Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich bestätige den Empfang Ihres gesch.
Schreibens vom 10. l.M., sowie der beigeschlossenen Belege, nach
deren Durchsicht ich folgendes festgestellt habe.


Im Briefe vom 30.IV.1928 bestätigt
Schamschula die Vereinbarung, nach welcher ihm für die Veran
staltung der Vortragsabende 10% der Bruttoeinnahmen gebühren.
Diese Vereinbarung scheint nur für die Prager Abende gegolten
zu haben, deren Abrechnung offenbar keine Differenzen ergeben hat.


Der nicht abgeführte Betrag dürfte aus der Verrechnung nur
der Karlsbader Vorlesung herrühren. Im Briefe vom 15.XI.1928,
der die letzte Verrechnung über die Karlsbader Vorlesung ent
hält, ist der Reinertrag mit 5378.60 Kč
angegeben. Davon zieht Schamschula folgende
Beträge ab: in Baar ausgezahlt 2000.–
Fahrtspesen, Hotels und Flugzeugkarte
nach Wien 1000.–
und gelangt zu einem, für Herrn Kraus resultierenden Betrag
von 939.30 Kč, wobei er anführt „laut Vereinbarung Teilung
auf 50% was über 2500.– Kč eingeht.“ Er verrechnet also fol
gendermassen: Reinertrag. 5378.60 Kč
abzüglich 1000.– Kč
für Fahrtspesen etc., verbleibt 4378.60 Kč.
Uibertrag: 4378.60 Kč
Nach Abzug der 2500.– Kč
an welchen Schamschula kein Anteil gebührt,
resultiert 1878.60 Kč,
die zwischen Schamschula und Herrn Kraus zu 50%
zu teilen sind, sodass Schamschula 939.30 Kč
zu bezahlen hätte.


Gegen die 50%ige Beteiligung an dem Kč 2500.– übersteigenden
Ertrage wurden seitens der Verwaltung der Vorlesungen KarlKraus keine Einwendungen erhoben, sodass ich annehme, dass für
Karlsbad nicht – wie für Prag – die in Schamschulas Briefe vom
30.IV.1928 bestätigten Bedingungen, sondern später ge
troffene Vereinbarungen gelten.


Ich bitte, mir die Richtigkeit dieser Annahme
nach Anfrage bei der Verwaltung der Vorlesungen Karl Kraus
zu bestätigen.


Ich habe die Uiberreichung der Strafanzeige
bisher unterlassen, weil ich den Tatbestand genauestens er
mitteln wollte, zumal mir bekannt ist, dass die hiesige
Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung nur in solchen Fällen
veranlasst, in welchen die strafbare Handlung bereits in der
Anzeige einwandfrei dargestellt ist.


Ich will es unter allen Umständen vermeiden, im
Namen des Herrn Karl Kraus eine Anzeige zu überreichen, die
nicht zur Strafverfolgung des Beschuldigten führen würde, damit
Schamschula sich später nicht rühmen könne, Herr Kraus habe
gegen ihn nichts ausrichten können.


Deswegen bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Doktor,
mir noch die erbetene Auskunft über die Vereinbarung hinsicht-
lich der Beteiligung Schamschulas am Ertrage der Karlsbader
Vorlesung zu erteilen, worauf ich unverzüglich die Strafan
zeige überreichen werde.


Ich zeichne mit dem Ausdrucke vorzüglicher
Hochachtung Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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