Dr.S./Fa. 3. September 1930.
G.Z. 1 Cg 110/30
An das
HandelsgerichtWien.
Klagende Partei: Karl Kraus, Schriftsteller in WienIII., Hintere
Zollamtsstrasse Nr. 3.
durch:
Beklagte Partei: Th. Knaur Nachf.,
Verlag, Berlin W. 50.Pragerstrasse Nr.
14,
vertreten
durch:
Dr. Alfred Seiler,
Rechtsanwalt
Wien I., Esslinggasse Nr. 5.
wegen Veröffentlichung und
Zahlung eines
Betrages von
Mark 10.000.–
Streitwert S
16.970.–
2 fach
1 Rubrik
Vorbereitender Schriftsatz der klagenden Partei.
Wer sich aus dem Schriftsatz der Beklagten ein Bild
von ihrem Verkehr mit dem
Kläger zu machen hätte, müsste sich
vorstellen, dass dieser als
der Autor des Werkes „Die letztenTage der
Menschheit“ die Idee und den Wunsch gehabt hätte, es
im Verlage Knaur unterzubringen, an diesen herangetreten sei
und nichts als ein
flüchtiges Interesse erreicht hätte, ohne
das Glück zu haben, den
Vertreter der Firma Knaur, Herrn
Drömer, für die Sache erwärmen zu können. Das diametrale
Gegen
teil ist
die Wahrheit, sämtliche Vorbringungen der Beklagten
sind unwahr.
1.) Dass in Wien „flüchtige
Unterhandlungen“ stattfan
den, dass diese
Unterhandlungen „nur ganz kurz
und oberflächlich“
waren und „keine weiteren
geschäftlichen Besprechungen zur Folge
hatten“ – diese
Behauptung ist geradezu das Schulbeispiel von
Verkehrung oder Entstellung
eines Sachverhalts. Wenn die Wiener
Unterhandlungen keine
„weitern“
geschäftlichen Besprechungen
„zur
Folge“ hatten, so ist das höchstens aus dem Grunde richtig,
weil diese Unterhandlungen
bereits sämtliche geschäftlichen Be
sprechungen enthielten, weil sie mit eben diesen einfach iden
tisch waren. Bis
auf das letzte Detail war bereits damals alles
besprochen und abgemacht
worden, bereits damals war moralisch
ein Vertrag
zustandegekommen, der freilich juristisch nicht
reklamiert werden konnte,
weil Herr Drömer sich im letzten
Moment auf die „Formalität“
einer Mitteilung an seinen Sozius
und dessen Einverständnisses
zurückgezogen hatte. Die Sache in
Wien hat sich folgendermassen abgespielt. Der Wiener Buchhändler
R. Lanyi, der mit Herrn Kraus als Veranstalter von
dessen Vor
trägen
in Verbindung ist, hatte ihm wiederholt mitgeteilt, dass
es der sehnlichste Wunsch
eines Herrn Drömer, Inhabers der
Firma Knaur sei, für deren „Standard“-Bibliothek das Werk
„Die letzten Tage der Menschheit“ zu gewinnen.
Die Möglich
keit,
ja Gewissheit einer ungeheuren Auflage liess den Autor
ein solches Angebot in dem
besondern Fall dieses Buches, des
sen Verbreitung
eine wichtige pazifistische Angelegenheit
wäre, verlockend erscheinen
und bewog ihn, dem Vorschlag
näherzutreten, dass dieses Werk
ausnahmsweise ausserhalb des
eigenen Verlages erscheine. Herr Drömer wurde benachrichtigt
und telegraphierte
hocherfreut, dass er am goldenen Sonntag
1928 zu einer Besprechung in
Wien eintreffen werde. Diese Be
sprechung fand in
Gegenwart des Herrn Lányi statt und brachte
ein in allen Details
ausgearbeitetes Angebot. Sämtliche
Punkte bis auf die
Ausstattung, Drucklegung, Versendung, An
kündigung,
Herstellung eines Registers wurden besprochen, der
Autor dieses Registers namhaft gemacht etc. etc.; die „flüchtige“
Besprechung dauerte über 2 Stunden; Hr. Drömer
bot das Honorar
10000 Mark
für 100.000 Exemplare sofort zahlbar, stellte eine
Auflage von 400.000
Exemplaren in Aussicht, erklärte, dass er
die vorhandenen Matrizen
nicht verwenden, sondern den Satz
neu herstellen lassen wolle,
fixierte sogar das Honorar für
den Autor des Registers, dessen Adresse er
sich notierte
(Herr v. Radecki in Berlin) wollte mit diesem sofort in Berlin
eine Besprechung haben etc.
