Mein LebensabendPeter Altenberg. Auswahl aus seinen Büchern von Karl KrausBilderbögen des kleinen Lebens


Sehr geehrter Herr Kollege!


In der Angelegenheit Kraus ./. Altenberg teile
ich Ihnen folgendes mit:


Die Berechnung der von Herrn Kraus in Aussicht
genommenen Abdrücke aus den verschiedenen Werken von Altenberg hat ergeben, dass das Buch ca. 600 Seiten umfassen wür
de. Dies ist vom allgemeinen buchhändlerischen Standpunkt
aus nicht wünschenswert, da ein Auswahlband in dieser Stärke
nicht dem üblichen entspricht und geht auch um etwa 200
Seiten über das hinaus, was seinerzeit in Aussicht genommen
war. Speziell würde meine Mandantin gegen eine so umfassende
Auswahl auch deshalb Bedenken haben, weil danach der Absatz
der einzelnen Werke gefährdet erscheint. Bei einem so um
fangreichen Auszug, von dem das Publikum doch naturgemäss
annimmt, dass das Beste und Interessanteste darin enthalten
ist, würde ein Verkauf der einzelnen Werke kaum noch erfol
gen können. Meine Mandantin ist schon wegen des Andenkens
von Altenberg und wegen der materiellen Interessen seiner
Erbin verpflichtet, auch diesem Gesichtspunkt Rechnung zu
tragen.


Meine Mandantin ersucht also Herrn Kraus, die geplanten
Auszüge zu überprüfen und soviel wegzulassen, dass insgesamt
nicht über 400 Seiten herauskommt. Die Berechnung hat auf
Grundlage der Kolumne des Buches „Mein Lebensabend“ stattge
funden. Die gekürzte Auswahl ersuche ich uns nochmals zu über
senden bezw. anzugeben, was aus den von Herrn Kraus zum Ab
druck vorgesehenen Teilen wegbleiben soll.


Die Bedingungen, unter denen meine Mandantin das Erscheinen
des Buches gestatten will, sind folgende:


Mit dem vorgeschlagenen Verlag Schroll ist meine Mandantin
einverstanden.


Das Buch darf nur in einem Band, also nicht mehrbändig, er
scheinen. Vorausgesetzt wird selbstverständlich eine würdige
Ausstattung. Die Urheber- und Verlagsrechte für den Auswahl
band ist meine Mandantin bereit auf die Lebenszeit von Herrn
Karl Kraus ihm zu überlassen, mindestens aber auf 10 Jahre,
vom 1. Juli 1931 an gerechnet.


Die Voraussetzung für die Überlassung der vorerwähnten
Rechte ist an die Zustimmung der Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft in Wien als Erbin von Peter Altenberg gebunden (oder
etwa sonst urheberrechts-berechtigter Personen). Nach dieser
Richtung hin übernimmt meine Mandantin keinerlei Verantwortung.


Dies bezieht sich auf die von Herrn Kraus vorgesehenen
Werke mit Ausnahme von „Bilderbögen des kleinen Lebens“. Dieses
3 Werk ist nicht bei meiner Mandantin erschienen. Wenn Auszüge
aus ihm mit aufgenommen werden sollen, muss Herr Kraus sich
bei dem Verleger dieses Buches darum bemühen. Meine Mandantin
hat aber ihrerseits nichts dagegen, dass Auszüge aus den „Bil- derbögen“ in dem Sammelbuch mit aufgenommen werden. In dem
Buch muss zum Ausdruck gebracht werden, dass der Auswahlband
mit Genehmigung der S. Fischer Verlag AG. erscheint. Bei Auf
zählung der Werke, aus denen die Auszüge entnommen werden, muss
vermerkt sein, dass sie bei S. Fischer Verlag AG. erschienen
sind, natürlich mit Ausnahme der „Bilderbögen“,wo der ent
sprechende Verlag anzugeben wäre.


Meine Mandantin verzichtet auf den ihr zustehenden Ge
winnanteil aus dem Verlag des Auswahlbandes zugunsten der
Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft, wozu sie sich ja schon
im Jahre 1928 bereit erklärt hatte. Die Abrechnungen von
Schroll (also festes Honorar oder prozentuale Beteiligung)
müssen meiner Mandantin halbjährlich mitgeteilt werden. Ein
Übergang oder eine Übertragung des Verlagsrechtes an dritte
Personen darf nur mit Zustimmung meiner Mandantin und der
Altenbergschen Erben erfolgen. Meine Mandantin bemerkt, dass
sie nach wie vor auf dem Standpunkt steht, dass der Zeitpunkt
für die Herausgabe eines Sammelbuches zur Zeit ungeeignet
ist, da aber Ihr Herr Mandant anderer Ansicht zu sein scheint,
so will meine Mandantin sein Vorhaben im Interesse des Werkes
nicht stören.


Ich bitte um Bestätigung und Einverständniserklärung.
Ich werde dann meine Mandantin veranlassen, die Kinderschutz-und Rettungsgesellschaft entsprechend zu benachrichtigen. Ich
bitte ferner um Mitteilung, wann etwa der verkürzte Auszug zu
erwarten sein wird.


Mit kolleg.Hochachtung!
Frankfurter
Rechtsanwalt


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