Die letzten Tage der Menschheit


Wer sich aus dem Schriftsatz der Beklagten ein Bild von ihrem Verkehr
mit dem Kläger zu machen hätte, müßte sich vorstellen, daß dieser als der
Autor des Werkes „Die letzten Tage der Menschheit“ die Idee und den
Wunsch gehabt hätte, es im Verlage Knaur unterzubringen, an diesen heran
getreten sei und nichts als ein flüchtiges Interesse erreicht hätte, ohne
das Glück zu haben, den Vetreter der Firma Knaur, Herrn Drömer, für die
Sache erwärmen zu können. Das diametrale Gegenteil ist die Wahrheit,
sämtliche Vorbringungen der Beklagten sind unwahr.


1.) Daß in Wien „flüchtige Unterhandlungen“ stattfanden, daß die
se Unterhandlungen „nur ganz kurz und oberflächlich“ waren und „keine
weiteren geschäftlichen Besprechungen zur Folge hatten“ – diese Behaup
tung ist geradezu das Schulbeispiel von Verkehrung oder Entstellung
eines Sachverhalts. Wenn die Wiener Unterhandlungen keine „weitern“ ge
schäftlichen Besprechungen „zur Folge“ hatten, so ist das höchstens aus
dem Grunde richtig, weil diese Unterhandlungen bereits sämtliche ge
schäftlichen Besprechungen enthielten, weil sie mit eben diesen einfach
identisch waren. Bis auf das letzte Detail war bereits damals alles be
sprochen und abgemacht worden, bereits damals war moralisch ein Vertrag
zustandegekommen, der freilich juristisch nicht reklamiert werden konnte,
weil Herr Drömer sich im letzten Moment auf die „Formalität“ einer Mit
teilung an seinen Sozius und dessen Einverständnisses zurückgezogen hatte.
Die Sache in Wien hat sich folgendermaßen abgespielt. Der Wiener Buch
händler R. Lányi, der mit Herrn Kraus als Veranstalter von dessen Vorträ
gen in Verbindung ist, hatte ihm wiederholt mitgeteilt, daß es der sehn
lichste Wunsch eines Herrn Drömer, Inhabers der Firma Knaur sei, für
deren „Standard“-Bibliothek das Werk „Die letzten Tage der Menschheit
zu gewinnen. Die Möglichkeit, ja Gewißheit einer ungeheuren Auflage ließ
den Autor ein solches Angebot in dem besondern Fall dieses Buches, dessen Verbrei
tung eine wichtig pazifistische Angelegenheit wäre, verlockend erschei
nen und bewog den Autor ihn , dem Vorschlag näherzutreten, daß dieses Werk
ausnahmsweise außerhalb des eigenen Verlages erscheine. Hr. Drömer wurde
benachrichtigt und telegraphierte hocherfreut, daß er am goldenen Sonn
tag 1928 zu einer Besprechung in Wien eintreffen werde. Diese Besprechung
fand in Gegenwart des Herrn Lányi statt und brachte ein in allen Details
ausgearbeitetes Angebot. Sämtliche Punkte bis auf die Ausstattung, Druck
legung, Versendung, Ankündigung, Herstellung eines Registers wurden be
sprochen, der Autor dieses Registers namhaft gemacht etc. etc.; die
„flüchtige“ Besprechung dauerte über 2 Stunden; Hr. Drömer bot das Hono
rar 10000 Mark für 100.000 Exemplare sofort zahlbar, stellte eine Auf
lage von 400.000 Exemplaren in Aussicht, erklärte, daß er die vorhandenen
Matrizen nicht verwenden, sondern den Satz neu herstellen lassen wolle,
fixierte sogar das Honorar für den Autor des Registers, dessen Adresse
er sich notierte (Herr v. Radecki in Berlin) wollte mit diesem sofort
in Berlin eine Besprechung haben etc. etc. Das Resultat war, daß Herr
Karl Kraus seine endgültige Antwort in Berlin, wo er nach fünf Tagen
ohnedies eintreffen würde, Herrn Drömer zukommen lassen und eventuell
den Vertrag unterschreiben wollte. Wenn der Kläger sofort oder am Schluß