etc. Das Resultat war, dass Herr
Karl Kraus seine endgültige
Antwort in Berlin, wo er nach
fünf Tagen ohnedies
eintreffen würde, Herrn Drömer zukommen
lassen und eventuell den
Vertrag unterschreiben wollte. Wenn
der Kläger sofort oder am Schluss der Unterredung ja gesagt
hätte, hätte Herr Drömer den Vertrag unterschrieben. Am
nächsten Morgen liess er
Herrn Drömer durch Herrn Lanyi sagen,
er habe nach Rücksprache mit
einem buchhändlerischen Fachmann
sich entschlossen, den
Vertrag sogleich, also noch in Wien zu
unterzeichnen. Herr Drömer kam deshalb an demselben Tage zu einer
Zusammenkunft, schien
hochbeglückt, sprach wieder zwei Stunden
über alle Details. Am
Schluss erklärte er, es bestehe ein rein
formaler Grund dafür, dass
der Vertrag erst in Berlin unterschrie
ben werden
könnte, denn er habe sich die Sache durch den Kopf
gehen lassen, da es nämlich
ein „exponiertes“ Buch sei,
brauche
er die formale Einwilligung des Sozius,
damit dieser ihm nicht
irgendeinmal, wenn Angriffe auf den Verlag wegen dieses Werkes
erfolgen sollten, Vorwürfe
machen könnte. Er habe den Sozius so
fort nach der
Mitteilung des Herrn Lanyi telefonisch zu
erreichen
versucht,
dieser sei aber nicht mehr im Bureau gewesen. Er gebe
ja zu, dass diese
Verzögerung auffallend sei, aber Herr Kraus
möge nicht erstaunt sein,
dass er, der doch glücklich über die
Einwilligung sei, nun nicht
sofort unterschreibe. Herr Lanyi
wisse am besten wie ernst es ihm mit der Sache sei, er habe so
gar Herrn Lanyi ein Vermittler-Honorar zugesagt, das
dieser
freilich
verschmähe, er habe sich ja an Herrn Kraus gewandt und
nicht umgekehrt, und wenn er
nun nicht sofort unterschreibe, so
sei der Grund eine blosse
Formalität, er sei natürlich seiner
Sache beim Sozius ganz sicher, er könne ohneweiters bestimmen,
aber es sei eben eine
Formalität, um allen Weiterungen vorzubeu
gen. Genau so
haben sich die „flüchtigen“, „ganz kurzen und
ober
flächlichen Unterhandlungen“ abgespielt. Herr Kraus äusserte
danach zu Herrn Lanyi, er habe den Verdacht, dass Herr Drömer von
der Sache abgekommen sei,
weil ihn vielleicht irgendein Wiener
Faktor abwendig gemacht
haben könnte. Herr Lanyi drückte diesen
Verdacht, den er teilte, am
nächsten Tag Herrn Drömer gegenüber
aus, Herr Drömer bestritt dergleichen hartnäckig, erklärte, es
sei ein rein formaler
Aufschub, er schicke den Vertrag. Statt
des Vertrages kam ein Brief an Herrn Lanyi, mit
der grotesken
Bitte, Herrn
K. „schonend
mitzuteilen“, dass er nicht in der
Lage sei, das Buch in seinen Verlag aufzunehmen,
und zwar mit
der grotesken
Begründung von Meinungsverschiedenheiten über
einen anderen Autor des Verlags. Es handelte sich darum, dass
Herr Kraus den Umstand, dass in
der Standard-Serie auch der
Autor Ganghofer erschienen sei, als Entwertung
dieser Bibliothek
bezeichnete, eine Ansicht, der Herr Drömer mit
der Versicherung,
dass dies
eine rein geschäftliche Notwendigkeit gewesen sei, mit
den stärksten Worten
beipflichtete. Die Ausflucht war also klar.
