützt sich auf §§ 41 und 52 ZPO.


Landesgericht für Z.R.S. Wien
Abt. 7
Wien, am 4. November 1932.


Schweitzer


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