der Unterredung ja gesagt hätte, hätte Herr Drömer den Vertrag unter
schrieben. Am nächsten Morgen ließ er Herrn Drömer durch Herrn Lányi
sagen, er habe nach Rücksprache mit einem buchhändlerischen Fachmann
sich entschlossen, den Vertrag sogleich, also noch in Wien zu unter
zeichnen. Herr Drömer kam deshalb an demselben Tage zu einer Zusammen
kunft, schien hochbeglückt, sprach wieder zwei Stunden über alle De
tails. Am Schluß erklärte er, es bestehe ein rein formaler Grund dafür,
daß der Vertrag erst in Berlin unterschrieben werden könnte, denn er
habe sich die Sache durch den Kopf gehen lassen, da es nämlich ein
„exponiertes“ Buch sei, brauche er die formale Einwilligung des Sozius,
damit dieser ihm nicht irgendeinmal, wenn Angriffe auf den Verlag wegen
dieses Werkes erfolgen sollten, Vorwürfe machen könnte. Er habe den
Sozius sofort nach der Mitteilung des Herrn Lányi telephonisch zu er
reichen versucht, dieser sei aber nicht mehr im Bureau gewesen. Er gebe
ja zu, daß diese Verzögerung auffallend sei, aber Herr Kraus möge nicht
erstaunt sein, daß er, der doch glücklich über die Einwilligung sei, nun
nicht sofort unterschreibe, Herr Lányi wisse am besten wie ernst es ihm
mit der Sache sei, er habe sogar Herrn Lányi ein Vermittler-Honorar zu
gesagt, das dieser freilich verschmähe, er habe sich ja an Herrn Kraus
gewandt und nicht umgekehrt, und wenn er nun nicht sofort unterschreibe,
so sei der Grund eine bloße Formalität, er sei natürlich seiner Sache
beim Sozius ganz sicher, er könne ohneweiters bestimmen, aber es sei
eben eine Formalität, um allen Weiterungen vorzubeugen. Genau so haben
sich die „flüchtigen“, „ganz kurzen und überflächlichen Unterhandlungen“
abgespielt. Herr Kraus äußerte danach zu Herrn Lányi, er habe den Ver
dacht, daß Herr Drömer von der Sache abgekommen sei, weil ihn vielleicht
irgendein Wiener Faktor abwendig gemacht haben könnte. Herr Lányi
drückte diesen Verdacht, den er teilte, am nächsten Tag Herrn Drömer
gegenüber aus, Herr Drömer bestritt dergleichen hartnäckig, erklärte, es
sei ein rein formaler Aufschub, er schicke den Vertrag. Statt des Ver
trags kam ein Brief an Herrn Lányi, mit der grotesken Bitte, Herrn K.
„schonend mitzuteilen“, daß er nicht in der Lage sei, das Buch in seinen
Verlag aufzunehmen, und zwar mit der grotesken Begründung von Meinungs
verschiedenheiten über einen andern Autor des Verlags. Es handelte sich
darum, daß Herr Kraus den Umstand, daß in der Standard-Serie auch der
Autor Ganghofer erschienen sei, als Entwertung dieser Bibliothek bezeich
nete, eine Ansicht, der Herr Drömer mit der Versicherung, daß dies eine
rein geschäftliche Notwendigkeit gewesen sei, mit den stärksten Worten
beipflichtete. Die Ausflucht war also klar. Jeder Leser des Briefs, der
den Sachverhalt nicht kannte, mußte ihm aber entnehmen, daß der Autor
der „Letzten Tage der Menschheit“ an den Verlag herangetreten sei und
dieser abgelehnt habe. Herr Drömer fühlte wohl, daß er Herrn Karl Kraus
belästigt hatte und daß er ihm gegenüber wenigstens in der zweiten Unter
redung unaufrichtig gewesen war: er hatte die sonderbare Idee, durch
seinen Wiener Vertreter mit Vermittlung des Herrn Lányi Herrn Karl Kraus
zur Entschädigung für den Zeitverlust 600 Schilling für wohltätige
Zwecke anbieten zu lassen. Dieses Angebot wurde natürlich abgelehnt.