Jeder Leser des Briefes, der den Sachverhalt nicht kannte,
musste ihm aber entnehmen,
dass der Autor der „Letzten Tage derMenschheit“ an den
Verlag
herangetreten sei und dieser abgelehnt
habe. Herr Drömer fühlte wohl, dass er Herrn Karl Kraus be
lästigt hatte und
dass er ihm gegenüber wenigstens in der zwei
ten Unterredung
unaufrichtig gewesen war: er hatte die sonder
bare Idee, durch
seinen Wiener Vertreter mit Vermittlung des
Herrn Lanyi Herrn Karl Kraus zur Entschädigung
für den Zeitver
lust 600 Schilling für wohltätige Zwecke anbieten zu lassen.
Dieses Angebot wurde
natürlich abgelehnt. Juristische Schritte
aber konnten damals nicht
unternommen werden, da Herr Drömer
trotz aller moralischen
Bindung doch eben den Vertragsabschluss
von einer Handlung abhängig
gemacht hatte, wenngleich er diese
als blosse Formalität
bezeichnete.
Ein Jahr später trat Herr
Lanyi an Herrn Karl Kraus
mit dem Vorschlag heran, in
seinem eigenen Verlag die
„Letzten Tage der Menschheit“ herauszubringen.
Der Autor
meinte,
dass dem Verlag Lanyi dazu doch die geschäftlichen
Voraussetzun
gen fehlen. Herr Lanyi antwortete, dass er, da
der Knaur-Verlag
doch offenbar die Herausgabe
des Werkes für eine ungeheure ver
legerische Chance
hielt und sich nur aus politischen Gründen
oder Pressfurcht nicht
heranwagte, Herrn Drömer ersuchen werde,
ihm bei der Herausgabe
geschäftlich an die Hand zu gehen, even
tuell in der
Form, dass Herr Drömer an dem Ertrag
partizipieren
würde, wenn
er dem Verlag Lanyi seinen Apparat zur
Verfügung
stelle, während
offiziell Herr Lanyi der Verleger sei. Herr
Drömer antwortete nunmehr Herrn Lanyi, dass er selbst der Verle
ger sein wolle, man möge ihm nur noch etwas Zeit lassen. Das
Telegramm, das die Beklagte im
Schriftsatz mitteilt, ist ein
späteres Stadium. Es hatte
sich nämlich inzwischen ein grosser
Verlag, der sich längst für die Herausgabe interessiert hatte, mit
einem Angebot gemeldet, das
berücksichtigenswerter schien als der
Plan des Verlags Lanyi, wenngleich nicht so
aussichtsvoll wie die
Möglichkeit dass nunmehr doch der Verlag
Knaur sich entschliessen
könnte, seine längst gehegte
Absicht auszuführen. Darum wurde von
Herrn Lanyi, der immer bereit war, persönlich zurückzutreten und
nur zu vermitteln, das
Telegramm an Herrn Drömer abgesandt. Herr
Drömer hatte einen Aufschub gewünscht, der andere Verlag aber
wollte eine Entscheidung.
Herr Lanyi teilte Herrn Karl Kraus mit,
dass Herr Drömer nunmehr nur noch eine kurze Frist erbitte. Herr
Lanyi sprach davon, dass Herr Drömer
telefoniert habe, er wolle
mit Herrn K. sprechen, von dem er gehört habe, dass er demnächst
nach Berlin komme.
Beweis: Richard Lanyi, Buchhandlung in Wien I.,Kärtnerstrasse Nr.
44 als Zeuge.
Es wurde ihm geantwortet,
dass die Entscheidung ehestens erfolgen
müsste, Herr Kraus treffe
in den nächsten Tagen zu Proben in
Berlin ein und Herr Drömer möge ihm
dann einfach sagen, ob
der
Knaur-Verlag nunmehr wolle oder nicht.
Herr K. traf in
Berlin ein, Herr Drömer wurde von
Direktor Fischer benach
richtigt und es
wurde telephonisch eine Zusammenkunft für den
nächsten Tag vereinbart. Es
wurde Herrn Drömer in dieser ge
sagt, dass es
sich, da ja alles längst in Wien seinerzeit be
sprochen sei, um
nichts handle als um ein Ja oder Nein, ohne
nähere Begründung; ein
grosser Verlag warte auf Antwort, Herr
Drömer möge sich sofort erklären.
