Berliner TageblattDie Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Sehr geehrter Herr Doktor,


zu dem Prozess Kraus gegen Volksbühne wäre noch folgendes zu bemerken: da eine präzise Defini
tion des Wortes „Erfolg“ für den Richter nicht feststehen kann,
müsste er auf folgende Tatsache aufmerksam gemacht werden:


Am Sonntag, den 27. April, fand in der Volksbühne eine Matinee
statt „Rost“. Der Erfolg war stark, aber sowohl der Publikums
erfolg (Applaus) wie der Presseerfolg, noch lange nicht so stark
wie bei den „Unüberwindlichen“ Trotzdem wurde das Stück am 1. Mai
in den Spielplan aufgenommen, und am 29. April fand sich im
8 Uhr Abendblatt ein Inserat der Volksbühne, dass die Ueber
nahme in den Spielplan ankündigte, mit der Bemerkung: wegen des
grossen Erfolges. Diese Massnahme war durchaus berechtigt, da
der Erfolg durchaus ein starker war, aber eben lange nicht so
durchschlagend wie der der Unüberwindlichen.


Hiermit wäre also das Wort Erfolg, wie es die Volksbühne
versteht, festgesetzt. Dass sie die „Unüberwindlichen“, die von
durchaus neutralen und Herrn Kraus nicht wohlgesinnten Blättern
als die entscheidenste Tat und der wichtigste Erfolg des Win
ters festgestellt wurde, selbst zunächst als Erfolg zu betrachten
gewillt war, beweist ja das Plakat, das auf die zunächst an
gesetzte Wiederholung mit der Bemerkung „wegen des grossen Er
folges“ hinwies.


Im übrigen hat Herr Martin Frau Lvovsky gegenüber geäussert
– und das hat Frau Lvovsky bei Ihrer Vernehmung zu sagen vergessen
–: „Wenn ich Herrn Kraus zusichere, das Werk bei einem Erfolg in
den Abendspielplan zu nehmen, wird er es mir wohl geben.“ Da
mit wäre also auch die Absicht bekundet, bei einem Erfolg, der
ja ausser Frage steht, das Stück abends zu spielen.


Indem ich hoffe, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, Ihnen
mit diesen Ausführungen gedient zu haben, begrüsse ich Sie


hochachtungsvoll


PS. Anbei ein Inserat aus dem Tageblatt vom
1. Mai: Wegen des ausserordentlichen Erfolges
der Studio-Aufführung, täglich 8 1/4 ROST …“