Juristische Schritte aber konnten damals nicht unternommen werden, da
Herr Drömer trotz aller moralischen Bindung doch eben den Vertragsab
schluß von einer Handlung abhängig gemacht hatte, wenngleich er diese
als bloße Formalität bezeichnete.


Ein Jahr später trat Herr Lányi an Herrn Karl Kraus mit dem
Vorschlag heran, in seinem eigenen Verlag die „Letzten Tage der Menschheit“ herauszubringen. Der Autor meinte, daß dem Verlag Lányi dazu doch
die geschäftlichen Voraussetzungen fehlen. Herr Lányi antwortete, daß er,
da der Knaur-Verlag doch offenbar die Herausgabe des Werkes für eine
ungeheure verlegerische Chance hielt und sich nur aus politischen Grün
den oder Preßfurcht nicht heranwagte, Herrn Drömer ersuchen werde, ihm
bei der Herausgabe geschäftlich an die Hand zu gehen, eventuell in der
Form, daß Herr Drömer an dem Ertrag partizipieren würde, wenn er dem
Verlag Lányi seinen Apparat zur Verfügung stelle, während offiziell
Herr Lányi der Verleger sei. Herr Drömer antwortete nunmehr Herrn Lányi,
daß er selbst der Verleger sein wolle, man möge ihm nur noch etwas Zeit
lassen. Das Telegramm, das die Beklagte im Schriftsatz mitteilt, ist
ein späteres Stadium. Es hatte sich nämlich inzwischen ein großer Ver
lag, der sich längst für die Herausgabe interessiert hatte, mit einem
Angebot gemeldet, das berücksichtigenswerter schien als der Plan des
Verlags Lányi, wenngleich nicht so aussichtsvoll wie die Möglichkeit,
daß nunmehr doch der Verlag Knaur sich entschließen könnte, seine längst
gehegte Absicht auszuführen. Darum wurde von Herrn Lányi, der immer be
reit war, persönlich zurückzutreten und nur zu vermitteln, das Telegramm
an Herrn Drömer abgesandt. Herr Drömer hatte einen Aufschub gewünscht,
der andere Verlag aber wollte eine Entscheidung. Herr Lányi teilte Herrn
Karl Kraus mit, daß Herr Drömer nunmehr nur noch eine kurze Frist er-
bitte. Herr Lányi sprach davon, daß Herr Drömer telegraphiert habe
telephoniert habe, er wolle mit Herrn K. sprechen, von dem er gehört
habe, daß er demnächst nach Berlin komme. ( Zeuge Beweis : Herr Richard Lanyi als Zeuge).


Es wurde ihm geantwortet, daß die Entscheidung ehestens erfolgen müßte,
Herr Kraus treffe in den nächsten Tagen zu Proben in Berlin ein und
Herr Drömer möge ihm dann einfach sagen, ob der Knaur-Verlag nunmehr
wolle oder nicht. Herr K. traf in Berlin ein, Herr Drömer wurde von
Direktor Fischer benachrichtigt und es wurde telephonisch eine Zusammen
kunft für den nächsten Tag vereinbart. Es wurde Herrn Drömer in dieser
gesagt, daß es sich, da ja alles längst in Wien seinerzeit besprochen
sei, um nichts handle als um ein Ja oder Nein, ohne nähere Begründung;
ein großer Verlag warte auf Antwort, Herr Drömer möge sich sofort er
klären. Herr Drömer bat, die Entscheidung morgen mitteilen zu dürfen,
er werde nunmehr von seinem Sozius oder seinen Sozien die endgültige,
bindende Entscheidung verlangen. Was die Beklagte unter 2) als Inhalt
der Unterredung angibt, ist unwahr. Mit keinem Wort hat damals Herr
Drömer gesagt, daß er mit den Sozien „nicht ins Einvernehmen wegen des
Werkes käme“, daß diese „sehr viele Bedenken hätten“, und daß „auch er
nicht recht wüßte, ob es für seinen Verlag annehmbar sei“. Vielmehr
hat Herr Drömer bloß – in Gegenwart des Zeugen Fischer – erklärt, daß
sich jetzt die Verbreitungsaussichten ein wenig geändert hätten, daß
er aber am nächsten Tag definitiv sagen werde, ob das Werk gebracht
wird oder nicht.


