f. Gegner
Termin: 8. Januar 1930, 11¼
Uhr.
Hamburg, den 12. Dezember 1929.
38390
An das
Landgericht Hamburg,
Zivilkammer 11.
Z. XI.
566/29.
Schriftsatz
in Sachen
Karl Kraus
(Dr. E. Lion)
gegen
1. Otto Schabbel
2. Dr. Hartmeyer
(Dr. Werner Bintz)
1.) Es scheint, als wenn der
Kläger den Rechts
standpunkt der Beklagten
nicht ganz verstanden hat.
Wie die Dinge lägen, wenn beide
Beklagten
den Artikel in voller Kenntnis seines Inhaltes hätten erschei
nen lassen, kann auf
sich beruhen. Eine derartige Kenntnis
wird von von beiden Beklagten
bestritten. Der beklagte
Redakteur hat, wie schon dargestellt, den Artikel
schlankweg
in die Presse gegeben, weil er
sich auf dessen Verfasser ver
liess. Gewiss soll Derartiges
nicht vorkommen, ist aber im
Schnellbetriebe des Zeitungslebens nicht zu vermeiden. Dem
beklagten Inhaber aber werden derartige Nebensächlichkeiten
von seinen Redakteuren überhaupt
niemals vorgelegt.
Der Kläger kann mit seiner Klage nur weiter-
kommen, wenn er subjektiv
rechtswidriges Handeln behauptet;
ihn trifft die volle Beweislast. Der Beweis aber, dass die
Dinge sich anders verhalten
haben, als geschildert, wird
ihm
nicht möglich sein.
2.) Liegt keine subjektiv,
sondern nur objektiv
übliche
Nachrede vor, dann fällt die Klage in sich zusammen.
Sie lässt sich nur auf § 823 BGB. stützen, aber auch diese
Stütze versagt, weil die Ihre
schwerlich als „sonstiges Recht“
im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. Wollte man aber
selbst dem Kläger die Berufung auf § 823 BGB.
gestatten,
dann würde sein
Schadensersatzanspruch, welcher gekleidet
ist in die Form eines Verlangens
auf Widerruf, sich dieselbe
Behandlung gefallen lassen müssen, der jeder Schadensersatz
anspruch ausgesetzt ist. Der Kläger wäre verpflichtet ge
wesen, alles zu tun, um den
entstehenden Schaden zu ver
hindern. Diese Verpflichtung hat
der Kläger
gröblich ver
säumt. Durch die
vorgelegte Korrespondenz ist dargetan,
dass der Urheber des den Kläger
kränkenden Artikels, Herr
Dr. Egon-Erich Albrecht zu einer feierlichen
Richtigstellung bereit
war. Ebenso steht fest, dass die
Redaktion bereit war, die Richtigstellung zu bringen. Der
Kläger hat aber das diesbezügliche Schreiben des Herrn
Dr. Egon-Erich Albrecht überhaupt nicht beantwortet und
von der Redaktion verlangt, dass
sie eine erniedrigende
Entschuldigung bringe. Später, als der Kläger auf
diese
Entschuldigung der
Redaktion verzichtet hatte, verlangte
er einige hundert Mark als
Kostenersatz. Tatsache jedenfalls
ist, dass die ganze
Angelegenheit im Anfang im Keime dadurch
hätte erstickt werden können,
dass der Kläger sich mit einer
fairen Erklärung des Herrn Dr.
Egon-Erich Albrecht zufrieden
gab. Diese Erledigung hat der Kläger durch sein unverständiges
Verhalten selbst unterbunden.
Infolgedessen besteht kein
Bedürfnis mehr dafür, dem Kläger, der sich selber
in die
Lage gebracht hat, in der
er sich befindet, durch einen
Urteilsspruch zu helfen.
Der Rechtsanwalt
(gez) Bintz Dr.
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