Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich bestätige den Empfang Ihrer gesch.
Zuschrift vom 14. l.M. in Sachen des Herrn Karl Kraus gegen
Erich Schamschula und teile höfl. mit, dass ich eine Strafan
zeige folgendes Inhaltes überreicht habe:


„Im Jahre 1928 veranstaltete Herr
Karl Kraus in Prag und in Karlsbad Vorlesungen und bediente
sich beim Arrangement der Dienste des Herrn Erich Schamschula, früheren
Besitzers der Konzertdirektion Amé, dermalen wohnhaft in PragXII. Třebízského 8. Es war vereinbart, dass Herr Erich Schamschula für die Besorgung der vorbereitenden Arbeiten 10% der
Bruttoeinnahmen erhält. Dies galt für die Prager Vorlesungen.
Für die Karlsbader Vorlesungen hatte Erich Schamschula 50%
der den Betrag von 2500.– Kč übersteigenden Reineinnahmen zu
erhalten.


Erich Schamschula besorgte die Vorle
sung in Karlsbad am 24.V.1928 durch Vermittlung der Konzertdirektion Hans Feller in Karlsbad, von welcher er als Rein
ertrag nach Abzug der dieser Konzertdirektion gebührenden Ent
lohnung den Betrag von 5.378.60 Kč
ausgezahlt erhielt. Von diesem Betrage zahlte
er Herrn Kraus, resp. legte für diesen an Fahrt
auslagen, Hotelspesen, Flugzeugkarte etc. 1.000.– Kč
aus, sodass
4.378.60 Kč


Uebertrag 4.378.60 Kč
verblieben. Nach Abzug der 2.500.– Kč
verblieben 1.878,60 Kč
sodass Schamschula verpflichtet war, die
Hälfte davon per 939.30 Kč
an Herrn Kraus auszufolgen. Dieser Verpflichtung ist er
trotz wiederholten Aufforderungen nicht nachgekommen, wiewohl
er bereits in seinem Briefe vom 15.XI.1928 ankündigt, er
werde diesen Betrag am 4. Dezember 1928 an Herrn Kraus ein
senden. Auch auf weitere Aufforderungen des Rechtsfreundes
des Herrn Kraus hat Erich Schamschula nicht reagiert und
schliesslich erklärt, er könne sich der Angelegenheit nicht
mehr erinnern und die Sache müsse verjährt sein.


Selbst nachdem er belehrt worden ist, dass
von einer Verjährung schon deswegen keine Rede sein könne,
weil er sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat,
aus welcher er den Nutzen noch in Händen habe, hat ErichSchamschula den zu Unrecht zurückbehaltenen Betrag Herrn
Karl Kraus nicht ausgefolgt. Mit Rücksicht darauf wird
die Einleitung des Strafverfahrens gegen Erich Schamschula
wegen Veruntreuung beantragt. Herr Karl Kraus tritt diesem
Verfahren als Privatbeteiligter bei und zwar für den erlit
tenen Schaden per 939.30 Kč samt 5% Zinsen vom 26.V.1928.“


Es besteht zwar noch eine weitere, nicht
ganz aufgeklärte Differenz von 64.42 Kč und 160.–, die
ich jedoch nicht geltendgemacht habe, weil die diesbezüg
lichen Belege fehlen und weil ich die Sachen nicht unnütz
komplizieren wollte.


Ob dieses Einschreiten Erfolg haben wird,
kann ich nicht voraussagen, hoffe jedoch, dass Schamschula, insoferne er dazu nur einigermassen in der
Lage ist, bestrebt sein wird, durch Zahlung die Einstel
lung des Strafverfahrens zu erreichen.


Indem ich bitte, dies zur Kenntnis zu nehmen
und mich Herrn Kraus bestens zu empfehlen, zeichne ich


mit vorzüglichster Hochachtung
ergebener:
Dr. Turnovsky


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