3.) Was die Beklagte als Inhalt dieser nächsten und letzten Unterre
dung, die tatsächlich am nächsten Tag stattfand, angibt, ist vom ersten
bis zum letzten Wort unwahr. Die Darstellung des Herrn Drömer muß den
Eindruck erwecken, daß er einen Bittsteller vor sich hatte, der immer
wieder einen vergeblichen Schritt machte, dem schließlich gesagt wurde,
„es sei ausgeschlossen“, dem aber aus Mitleid dann doch zugesagt wurde,
daß man noch einmal „einen Versuch machen“ wolle. Die Beklagte behaup
tet, Herr Drömer habe in dieser Unterredung den Plan für eine „neue
Form“, „in einer Sonderausgabe des Verlags“ geäußert, für die er doch
erst „die Einwilligung des Herrn Klägers“ brauchte, um danach die „defi
nitive Zustimmung seiner Sozien“ einzuholen. Durchaus schlüssig, wenn es
wahr wäre. Hr. Drömer ha tt b e aber bei den Sozien gar nichts mehr „einzu
holen“, sondern in diese Unterredung die Zustimmung oder Ablehnung der
Sozien zu bringen. Er hatte nur noch die Zustimmung des Klägers einzu
holen zu dem was er als fertige Sache von den Sozien brachte. Es war ihm
gar kein Zweifel darüber gelassen worden, daß es die letzte Unterredung
vor dem Entschluß für diesen oder jenen Verlag sei. Von einer Sonderaus
gabe war gar keine Rede. Vielmehr verlief die Unterredung so: Hr. Drömer
begann sehr feierlich, wie er den Sozien die Bedeutung der „Letzten Tageder Menschheit“ auseinandergesetzt habe. Da Herr K. unterbrach und be
merkte, Hr. Drömer möge einfach sagen, ob die Sozien einverstanden seien,
setzte er fort: Wir sind nach reiflichster Überlegung zu dem folgenden
Entschlusse gelangt: In die Standard-Bibliothek können wir leider das
Werk nicht aufnehmen, weil diese auf der sogenannten „Kontinuation“ be
ruht, d.h. die Sortimenter müssen die Bücher festabnehmen. Da es sich
aber um ein Werk handelt, das eventuell die Unzufriedenheit deutschna
tionaler Sortimenter erregen könnte, so können wir es in dieser Serie
nicht herausbringen. Dagegen machen wir Ihnen den Antrag: Wir bringen das
Werk im normalen, eigentlichen Knaur-Verlag heraus, allerdings ist da
die Chance der Vertreibung – eben wegen der fehlenden Kontinuation –
nicht so groß, trotzdem aber wollen wir 100.000 Exemplare drucken und
sofort mit 10.000 Mark, wie bei der Standard-Ausgabe, honorieren. Tat
sächlich kam also Hr. Drömer mit einem Vorschlag, der von dem seinerzeit
gemachten abwich, wenngleich nicht mit dem Vorschlag für eine Sonderaus
gabe, sondern für den Knaur-Verlag selbst. Für diesen Vorschlag hatte er
aber nicht erst die Zustimmung der Sozien einzuholen, sondern er war
mit dem Vorschlag der Sozien gekommen. Der Autor wäre natürlich bereit ge
wesen, den Vertag sofort schriftlich abzuschließen, wenn Hr. Drömer eine
Auflage wie vor einem Jahre, also die mit den Möglichkeiten der Standard-