Herr Drömer bat, die Ent
scheidung morgen mitteilen zu dürfen, er werde nunmehr von
seinem Sozius oder seinen Sozien die endgültige, bindende Ent
scheidung
verlangen. Was die Beklagte unter 2) als
Inhalt der
Unterredung
angibt, ist unwahr. Mit keinem Wort hat damals Herr
Drömer gesagt, dass er mit den Sozien „nicht ins
Einvernehmen
wegen
des Werkes käme“, dass diese „sehr viele
Bedenken hätten“,
und dass „auch er nicht
recht wüsste, ob es für seinen Verlag
annehmbar sei“,
vielmehr hat Herr Drömer bloss – in Gegenwart
des Zeugen Fischer – erklärt, dass sich jetzt die Verbreitungs
aussichten ein
wenig geändert hätten, dass er aber am nächsten
Tag definitiv sagen werde,
ob das Werk gebracht wird oder
nicht.
3.) Was die Beklagte als Inhalt dieser nächsten und
letzten Unterredung, die
tatsächlich am nächsten Tag stattfand,
angibt, ist vom ersten bis
zum letzten Wort unwahr. Die Dar
stellung des
Herrn Drömer muss den Eindruck erwecken, dass
er
einen Bittsteller vor
sich hatte, der immer wieder einen ver
geblichen Schritt
machte, dem schliesslich gesagt wurde, „es
sei
ausgeschlossen“, dem aber aus Mitleid dann doch zugesagt
wurde, dass man noch einmal
„einen Versuch
machen“ wolle. Die
Beklagte behauptet, Herr Drömer habe in dieser Unterredung den
Plan für eine „neue
Form“, „in einer Sonderausgabe des Verlags“
geäussert, für die er doch
erst „die Einwilligung
des Herrn
Klägers“ brauchte, um danach die „definitive
Zustimmung seiner
Sozien“ einzuholen. Durchaus schlüssig, wenn es wahr wäre. Herr
Drömer hatte aber bei den Sozien gar nichts mehr „einzuholen“,
sondern in diese Unterredung die Zustimmung oder
Ablehnung der
Sozien zu
bringen. Er hatte nur noch die Zustimmung des Klägers
einzuholen zu dem was er als
fertige Sache von den Sozien
brachte. Es war ihm gar kein Zweifel darüber
gelassen worden, dass
es die
letzte Unterredung vor dem Entschluss für diesen oder
jenen Verlag sei. Von einer
Sonderausgabe war gar keine Rede.
Vielmehr verlief die
Unterredung so: Herr Drömer begann sehr
feierlich, wie er den Sozien
die Bedeutung der „Letzten Tage derMenschheit“
auseinandergesetzt habe. Da Herr K. unterbrach
und
bemerkte, Herr Drömer möge einfach sagen, ob die Sozien
einver
standen
seien, setzte er fort: Wir sind nach reiflichster Ueber
legung zu dem
folgenden Entschlusse gelangt: In die Standard-
Bibliothek können wir leider
das Werk nicht aufnehmen, weil
die
se auf der
sogenannten „Kontinuation“ beruht, d.h. die Sorti
menter müssen die
Bücher festabnehmen. Da es sich aber um ein
Werk handelt, das eventuell die Unzufriedenheit
deutschnationaler
Sortimenter erregen könnte, so können wir es in dieser
Serie
nicht
herausbringen. Dagegen machen wir Ihnen den Antrag:
Wir
bringen das Werk im normalen, eigentlichen
Knaur-Verlag heraus,
allerdings ist da die Chance
der Vertreibung – eben wegen der
fehlenden Kontinuation nicht
so gross, trotzdem aber wollen
wir 100.000 Exemplare drucken und sofort mit 10.000 Mark, wie
bei der Standard-Ausgabe,
honorieren. Tatsächlich kam also Herr
Drömer mit einem Vorschlag, der von dem seinerzeiit
gemachten
abwich,
wenngleich nicht mit dem Vorschlag für eine Sonderaus
gabe, sondern für
den Knaur-Verlag selbst. Für diesen
Vorschlag
hatte er aber
nicht erst die Zustimmung der Sozien einzuholen,
sondern er war mit dem Vorschlag der Sozien gekommen.
