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Beschluss
Das Landesgericht für Z.R.S. Wien hat in
der Rechtssache der
klagenden Partei Verlag „Die Fackel“
Herausgeber Karl Kraus,
prot. Firma in Wien III. Hintere
Zollamtsstrasse 3 vertreten durch Dr. Oskar Samek, RA. Wien I.,Schottenring 14
wider die beklagte Partei: Stadt Frankfurtam Main als Konzessionärin der Frankfurter städt. Bühnen,
zu Handen des Magistrates
Frankfurt am Main, vertreten durch
Dr. Richard Pressburger, RA. Wien I. Kärtnerring 12 wegen
S 5.000.– s.A. auf Grund der
mit beiden Parteien durchge
führten abgesonderten mündlichen Verhandlung folgenden
Beschluss
gefasst:
Der von der beklagten Partei erhobenen Einrede
der Unzuständigkeit des
Rechtsweges bezw. Unzuständigkeit des
Gerichtes sowie der rechtskräftig entschiedenen Streitsache
wird keine Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 114 S 78 g bestimmten Kosten des
In
zidenzstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung:
Gegenstand des vorliegenden
Prozesses ist
ein Aufführungsvertrag, laut welchem sich die beklagte Partei
verpflichtet, das Werk „Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus
innerhalb einen bestimmten
Zeitraumes zur Aufführung zu
bringen und im Falle der Nichteinhaltung dieses Termines eine
Vertragsstrafe von 2000 RM.
an die klagende Partei zu bezahlen.
Die klagende Partei begehrt nunmehr Fest
stellung, dass
die Gegenseite ihre vertraglichen
Verpflich
tungen nicht erfüllt nabe, sowie Verurteilung zur Bezahlung
der Vertragsstrafe und zum
Kostenersatz. Die Zuständigkeit
des Gerichtes ergebe sich gem. § 88 J.N., da im Aufführungsvertrag
Wien als
Erfüllungsort vereinbart sei.
Die beklagte Partei wendet Örtliche und sach
liche
Unzuständigkeit bzw. Unzulässigkeit des Rechtsweges,
sowie rechtskräftig
entschiedene Streitsache ein. Die ört
liche
Unzuständigkeit sei dadurch gegeben, dass die Kon
trahenten des
obgenannten Aufführungsvertrages Mitglieder
der Vertragsorganisation Deutscher Bühnenverein einerseits
und der Vereinigung deutscher Bühnenverleger
andererseits
seien und
dass laut des zwischen diesen beiden Verbänden
bestehenden und für deren
Mitglieder verbindlichen Tarif
vertrages Streitigkeiten aus Aufführungsverträgen unter
Ausschluss des ordentlichen
Rechtsweges die von den Ver
bänden eingesetzten Schiedsgerichte in Wien und Berlin zu
entscheiden hätten. Zuständig sei das Schiedsgericht desLandes des Beklagten und wäre
daher die vorliegende Klage
in Berlin anzubringen gewesen.
Die sachliche
Unzuständigkeit bezw. Unzu
lässigkeit des Rechtsweges werde darin erblickt, dass gem. den
zwischen den deutschen Bühnenverein, dem Verband deutscherBühnenschriftsteller und
Bühnenkomponisten und der Vereinigung der
Bühnenverleger E.V. vereinbarten „Allgemeinen
Bestimmungen über den
Geschäftsverkehr“, welche durch die
Streitteile zu einem
wesentlichere Bestandteil des Auffüh
rungsvertrages
gemacht wurden, als Gerichtsstand das zwi
schen den
vertragschliessenden Teilen vereinbarte Schiedsgericht
gelte. Wenn also Wien als Erfüllungsort gelte, so wäre
lediglich das Bühnenschiedsgericht in Wien zuständig.
Das
ordentliche Gericht
sei aber jedenfalls ausgeschlossen,
da die Prozessparteien an
den früher genannten Tarif
vertrag gebunden seien. Ueberdies sei die Klausel des Aufführungsvertrages, wonach Wien Erfüllungsort sei, ein
Unding, da der Vertrag
seitens der beklagten Partei in
Frankfurt am Main zu erfüllen gewesen sei.