Ausgabe, in Aussicht gestellt hätte. Die Beschränkung auf 100.000 höchstens
machte es – sowohl wegen der Verbreitung wie wegen des Autorhonorars – not
wendig, in einer Besprechung mit einem buchhändlerischen Fachmann diese
Chance mit derjenigen, die der andere verlangt Verlag inzwischen gewährt hatte, zu
vergleichen. Hr. Drömer sollte sofort Antwort bekommen, wenn er den schrift
lich niedergelegten Vertrag eingesandt habe. Dieser wurde als von ihm aus
abgeschlossen erklärt, kein Wort ist gefallen, das nur so gedeutet werden
konnte, daß Hr. Drömer nunmehr erst die Zustimmung der Sozien für diesen
seinen Vorschlag einholen müsse. Im Gegenteil war es ein Definitivum, das
Herr Drömer im Einverständnis mit den Sozien brachte und das von ihm als für
den Verlag Knaur bindend erklärt wurde. Mehr als das: Hr. Drömer brachte
auch das Angebot der Gutenberg-Gilde. Es ist unwahr, daß davon gesprochen
wurde, diese „zu veranlassen“, „sich mit 30.000 Exemplaren zu beteiligen
und hiefür 30 Pfennig pro Exemplar zu zahlen“. Wie wäre der Kläger, wie
wäre auch Hr. Drömer auf diese Ziffer gekommen? Vielmehr eröffnete Dr. Drömer das Folgende: „Während ich mit meinen Sozien sprach und wir den Ent
schluß faßten, Ihnen das Erscheinen im normalen Knaur-Verlag unter den
mitgeteilten Bedingungen anzubieten, trat der Leiter des Gutenberg-Verlags
ein, der sich ganz außerordentlich für das Werk interessiert und sich so
fort bereit erklärte, 30.000 Exemplare abzunehmen und zwar zu 30 Pfennig
pro Exemplar. Ich habe es übernommen, Sie zu fragen, ob Sie darauf eingehen
würden.“. Der Kläger antwortete, daß er sich in einem erkundigen wolle,
was das eigentlich für ein Verlag sei. Wie bindend seitens des Herrn Drömer
auch dieser Antrag war, geht aus der folgenden Bemerkung hervor: Auf die
Frage, ob der Druck der Gutenberg-Gilde auch das Register enthalten solle,
sagte Hr. Drömer: Die Gutenberg-Gilde stellt wegen des Registers die gegen
teilige Bedingung: Nämlich daß es nicht erscheine; sie will das Register
nicht, sie will das Werk herausbringen „wie es ist“. Ob Herr Drömer be
rechtigt war, diesen festen und gleichfalls so detaillierten Antrag des
Gutenberg-Verlags zu überbringen, entspricht naturgemäß der Kenntnis des
Klägers entzieht sich naturgemäß der Kenntnis des Klägers. Der Schluß der
Unterredung hat sich nicht so abgespielt, wie es der Beklagte darstellt;
daß der Kläger gesagt habe: er wolle sehen, „wie wir mit einander einig
werden können“, sondern so, daß gesagt wird: Sie schicken also unmittelbar
nach Ihrer Rückkehr den von ihnen abgeschlossenen Vertrag. Ich werde
Ihnen dann sofort mitteilen, ob ich ihrem Verlag oder dem andern Verlag
den Vorzug gebe. Beweismittel: Herr Direktor Heinrich Fischer als Zeuge.


