Sehr geehrter Herr Kollege!
Ihr Schreiben vom 9. Jänner 1930 habe
ich Herrn Kraus zur Kenntnis gebracht. Herr Kraus meint, er
habe den Prozess doch nicht
zu dem Zweck angefangen, um seine
gefährdete Ehre unter
Aufwand von Kosten wieder herzustellen.
Herr Kraus führt die Prozesse nicht um bei den Lesern der
Zeitungen tadellos
dazustehen, sondern lediglich als eines
der Kampfmittel gegen die
Zeitungen, die zur wahrheitsgemässen
Berichterstattung mit jeden
gesetzlich erlaubten Mitteln ver
halten werden sollen. Er
unternimmt daher Prozesse nur dann,
wenn sie mit grösster
Wahrscheinlichkeit Aussicht auf Erfolg
haben und Sie haben ja
seinerzeit diese Aussicht mitgeteilt.
Wenn natürlich der Stand des
Prozesses ein ungünstiger ist,
so musste der Vergleich abgeschlossen werden. Die Tatsache
aber, dass der Prozess
eventuell gegen Herrn Hartmeyer ver
loren geht,
dürfte von wenig Bedeutung sein, wenn die Straf
sache in zweiter Instanz
gewonnen wird und die Zivilsache
gegen Schabel erfolgreich endet.
Dass Herr Hartmeyer von dem
ganzen Fall bis zur Klageerhebung überhaupt nichts gewusst
hat oder zu mindest es
behaupten wird, war ja vorauszusehen.
Wenn Sie nun einmal mit
verklagt haben, jetzt aber glauben
gegen ihn nicht durchdringen
zu können, so wäre es vielleicht
am zweckmässigsten die
Zivilklage gegen Hartmeyer zurückzu
ziehen und sie
nur gegen Schabel aufrechtzuerhalten, wodurch
ja die Kosten gegen Hartmeyer auf einen geringen Betrag be
schränkt werden.
Keinesfalls können, wenn dies geschieht und
in den übrigen Sachen der
Prozess erfolgreich weiter geführt
wird, die Kosten die auf Herrn Kraus entfallen Mk. 210.– aus
machen. Anders
steht natürlich die Sache, wenn man befürchten
muss, auch die Strafsache
und Zivilsache gegen Schabel zu ver
lieren, da wäre
selbstverständlieh noch vorzu
schlagen
ziehen
, die
Sache so
auszugleichen, wie Sie es in Ihrem Schreiben vom9. Jänner
1930 beantragen.
Der ständigen Einwendung der
Gegenseite, dass der
Vergleich an der Forderung einer Busse gescheitert ist, könnte
man am besten dadurch
entgegen treten, dass man jetzt auf die
Busse verzichtet, wie ich
schon im Brief vom 25. September 1929
angeregt habe. Die
gegenseitige Kostenaufhebung ist aber nach
meinem Dafürhalten, da wir
doch bei günstigem Ausgang des
Prozesses mit Ausnahme gegen Hartmeyer
schätzungsweise mit
3/4
unseres Anspruches durchgedrungen sind, gewiss nicht am
Platze. Ich würde, um ein
weiteres zu tun, um den Vergleich
leichter zu ermöglichen, auf
meine Kosten verzichten, wodurch
sie sich um den Betrag von
Mk.75.– verringern, vielleicht
können Sie bei der Gegenseite durchsetzen, dass wenigstens Ihre
Kosten bezahlt werden.
Ich bitte Sie aber dies nur
als Anregung zu betrachten
und nach Ihrem eigenen Urteil zu handeln und wenn Sie es für
notwendig halten, den
Vergleich auch unter gegenseitiger Kosten
aufhebung zu schliessen. Mit
vorzüglicher kollegialer Hochachtung