Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Abschrift


Berlin, den 6. Februar 1930


An das
Landgericht I,Berlin.


J./D.
In Sachen
Die Fackel“ ./. Volksbühne
– 38.0. 549.29 –


wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
28.I.30 folgendes erwidert:


I
Der Klagevortrag bezüglich der Än
derungen wird bestritten. Es sind weder
von Seiten der Beklagten noch ihres
Regisseurs Kenter Änderungen ohne Zu
stimmung des Klägers vorgenommen worden.
Die Beklagte hat den Regisseur Kenter
nicht veranlasst, gegen den Willen des
Klägers Streichungen oder Änderungen vorzu
nehmen, es lag auch für sie gar kein
Anlass vor. Alle Änderungen und Striche,
die gegenüber der Buchfassung vorgenommen
sind, sind im Einverständnis mit dem
Kläger erfolgt. Dass bei der nervösen
Atmosphäre der Premiere ein Schauspieler
es vielleicht unterlassen hat, ein Wort,
oder einen Satz zu sprechen, mag möglich
sein. Die Beklagte weiss jedoch nichts
davon; denn sie hat selbstverständlich


die Vorstellung nicht mit den Buche in
der Hand verfolgt. Es sind jedenfalls von
ihr, wie der Regisseur Kenter bekunden
wird, keine Striche oder Änderungen veran
lasst worden.


Wenn man im übrigen die einzelnen
Stellen ansieht, die der Kläger beanstandet,
so sieht man ohne weiteres, dass voraus
sichtlich einer oder der andere bei der
Premiere das Stichwort verpasst und in
der Aufregung es unterlassen hat, das
Wort zu sprechen.


Der Strich auf S. 151 besteht
darin, dass Wacker nicht gesagt haben soll
„Der Herr Präsident steht hinter Ihnen“
und Lobes drauf erwiderte: „Ganeff – –“.


Wenn auf S. 7 des Schriftsatzes vom
29.I.30, beanstandet wird, dass im vierten
Akt der Vorhang nach den Worten „Heilige
Nacht“ fiel, so waren nicht nur die Dar
steller davon überrascht. Es handelt
sich hierbei aber lediglich um ein Versehen.


Barkassy spricht auf Seite 157: „Also
meinetwegen Stille Nacht Heilige Nacht,“
und der Aktschluss kommt gleichfalls
auf das Stichwort Barkassys „Stille Nacht,
Heilige Nacht“, was nicht nur die Beklagte, sondern auch den Regisseur und alle
Beteiligten überrascht hat. Das Zeichen


zum Fallen des Vorhangs ist zu früh, d.h.
auf ein falsches Stichwort gegeben worden
es kann daher auch gar nicht die Rede
davon sein, dass die Beklagte hierdurch
den Vertrag verletzt habe. Da sind
Zwischenfälle, wie sie eben bei jeder
Premiere passieren können und tat
sächlich auch passieren.


Der Kläger übersieht, dass hier
nicht die Beklagte für sich das Recht
in Anspruch nimmt, Änderungen des Stückes
vorzunehmen, oder das Stück mit vom
Autor nicht genehmigten Änderungen zu
spielen, vielmehr zeigt ja die auf Seite
11 des gegnerischen Schriftsatzes auf
Wunsch des Klägers ausdrücklich veröffent
lichte Notiz, dass die Beklagte selbst
verständlich das Stück nur in der vom
Kläger genehmigten Fassung spielen wolle.
Der Kläger muss dartun, dass es sich um
eine gröbliche Vertragesverletzung handelt.
Die Vertragsverletzung muss also schwer
wiegend sein und auf grober Fahrlässigkeit
beruhen. Dass dies nicht der Fall ist,
ergeben selbst die von dem Kläger ausge
wählten, bezw. gezeigten Stellen, welches
die Ansicht des Klägers über die Auffüh
rung gewesen ist; er zeigte nach der


Premiere ausserordentlich begeistert
von der Aufführung und hat wiederholt auch
in Zeugengegenwart erklärt, dass die Auf
klärung seinen vollsten Beifall gefunden
habe.


Beweis: Herr Karlheinz Martin.


II
Die weiteren Ausführungen des Klägers befremden ausserordentlich. Eine
Verpflichtung, ein Stück in den Abend
spielplan aufzunehmen, besteht nicht.
Es besteht in Berliner Kreisen der ent
gegengesetzte Brauch dass Stücke, bei
denen die Premiere nicht als Abendvor
stellung stattfindet, nicht in den Abend
spielplan aufgenommen werden. Dass das
Stück nicht bei einer Abendvorstellung
zur Uraufführung gelangt, gibt man
bei der Annahme des Stückes zu erkennen,
dass die Aufführung des Stückes nur als
Experiment angesehen werde, oder dass es
sich um ein Stück handelt, das nicht
in die vom Theater sonst verfolgte künst
lerische Linie passt.


Es wird auf das Gutachten eines
gerichtlichen Sachverständigen dafür Bezug
genommen, bezw. auf eine Auskunft des
Verbandes Berliner Bühnenleiter Bezug


genommen, dass der vom Kläger behaup
tete Brauch in Berlin nicht besteht, dass
gerade der entgegengesetzte Brauch besteht.


Es wird ausdrücklich bestritten, dass
die Beklagte sich verpflichtet hat, das
Stück in den Abendspielplan aufzunehmen.
Eine solche Verpflichtung ist nicht über
nommen. Die Übernahme müsste auch nach
den Bestimmungen des Kartellvertrages
schriftlich fixiert worden sein. Es wider
spricht der wiederholten Rechtsprechung
des Bühnenschiedsgerichtes, gerade in
letzter Zeit sind mündliche Nebenreden
neben einem schriftlich geschlossenen
Aufführungsvertrage ungültig.


Die weiteren Ausführungen des Klägers
sind Punkt für Punkt unrichtig. Es ist
geradezu unverständlich, wie der Kläger be
haupten kann, dass die Unkosten für die Erst
vorstellung nur RM 500.– betragen haben.
Für die in der Klageerwiderung aufgestellte
Behauptung ist bereits Beweis angetreten.
Es wird geboten, den Rendanten Heidler
als Zeugen hierüber zu vernehmen.


Wie hoch tatsächlich die Unkosten eine
solchen Matinee bezw. Nachtvorstellung sind,
ergibt sich daraus, dass Herr Direktor Aufricht für die Nachtvorstellung von Herrn KarlKraus RM. 5000.– Unkosten gehabt hat, sodass


nur ein geringer Bruchteil der Unkosten
durch die Einnahmen gedeckt worden ist.


Beweis: Herr Direktor Ernst JosefAufricht.


Die Behauptung, die österreichische
Gesandtschaft habe auf die Beklagte ein
gewirkt, um weitere Vorstellungen des
Stückes zu verhindern, ist ebenso frei
erfunden wie die Behauptung, die Beklagte
habe auf den Schauspieler Lorre versucht
einzuwirken. Die anzuerkennende Gestaltungs
kraft des Klägers in künstlerischen
Dingen kann nicht dazu führen, dass hier
im Prozess willkürlich Behauptungen auf
gestellt werden, deren Unrichtigkeit dem
Kläger bekannt sein müssten.


gez. Dr. Abelsdorff
Rechtsanwalt.