Die letzten Tage der Menschheit


Ihr Schreiben vom 12. ds. beantworte ich
erst heute, etwa weil Herr Kraus von einer Auslandsreise erst vor
wenigen Tagen zurückgekommen ist und ich mit ihm wegen der
meiner Information gerade entgegengesetzten Behauptung Ihres
Briefes noch einmal sprechen musste. Ich habe auch den Zeugen
der Unterredung Ihres Herrn Droener mit Herrn Kraus, Herrn
Direktor Heinrich Fischer über die beiden Gespräche befragt
und auch er bestätigte mir vollinhaltlich die mir erteilte
Information.


Es bleibt also dabei, dass der Sachver
halt, wie ich ihn in meinem Brief vom 5. Februar mitgeteilt
habe, richtig ist. Die zweite Unterredung war gerade zu dem
Zweck bestimmt worden, damit Herr Droener unterdessen mit
seinen Sozien sprechen könne und bei dieser zweiten Unterredung
brachte Herr Droener die endgiltige zustimmende Antwort, das
Resultat, das eben Herr Kraus für diesen Tag verlangt hatte.
Herrn Droener muss sein Gedächtnis im Stiche gelassen haben,
wenn er behauptet, dass beide Unterredungen dem Wunsche ge
widmet waren, Vorverhandlungen zu führen, um erst späterhin
die Entscheidung der Sozien einzuholen. Die zweite Unter
redung hätte auch gar keinen Sinn gehabt, wenn sie nicht die
endgiltige Entscheidung zu bringen gehabt hätte. Keinesfalls
lag es in der Absicht des Herrn Kraus, die vorjährige
Situation, die gleichfalls aus zwei Gesprächen bestanden
hatte, zu wiederholen und weiterzuschleppen. Der klare Unter
schied gegen damals besteht eben darin, dass das, was Herr
Droener jetzt anführt: Er hätte sich in der zweiten Unterredung
auf eine noch nötige Rücksprache mit den Sozien berufen, für
das zweite Gespräch vom Dezember 1928 zutrifft, keineswegs aber
für das jetzige zweite Gespräch, in welches Herr Droener mit
dem fertigen Resultat der „Rücksprache mit den Sozien“ eintrat.
Dieses Resultat, zustimmend oder ablehnend, war eben in der
ersten jetzigen Unterredung ausdrücklich verlangt, aus
drücklich zugesagt worden und wurde mit unüberbietbarer Deut
lichkeit Herrn Karl Kraus in Gegenwart des Herrn Direktor
Heinrich Fischer überbracht. Herr Droener begann mit den Worten:
„Also ich habe mir meine Sozien zusammengerufen, habe ihnen
noch einmal das Exemplar vorgelegt, habe darauf hingewiesen,
dass ich Herrn Kraus jetzt die Entscheidung bringen müsse, habe
hervorgehoben, es handle sich ‚um das bedeutendste Werk der
letzten 50 Jahre, vielleicht der letzten 100 Jahre, das brauche
ich nicht zu erörtern, das steht fest, aber, was für uns ausser
dem wesentlich ist, ich halte die Publikation auch für einen
ausgesprochenen geschäftlichen Erfolg‘ und habe nunmehr meine
Sozien um die Entscheidung gefragt. Die Entscheidung lautet:
Wir sind nicht in der Lage, dieses Werk in unsere Standard
Bibliothek zu übernehmen, weil wir die Kontinuation haben und
weil unsere Sortimenter, die verpflichtet sind, unsere
Standardbücher abzunehmen, wegen des exponierten Charakter
dieser Publikation hinterdrein rebellisch werden könnten,
aber wir sind entschlossen, das Werk in den Knaur Verlag
zu übernehmen. Dies hat den Nachteil der fehlenden Kontinua
tion, aber wir drucken trotzdem 100.000 Exemplare, die wir
sofort genau wie bei der Standard-Bibliothek mit 10 Pfennig
per Exemplar, d.i. 10.000 Mark honorieren.“ Auf die Frage
des Herrn Kraus, welche Bücher im Knaur Verlag sonst er
scheinen, erwiderte Herr Droener: „Klassiker.“ Er setzte
fort: „Ausserdem übermittle ich Ihnen einen zweiten Antrag.
Bei dem Gespräch mit meinen Sozien war der Leiter der
Gutenberggilde anwesend, der sich für das Buch ausserordent
lich interessiert. Auf meine Frage, ob er es kenne bejahte
er und bat mich, Ihnen den Antrag zu übermitteln, er wolle
30.000 Exemplare des Werkes übernehmen, die per Exemplar
mit 30 Pfennig honoriert werden. Wir bleiben bei der Be
dingung, dass ein erklärender Index unserer Auflage beizu
schliessen ist. (auf das Honorar für den Verfasser des
Index 800 bis 1.000 Mark soll es uns nicht ankommen), die
Gutenberggilde stellt im Gegenteil geradezu die Bedingung,
dass ihrer Auflage kein Index beigeschlossen wird, weil sie
Wert darauf lege, das Werk in der vorhandenen Gestalt zu
drucken.“


Die Darstellung des Herrn Droener in
diesem Punkte, wonach er später bei der Gutenberggilde an
gefragt und einen ablehnenden Bescheid erhalten hätte, ergäbe
nur dann eine logische Möglichkeit, wenn bei der Besprechung
nur die Verbindung mit der Gutenberggilde angeregt worden
wäre, sei es von Herrn Droener oder gar von Herrn Kraus, der aber
bis dahin von der Existenz dieser Vereinigung keine Kenntnis
hatte. Im Gegenteile hatte er sich nach dem Gespräch infor
miert und erfahren, dass die Vereinigung eine solche sei,
die den Gebrauch des auch hier gewahrten Rücktrittsrechtes
nicht notwendig gemacht hätte. Einen „ablehnenden Bescheid“
konnte Herr Droener von der Gutenberggilde nicht erhalten
haben, da eine solche nur auf eine Bewerbung durch Herrn
Kraus hätte erfolgen können, während im Gegenteile Herr
Droener den Antrag der Gutenberggilde überbracht hatte.


Ich zweifle loyalerweise nicht, dass
Herr Droener nunmehr sich an den Sachverhalt genau er
innern und zugeben wird, den Brief vom 12.2. in einer Ge
dächtnisstörung geschrieben zu haben, und dass nunmehr kein
Hindernis besteht, dass Sie die beiden Verträge, deren Ein
sendung unmittelbar nach Rückkehr des Herrn Droener aus
München fest zugesagt war, an meine Adresse gelangen lassen.
Sollte das binnen 8 Tagen nicht der Fall sein, so bin ich
beauftragt, den Gerichtsweg zu beschreiten.


Hochachtungsvoll


Rekommandiert


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