Berlin NW 40, den 15. August 1929


1.J.779.29/1


Auf die namens des Schriftstellers Kraus erstattete, am 3. August
1929 hier eingegangene Anzeige gegen den verantwortlichen Schriftleiter Bornstein wegen Nichtaufnahme einer Berichtigung.


Nach Prüfung des Sachverhalts sehe ich mich
zu einem strafrechtlichen Einschreiten nicht in der Lage.
Die Berichtigungspflicht des § 11 des Reichspressegesetzes
setzt u.a. voraus, dass sich die Berichtigung lediglich auf
tatsächliche Angaben beschränkt. Hingegen besteht eine solche
Pflicht nicht, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Berichtigung neben tatsächlichen Angaben auch Äusserungen kritischen
Inhalts enthält und Behauptungen zu widerlegen sucht. Eine
derartige kritische Äusserung liegt beispielsweise schon in
dem im 1. Absatz der Berichtigung enthaltenen Satze: „Ohne
mit seinem Namen dafür hervortreten zu wollen!“


Von dem Inhalt dieses Bescheides bitte ich HerrnKraus in Kenntnis zu setzen.


Wegen der Rechtsgültigkeit Ihrer Anzeige darf ich
darauf hinweisen, dass die Unterschrift fehlte, auch eine
Vollmacht nicht beilag.


Im Auftrage.
[Unterschrift]
Oberstaatsanwalt


[Unterschrift]
[Unterschrift]


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