Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Dr. Botho Laserstein
Rechtsanwalt.


Berlin, den 10. Oktober 1930.


An das
Landgericht I
Berlin


In Sachen
Kraus gegen Volksbühne


wird noch kurz zur Beweisaufnahme wie folgt
Stellung genommen:


1.) der Vertrag (zunächst als Matinee)
spricht allein dafür, dass noch Abendvor
stellungen vereinbart waren. Er bedarf
also keiner Auslegung.


2.) die Aussagen der Zeugen Fischer und
Lvovsky bestätigen auch, dass dies der
Wille der Parteien war.


3.) Auch der Zeuge Martin musste zugeben,
dass die Uebernahme in den Abendspiel
plan seine Absicht war. Unwahr ist, dass
sie mangels Erfolges unterblieben ist. Es
ist unter Beweis gestellt, dass nur das
Eingreifen der österreichischen Gesandschaft
dies veranlasst hat. Auch das ist ein
Beweis für die ursprüngliche Vereinbarung.
Den grossen Erfolg beweisen übrigens die


überreichten Pressekritiken. Nichts dagegen beweist die
Tatsache, dass angeblich die erste Vorstellung nicht
alle Ausgaben deckte. Eine Vorstellung kann einen teuren
Fundus niemals aufbringen. Gerade die grossen Aufwendungen
der Volksbühne beweisen aber, dass das Stück weiter im
Abendspielplan aufgeführt werden sollte.


4.) Nicht durchgreifen kann, was Martin über
seine Vollmacht sagt. Martin war, wie er zugibt, schon
zur Zeit der mündlichen Verhandlungen als Direktor in
Aussicht genommen. Ein so wichtiger künstlerischer Po
sten bedarf der Vorbereitung; schon monatlang vorher
muss im Theater das Programm vorbereitet werden. Was
dabei abgemacht ist, ist selbstvorständlich Vertrags
bestandteil, wenn nachher der Vertrag geschlossen wird,
zumal die umstrittene Frage später auch im schriftlichen
Vertrag Ihren Ausdruck gefunden hat.


5.) Im übrigen ist Martin’s Aussage aber mit Vorsicht zu
werten. Sie ist unwahr bezüglich des Erfolges und des
Eingreifen der österreichischen Gesandschaft. Dies ist
unter Beweis gestellt. Damit werden aber, die durch den
Wortlaut des Vertrages gedeckten Aussagen der Zeugen
Fischer u. Lvovsky entscheidend. Im übrigen kann Martin
trotz seiner hervorragenden Stellung ebenso wenig wissen,
was geheim zwischen der Gesandschaft und Direktor
Neft abgemacht ist, wie ein Präsidialrat des Landgerichts
von sich sagen kann, er müsste wissen, ob der Herr


Präsident mit dem Herrn Justizminister über die Justizreform
gesprochen hat. Man kann daraus ermessen, was von der
Aussage des Angestellten der Beklagten Martin zu halten
ist, er müsse über die geheimsten Vorgänge unterrichtet
sein. Die übrigens dann ein so bedeutendes allwissendes
Präsidialmitglied der Volksbühne seine Abmachungen
mit Fischer als Vertreter des Klägers für unverbindlich er
klären kann, ist unverständlich und nur aus Martin’s
Interesse am Ausgang des Rechtsstreits und Furcht vor
den Folgen zu erklären.


gez. Dr. Laserstein
Rechtsanwalt.