4.) Daß „viele Punkte nicht besprochen wurden“, ist unwahr. Sowohl
„was mit den vorhandenen Exemplaren geschehen solle“, wie, „in welchem Ein
band, Druck, in welcher Ausstattung das Werk zu erscheinen habe
u.dgl. mehr aus, war seinerzeit schon in Wien bis ins letzte Detail be
sprochen worden – z.B. daß auf die Kopfvignette verzichtet werde, daß die
vorhandenen Exemplare im Verlag der Fackel verbleiben können – es wurde
aber auch diesmal darüber gesprochen und es hat sich nicht die geringste
Meinungsverschiedenheit ergeben. Es wurde sogar ganz genau, mit Hinweisen
auf Stellen, die für reichsdeutsche Leser der Erklärung bedürfen, vom Re
gister gesprochen, von dessen Verfasser Hr. v. Radecki und von der Höhe des
an diesen zu zahlenden Honorars (Hr. Drömer sagte: daß es ihm „darauf nicht
ankomme“).


5.) (Dazu müßte Dr. S. Stellung nehmen.)


Hr. Drömer ist seinerzeit Dezember 1928, an Herrn Karl Kraus herangetreten,
hat ihm einen in allen Details ausgearbeiteten Antrag – unter vergleichender
Vorweisung seiner Verlagsdrucke und des vorhandenen Drucks der „LetztenTage der Menschheit“ – unterbreitet und im letzten Moment sich unter Ver
schweigung des wahren Abhaltungsgrundes auf eine noch zu erfüllende
Formalität zurückgezogen. Infolgedessen konnte damals die Firma Knaur
nicht belangt werden und der Kläger hatte bloß einen Zeitverlust zu be
klagen, für den ihm freilich das Anbot einer Spende zu wohltätigem Zweck
als keine entsprechende Gutmachung erschien. Als ein Jahr später Hr.
Drömer abermals das Verlangen bekundete, das Verlagswerk herauszubringen,
begann er die Berliner Unterredung mit dem verlegenen Geständnis, er sei
damals tatsächlich von einer Wiener Seite aufgehetzt, d.h. es sei ihm die
Hölle heiß gemacht worden, nunmehr aber stünde die Sache anders. Diese
Unterredung schloß damit, daß Hr. Drömer am nächsten Tag die definitive
Entscheidung bringen werde. Die zweite Unterredung hat diese gebracht.


Die Beklagte spricht von „inneren Gründen“, die dagegen sprechen,
daß Herr Drömer den Vertrag mündlich abgeschlossen habe. Wenn wir uns
auf dieses Gebiet begeben wollen, so sprechen viel mehr „innere Gründe“
dafür, vor allem doch der, daß Herrn Karl Kraus in jener letzten Unterre
dung wohl die Geduld gerissen wäre, wenn Herr Drömer ihm wieder einmal
damit gekommen wäre, daß er erst die Sozien befragen müsse, von denen er
doch eben gekommen war. Dieses Gesellschafterspiel, das Herr Drömer immer
wieder aufgeführt hatte und bei dem im Laufe der Zeit aus einem Sozius
„die Sozien“ geworden waren, wäre doch wohl in dieser letzten Unterredung,
der ja tatsächlich keine weitere mehr folgte und die eben als die ent
scheidende klargestellt war, nicht mehr möglich gewesen. Der innerste
Grund ist aber die simple Logik der Tatsachen. Wenn es wahr wäre, daß
Herr Drömer in dieser letzten Unterredung erklärt hat, „erst die definiti
ve Zustimmung seiner Sozien einholen“ zu müssen, so bliebe die Frage
offen, was denn hierauf geschehen sei, und warum denn Herr Drömer nicht
die Ablehnung der Sozien dem Kläger mitgeteilt hat. Die primitivste ge
sellschaftliche Höflichkeit hätte doch erfordert, daß Herr Drömer, der
für die geraubte Zeit der ersten Unterredungen Schadenersatz leisten
wollte, nach der zweiten Serie wenigstens seine Zusage erfülle, das
„schriftliche Offert“, auf das er den Vertrag reduziert, dessen Einsen
dung versprochen zu haben, er aber doch selbst zugibt, tatsächlich zu
senden. Herr Drömer hat aber gar nichts gesandt, weil er wohl wußte, daß
was er zu senden hatte, der seinerseits abgeschlossene Vertrag war und
weil er sich eben unmittelbar nach der Unterredung, wohl wieder infolge
eines Einflusses, die Sache überlegt hatte. Wenn diese für ihn ganz so
unverbindlich war, wie er es darstellt, warum hat er sein „Offert“ nicht
eingesandt, nach dessen Beantwortung er ja angeblich noch immer freie
Hand hatte? Weil er eben ganz gut gewußt hat, daß er einen Vertrag ge
schlossen hat. Darum zog er es vor, von sich überhaupt nichts mehr hören
zu lassen. Es klafft doch die Lücke: Warum Herr Drömer den einzigen Ver
trag, den geschlossen zu haben er zugibt: den über die Einsendung eines
für ihn unverbindlichen Offerts, warum er nicht einmal den1 erfüllt hat.