Der Autor
wäre natürlich bereit
gewesen, den Vertrag sofort schriftlich
abzuschliessen, wenn Herr
Drömer eine Auflage wie vor einem
Jahre, also die mit den
Möglichkeiten der Standard-Ausgabe, in
Aussicht gestellt hätte. Die
Beschränkung auf 100.000 höchstens
machte es – sowohl wegen der
Verbreitung wie wegen des Autor
honorars –
notwendig, in einer Besprechung mit einem buchhänd
lerischen Fachmann diese Chance mit derjenigen, die der andere
Verlag inzwischen gewährt
hatte, zu vergleichen. Herr Drömer
sollte sofort Antwort
bekommen, wenn er den schriftlich nieder
gelegten Vertrag
eingesandt hebe. Dieser wurde als von ihm aus
abgeschlossen erklärt. Kein Wort ist gefallen, uns nur so ge
deutet werden
konnte, dass Herr Drömer nunmehr erst die Zustim
mung der Sozien für diesen seinen Vorschlag einholen müsse.
Im
Gegenteil war es ein
Definitivum, das Herr Drömer im Einver
ständnis mit den
Sozien brachte und das von ihm als für den
Verlag Knaur
bindend erklärt wurde. Mehr als das: Herr Drömer
brachte auch das Angebot der
Gutenberg-Gilde. Es ist unwahr,
dass davon gesprochen wurde,
diese „zu
veranlassen“, „sich mit
30.000 Exemplaren zu
beteiligen und hiefür 30 Pfennig pro
Exemplar zu
zahlen“. Wie wäre der Kläger, wie
wäre auch Herr
Drömer
auf diese Ziffer gekommen? Vielmehr eröffnete Herr
Drömer das Folgende: „Während
ich mit meinen Sozien sprach und
wir den Entschluss fassten, Ihnen das Erscheinen im
normalen
Knaur-Verlag unter den mitgeteilten
Bedingungen anzubieten, trat
der Leiter des Gutenberg-Verlags ein, der sich ganz
ausserordent
lich für das Werk interessiert und sich sofort bereit erklärte,
30.000 Exemplare
abzunehmen und zwar zu 30 Pfennig pro Exemplar.
Ich habe es übernommen,
Sie zu fragen, ob Sie darauf eingehen
würden.“. Der Kläger antwortete, dass er sich in einem
erkundigen
wolle, was das
eigentlich für ein Verlag sei. Wie bindend seitens
des Herrn Drömer auch dieser Antrag war, geht aus der folgenden
Bemerkung hervor: Auf die
Frage, ob der Druck der Gutenberg-Gilde
auch das Register enthalten
solle, sagte Herr Drömer: Die Gutenberg-Gilde stellt wegen des Registers die gegenteilige Bedingung:
Nämlich dass es nicht erscheine; sie will das Register nicht,
sie will das Werk herausbringen „wie es
sei
ist
.“ Ob Herr Drömer be
rechtigt war,
diesen festen und gleichfalls so detaillierten An
trag des Gutenberg-Verlags zu überbringen, entzieht
sich natur
gemäss
der Kenntnis des Klägers. Der Schluss der
Unterredung hat
sich nicht so
abgespielt, wie es der Beklagte darstellt;
dass
der Kläger gesagt habe, er wolle sehen, „wie wir mit einander
einig werden können“, sondern so, dass gesagt wurde: Sie schicken
also unmittelbar nach Ihrer
Rückkehr den von Ihnen abgeschlosse
nen Vertrag. Ich
werde Ihnen dann sofort mitteilen, ob ich Ihrem
Verlag oder dem andern
Verlag den Vorzug gebe. Beweismittel:
Herr
Direktor Heinrich
Fischer als Zeuge.