Die Einwendung der
Unzulässigkeit des Rechts
weges durch den Beklagten
erachtet das Gericht für nicht
begründet; denn die
Vereinbarung, wonach die Entscheidung
einer Streitigkeit einem
Schiedsgerichte zugewiesen wer
den soll, begründet lediglich die Einrede der Unzuständig
keit, nicht aber
die der Unzulässigkeit des
Rechtsweges.
Was nun die Frage der
Zuständigkeit anlangt, so
hat
die klagende Partei den vorliegenden
Streitfall schon
seinerzeit
beim Bühnenschiedsgericht in Berlin
anhängig ge
macht,
hat aber über die von der beklagten Partei
dort mit
der Begründung, der
Kläger sei nicht Mitglied des
Verbandes
Deutscher Bühnenschriftsteller und
Bühnenkomponisten oder der
Gemeinschaft dramatischer Schriftsteller und Komponisten,
erhobene Einrede der
Unzuständigkeit, die Klage zurück
gezogen, sodass
eine meritorische Entscheidung nicht
gefällt wurde. Der von der
beklagten Partei nunmehr wieder
eingenommene Standpunkt, das
Berliner Schiedsgericht sei
zuständig, ist unhaltbar.
Gewiss ist die Entscheidung der
Frage der Zuständigkeit
dadurch kompliziert, dass einer
seits der Verlag „Die Fackel“ Mitglied der
Vereinigung
der Vereinigung der Bühnenverleger ist, dass
aber
andererseits der
Alleininhaber dieses Verlages Karl Kraus
keinem der Verbände
angehört, für welche die „allgemeinen
Bestimmungen für den
Geschäftsverkehr“ bindend sind. Doch
haben beide Teile einerseits
durch die Einwendung der Un
zuständigkeit vor dem Berliner
Schiedsgericht und von
dererseits die
schiedsgerichtliche Kompetenz ausgeschlos
sen.
Es war endlich noch die
Frage zu entscheiden, ob
das
hiesige Gericht für diesen Streitfall
zuständig sei.
Die Bestimmung
des Aufführungsvertrages, wonach Wien Er
füllungsort sei, bezieht sich selbstverständlich lediglich
auf die Zahlung der
Vertragsstrafe, nicht aber auf die in
Frankfurt am Main geplante Aufführung des Theaterstückes.
Dass diese Vertragsstrafe
aber in Wien geleistet werden
kann, darüber besteht wohl
kein Zweifel. Allerdings wendet
die beklagte Partei ein, dass die Vertragsstrafe in
Reichsmark festgesetzt sei
und dass eine derartige Lei
stung mit Rücksicht auf die geltenden Devisenvorschriften
unmöglich sei. Dieser
Umstand kann aber höchstens verhin
dern, dass die
Zahlung in ausländischen Valuta, nicht aber
dass sie in Wien geleistet werde. Die Frage, ob infolge der
Devisenvorschriften die
Vertragsstrafe tatsächlich in
Reichsmark geleistet werden kann, ist bei der Entschei
dung der
Zuständigkeitsfrage überhaupt nicht zu erörtern.
Es handelt sich nur darum,
dass sie unter normalen Ver
hältnissen in Wien zu leisten wäre
oder hier geleistet wer
den könnte. Diese letztere Frage ist aber zweifellos zu
bejahen.
Bei der ersten Tagsatzung
wurde auch noch mit
Rücksicht
auf den angeblich beim Bühnenschiedsgericht
in
Berlin zur Zahl Noh Sch
23/32 gefällten Schiedsspruch die
Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache er
oben. Diese
Einrede ist aber nicht begründet, da, wie bereits
erwähnt wurde, vom Bühnenschiedsgericht in Berlin ein
Schiedsspruch überhaupt
nicht gefällt, vielmehr die dort
eingebrachte Klage über die erhobene Einrede der Unzustän
digkeit
zurückgezogen wurde.
Die Entscheidung über die
Kosten
stützt sich auf
§§ 41 und 52 ZPO.
Landesgericht für Z.R.S. Wien
Abt. 7
Wien, am 4. November 1932.