Abschrift
Berlin, den 14. Januar 1930
An das
Landgericht I,Berlin.
J./D,
In Sachen
„Die Fackel“ ./. Die Volksbühne
38. 0. 549. 29
vertrete ich die Beklagte.
Ich werde beantragen
die Klage abzuweisen,
die Kosten des Rechtsstreits
der Klägerin aufzuerlegen.
Die Beklagte hat mit der Klägerin
den der Klage beigefügten
Aufführungsvertrag
abgeschlossen. Die Aufführung
hat vereinbarungsgemäss am 20. Oktober
stattgefunden.
Es wird bestritten, dass die
Beklagte unbefugt
Änderungen vorgenommen hat.
Der Klagevortrag ist in dieser Beziehung
überhaupt nicht
substantiiert. Es muss
von
der Klägerin genau angegeben werden,
welche Stellen von der Beklagten geän
dert worden sind, bezw.
welche Stellen
aus dem Bühnenwerk bei der Aufführung
fortgelassen worden sind. Es
genügt
nicht, Zeugen
dafür zu benennen, dass
Änderungen vorgenommen wurden, es muss
auch bei dem Beweisantritt
genau ange
geben
werden, welche Änderungen von der
Klägerin behauptet wurden. Beweisantritt,
der dem Zwecke dient, sich
erst die Infor
mation zu beschaffen oder die mangelhaft
substanziierte Klage zu
ergänzen, ist unzulässig.
Es wird bestritten, dass
eine Vertrags
pflicht, das Werk in den
Abendspielplan auf
zunehmen und serienmäßig in dem Abendspiel
plan das Werk zu wiederholen, bestanden hat.
Die Ausführungen der Klägerin zu diesem
Punkte sind vollkommen
abwegig, eher be
steht ein Brauch der Berliner Bühnen in dem
von dem Kläger behaupteten Umfang, noch
besteht auf Grund des Vertrages eine
Ver
pflichtung, zur Übernahme des Stückes in
den
Abendspielplan. Es besteht vielmehr
an den Berliner Bühnen die
ständige Übung,
ein Stück,
dessen Aufführung sich wirtschaft
lich als ein Misserfolg
darstellt, sofort
vom
Spielplan abzusetzen. Bei Stücken,
deren erste Aufführung als
Matinee erfolgt
ist, besteht
eine Verpflichtung, das Stück
in den Abendspielplan aufzunehmen, überhaupt
nicht, sondern wenn eine
solche Verpflich
tung übernommen werden sollte, so wird sie
im Vertrage ausdrücklich
vereinbart.
Es ist selbstverständlich,
dass die
Beklagte, wenn das Stück ein Erfolg gewesen
wäre, selbst ein Interesse
daran gehabt
hätte, das Stück in den Abendspielplan aufzu
nehmen. Die
Ausführungen des Klägers über
den pekuniären Erfolg der
Matinee sind
unzutreffend. Trotz
stärkster Propaganda sind
nur
237 Billets an Mitglieder der Volksbühne
und nur 350 Karten im
Vorverkauf an der
Tageskasse
abgesetzt worden. Es blieben daher
trotz der bei der Premiere
selbstverständlich
ausgegebenen Freikarten noch über 600 Plätze
unbesetzt. Die
Kasseneinnahmen standen ausser
Verhältnis zu den Unkosten der Aufführung.
Die Gesamteinnahmen betrugen
RM. 1680.–
und die
Gesamtausgaben ohne Berechnung der
Hausunkosten und der
vierwöchentlichen
Probenarbeit und ohne Honorierung der Schau
spieler betrugen 4.763.48,
sodass bereits die
erste
Vorstellung einen Verlust von RM.
3.883.08 brachte.
Beweis: die Geschäftsbücher
der Beklagten.
Man musste annehmen,dass die
Erstver
anstaltung dieses Werkes eine sehr
günstige
Kasseneinnahme
bringen würde, durch die
mindestens die tatsächlichen Unkosten gedeckt
wurden. Dies ist jedoch
nicht der Fall ge
wesen. Der pekuniäre Misserfolg wird sich
daraus erklären, dass das
Stück, dessen In
halt als bekannt
vorausgesetzt wird, sich
an
einen beschränkten Kreis des Publikums
wendet und überhaupt nur für
diejenigen
verständlich
und von Interesse ist, die über
die österreichischen
Verhältnisse genau
unterrichtet sind. Es ist sehr bedauerlich,
dass dieses Stück auf so geringes Verständ
nis bei dem Berliner
Publikum gestossen ist,
das
zeigt sich insbesondere bei dem Versuch
einer Wiederholung der
Aufführung am 3.
November.
Der stärkeren Werbekraft halber
wurde der Ertrag der
Vorstellung dem Ferien
fond der Angestellten des
Theaters überwie
sen, und es wurde seitens
des Vertrauens
mannes der Angestellten eine sehr starke
Propaganda in Szene gesetzt,
um einen
möglichst günstigen
Billeterfolg zu er
zielen. Der Erfolg war leider zu kläglich,
dass der Vertrauensmann der
Angestellten
es
vorgezogen hat, lieber die entstandenen
Werbekosten von RM. 392.– zu
opfern, als
ein weiteres
Risiko einzugehen. Es sind
insgesamt nur 251 Karten verkauft worden.
Beweis: Zeugnis des Herrn
Rendanten
Heidler, zu laden bei der Beklagten.
Die übrigen Behauptungen des
Klägers
wurden bestritten. Es ist
insbesondere un
wahr, dass die Beklagte versucht hat,
auf den Schauspieler Peter Lorre einzuwir
ken, dass er sich krank
melde, ohne krank
zu sein.
Richtig ist lediglich, dass der
Vertrauensarzt des Theaters,
Herr Dr. GeorgZehden Herrn Lorre für schwer krank erklärt
hat und dessen weitere
Beschäftigungsmög
lichkeit mit Rücksicht auf
seinem Gesund-
heitszustand verneint hat.
Beweis: Herr Dr. Georg Zehden,
Berlin W., Pariserstrasse 1,
gez. Dr. Abelsdorff
Rechtsanwalt.