4.)Dass „viele Punkte nicht besprochen wurden“, ist
unwahr. Sowohl „was mit den vorhandenen Exemplaren geschehen
solle“, wie,
„in welchem Einband, Druck, in welcher
Ausstattung“
das
Werk zu erscheinen habe u.dgl.
mehr, war seinerzeit schon in
Wien bis ins letzte Detail besprochen worden –
z.B. dass auf
die
Kopfvignette verzichtet werde, dass die vorhandenen
Exemplare im Verlag der Fackel verbleiben können – es
wurde
aber auch diesmal
darüber gesprochen und es hat sich nicht die
geringste
Meinungsverschiedenheit ergeben. Es wurde sogar ganz
genau, mit Hinweisen auf
Stellen, die für reichsdeutsche Leser
der Erklärung bedürfen, vom
Register gesprochen, von dessen Ver
fasser Hr.v. Radecki und von der Höhe des an diesen zu
zahlenden
Honorars (Herr
Drömer sagte: dass es ihm „darauf nicht ankomme“.)
5.) Die schriftliche
Errichtung des Vertrages sollte
nicht eine Basis für etwa
noch zu besprechende Punkte bieten,
diese waren sämtlich
besprochen und über sie eine Vereinbarung
getroffen worden, sondern
lediglich die schriftliche Fixierung
der besprochenen Punkte
darstellen. Ein Zweifel daran, dass der
Vertrag in der behaupteten
Form geschlossen worden war, kann
nicht bestehen. Die Beklagte
war an den Vertrag gebunden, le
diglich der Kläger hatte die Möglichkeit den Vertrag auch
noch
mit einem andern
Verlag abzuschliessen. Dadurch unterscheidet
sich ja auch der Gang der
Verhandlungen im Jahre 1930 von denen
im Jahre 1928.
Herr Drömer ist seinerzeit Dezember 1928, an Herrn KarlKraus
herangetreten, hat ihm einen in allen Details ausgearbeite
ten Antrag –
unter vergleichender Vorweisung seiner Verlagsdrucke
und des vorhandenen Drucks
der „Letzten Tage der Menschheit“
–
unterbreitet und im
letzten Moment sich unter Verschweigung des
wahren Abhaltungsgrundes auf
eine noch zu erfüllende Formalität
zurückgezogen. Infolgedessen
konnte damals die Firma Knaur nicht
belangt werden und der Kläger hatte bloss einen Zeitverlust zu
beklagen, für den ihm
freilich das Anbot einer Spende zu wohl
tätigem Zweck als
keine entsprechende Gutmachung erschien. Als
ein Jahr später Herr Drömer abermals das Verlangen bekundete,
das Verlagswerk
herauszubringen, begann er die Berliner Unter
redung mit dem
verlegenen Geständnis, er sei damals tatsächlich
von einer Wiener Seite
aufgehetzt, d.h. es sei ihm die Hölle
heiss gemacht worden,
nunmehr aber stünde die Sache anders. Die
se Unterredung
schloss damit, dass Herr Drömer am nächsten Tag
die definitive Entscheidung bringen werde. Die zweite Unterredung
hat diese gebracht.
Die Beklagte spricht von „inneren
Gründen“, die dagegen
sprechen, dass Herr Drömer den Vertrag mündlich abgeschlossen
habe. Wenn wir uns auf
dieses Gebiet begeben wollen, so sprechen
vielmehr „innere
Gründe“ dafür, vor allem doch der, dass
Herrn
Karl Kraus in jener letzten
Unterredung wohl die Geduld gerissen
wäre, wenn Herr Drömer ihm wieder einmal damit gekommen wäre,
dass er erst die Sozien
befragen müsse, von denen er doch eben
gekommen war. Dieses Gesellschafterspiel, das
Herr Drömer immer
wieder aufgeführt hatte und
bei dem im Laufe der Zeit aus einem
Sozius „die
Sozien“ geworden waren, wäre doch wohl in dieser
letzten Unterredung, der ja
tatsächlich keine weitere mehr folgte
und die eben als die
entscheidende klargestellt war, nicht mehr
möglich gewesen. Der
innerste Grund ist aber die simple Logik
der Tatsachen. Wenn es wahr
wäre, dass Herr Drömer in dieser
letzten Unterredung erklärt
hat, „erst die definitive Zustimmung
seiner Sozien
einholen“ zu müssen, so bliebe die Frage offen,
was denn hierauf geschehen sei, und warum denn Herr Drömer nicht
die Ablehnung der Sozien dem
Kläger
mitgeteilt hat. Die primi
tivste
gesellschaftliche Höflichkeit hätte doch erfordert, dass
Herr Drömer, der für die geraubte Zeit der ersten Unterredungen
Schadenersatz leisten
wollte, nach der zweiten Serie wenigstens
seine Zusage erfülle, das
„schriftliche Offert“, auf das er den
Vertrag reduziert, dessen
Einsandung versprochen zu haben, er
aber doch selbst zugibt, tatsächlich zu senden. Herr Drömer hat
aber gar nichts gesandt,
weil er wohl wusste, dass was er zu
senden hatte, der
seinerseits abgeschlossene Vertrag war und
weil er sich eben
unmittelbar nach der Unterredung, wohl wieder
infolge eines Einflusses,
die Sache überlegt hatte. Wenn diese
für ihn ganz so
unverbindlich war, wie er es darstellt, warum
bat er sein „Offert“ nicht eingesandt, nach dessen
Beantwortung
er ja
angeblich noch immer freie Hand hatte? Weil er eben ganz
gut gewusst hat, dass er
einen Vertrag geschlossen hat. Darum
zog er
es vor, von sich überhaupt nichts mehr hören zu lassen.