Die Wahrheit ist eben, daß nach geschlossenem Vertrag wieder Intriguen
eingesetzt haben und daß er gehofft hat, auch diesmal juristisch so un
behelligt zu bleiben wie in Wien, wo er doch tatsächlich formell den
Vertrag nicht geschlossen hatte. Nicht zuletzt wird aber die Unwahrhaftig
keit der Darstellung durch den folgenden Umstand anschaulich: Hr. Drömer
soll in jener letzten Unterredung, in der er wieder einmal auf die Sozien
verwiesen haben will, ein ganz detailliertes Projekt (in puncto Er
scheinungsweise, Auflage und Honorar) vorgelegt und zugleich erklärt
haben, er wolle „den Versuch machen“ die Sozien dafür „zu interessieren“.
Warum denn? Die Idee war ihm doch nicht erst auf dem Weg von den Sozien
zum Rendezvous mit dem Kläger gekommen? Was hatte er denn eben vor
her mit diesen besprochen, wenn nicht eben das Projekt? Warum hatte er
nicht gleich derenZustimmung oder Ablehnung mitgebracht? Gewiß brauchte er
die „Einwilligung des Klägers“ zu der angeblich völlig neuen Form – die
sich ja dieser auch vorbehalten wollte –, aber die der Sozien konnte und
mußte er doch schon haben. Um glaubhaft zu machen, daß er keinen Vertrag
abgeschlossen habe, müßte er dessen ganzen Inhalt in Abrede stellen,
dürfte er nicht alle Details zugeben und dazu behaupten, er habe darüber
erst die Sozien sprechen wollen befragen wollen. Hätte Herr Drömer solches
dem Kläger in jener letzten Unterredung gesagt, so hätte dieser ihr sofort
ein Ende gemacht, da er zu ihr nicht gekommen war, um das Spiel fortzusetzen,
sondern um die Entscheidung zu erhalten. Genau so unzweideutig wie dem Ver
treter der Firma Knaur das gesagt worden ist war, ist die Entscheidung tat
sächlich erfolgt. Was Herr Drömer in die zweite Unterredung brachte Ber
liner Unterredung brachte, war ein Resultat der Rücksprache mit den Sozien.
In Wien hatte er das Glück, daß er sich im letzten Moment berufen konnte,
es sei noch eine „Formalität“ zu erfüllen; das hätte der Kläger nie in Ab
rede stellen können und dafür war auch ein Zeuge vorhanden: Herr Lányi.
In Berlin war eben diese Formalität, die Zustimmung der Sozien, zwischen
der ersten und der zweiten Unterredung erfolgt; dafür ist gleichfalls ein
Zeuge vorhanden: Direktor Fischer. Die Behauptung, daß in dieser zweiten
Unterredung erst wieder auf die Formalität verwiesen wurde, ist das voll
kommenste Gegenteil der Wahrheit.


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