Es klafft doch die Lücke:
Warum Herr Drömer den winzigen Ver
trag, den
geschlossen zu haben er zugibt: den über die Einsen
dung eines für
ihn unverbindlichen Offerts, warum er nicht ein
mal den erfüllt
hat. Die Wahrheit ist eben, dass nach geschlos
senem Vertrag
wieder Intriguen eingesetzt haben und dass er ge
hofft hat, auch
diesmal juristisch so unbehelligt zu bleiben wie
in Wien, wo er doch tatsächlich formell den Vertrag nicht ge
schlossen hatte.
Nicht zuletzt wird aber die Unwahrhaftigkeit
der Darstellung durch den
folgenden Umstand anschaulich: Herr
Drömer soll in jener letzten Unterredung, in der er wieder
einmal
auf die Sozien
verwiesen haben will, ein ganz detailliertes
Projekt (in puncto
Erscheinungsweise, Auflage und Honorar) vor
gelegt und zugleich erklärt haben, er wolle „den Versuch
machen“ die
Sozien dafür „zu interessieren“.
Warum denn? Die
Idee war ihm
doch nicht erst auf dem Weg von den Sozien zum
Rendezvous mit dem Kläger gekommen? Was hatte er denn eben vor-
her mit diesen besprochen,
wenn nicht eben das Projekt? Warum
hatte er nicht gleich deren Zustimmung oder
Ablehnung mitge
bracht? Gewiss brauchte er die „Einwilligung des Klägers“ zu
der angeblich
völlig neuen Form – die sich ja dieser auch vor
behalten wollte
–, aber die der Sozien konnte und musste er
doch schon haben. Um glaubhaft zu machen, dass er keinen Ver
trag
abgeschlossen habe, musste er dessen ganzen Inhalt in Ab
rede
stellen, dürfte er nicht alle Details zugeben und dazu be
haupten, er habe
darüber erst die Sozien befragen wollen. Hätte
Herr Drömer solches dem Kläger
in jener letzten Unterredung
gesagt, so hätte dieser ihr sofort ein Ende gemacht, da er zu
ihr nicht gekommen war, um
das Spiel fortzusetzen, sondern um
die Entscheidung zu
erhalten. Genau so unzweideutig wie dem
Vertreter der Firma Knaur das gesagt worden war, ist die
Ent
scheidung
tatsächlich erfolgt. Was Herr Drömer in die
zweite
Berliner
Unterredung brachte, war ein Resultat der Rücksprache
mit den Sozien. In Wien hatte er das Glück, dass er sich im
letzten Moment berufen
konnte, es sei noch eine „Formalität“ zu
erfüllen; das hätte der Kläger nie in Abrede stellen können und
dafür war auch ein Zeuge
vorhanden: Herr Lanyi. In Berlin war
eben diese Formalität, die Zustimmung der Sozien,
zwischen der
ersten und der zweiten
Unterredung erfolgt; dafür ist gleich
falls ein Zeuge
vorhanden: Direktor Fischer. Die Behauptung,
dass in dieser zweiten Unterredung erst wieder auf die Formalität
verwiesen wurde, ist das
vollkommenste Gegenteil der Wahrheit.