Berliner Tageblatt, 10.7.1931Welttheaterkongress in ParisDie Fackel


Abschrift.


Berlin, den 21. August 1931


Strafantrag
des Schriftstellers Karl Kraus,
Wien III, Hintere Zollamtstrasse Nr. 3,
Antragsteller,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
Dr. Willy Katz, Berlin SW.68,Friedrichstrasse 204
gegen
den verantwortlichen Redakteur des
Berliner Tageblatts“ Fred Hildenbrandt,
Berlin SW.100, Jerusalemerstrasse 46/49
Angeschuldigten.


An die
StaatsanwaltschaftbeimLandgericht IBerlin


Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantrage ich:


gegen den verantwortlichen Redakteur
des Berliner TageblattsFred Hildenbrandt, die Strafverfolgung einzulei
ten und die öffentliche Klage zu er
heben


wegen: Vergehens, strafbar nach
§ 11, 19 Abs. 1, Ziff.3 des Reichs
pressgesetzes.


In der Abendausgabe des Berliner Tageblattes vom 10. Juli 1931 ist ein Artikel
Welttheaterkongress in Paris“ von
Joseph Chapiro veröffentlicht. Dieser Artikel enthält folgenden Passus:
„– – wenn man sich daran erinnert,
dass Gemier derjenige war, der im Januar 1926 den
ersten deutschen Vortrag nach dem Krieg, den von
Alfred Kerr, an der Sorbonne veranstaltete – –“


Der Antragsteller hat nach Kenntnisnahme dieses Artikels
durch seinen Wiener Vertreter, Rechtsanwalt Dr. Samek
die abschriftlich beigefügte, vom Antragsteller verfasste
und unterschriebene Berichtigung an den verantwortlichen
Redakteur des Berliner Tageblatts, dem Angeschuldigten einge
sandt.


Beweis: für Einsendung und Empfang der Berichtigung
durch den Angeschuldigten,
die beigefügte Empfangsquittung vom 17.
Juli 1931.


Eine Berichtigung ist weder in der durch § 11 des Reichspressgesetzes gekennzeichneten nächstfolgenden Nummer des
Berliner Tageblatts, noch in irgend einer anderen Nummer der
Zeitung erschienen.


Als Beweismittel für die Berichtigungsverpflichtung des
Angeschuldigten beziehe ich mich auf seine Kennzeichnung
als verantwortlichen Redakteur für den Feuilletonteil
in den hiermit überreichten Ausgaben des Berliner Tageblatts
vom 10., 17. und 18. Juli 1931.


Aus der beigefügten Berichtigung selbst folgt die Be
richtigungsberechtigung des Antragstellers, da eine ihn be
treffende, sein persönliches Interesse unmittelbar berührende,
Tatsache unwahr wiedergegeben ist.


Vollmacht anbei.


gez. Dr. Katz
Rechtsanwalt.


Abschrift.


Dr. Oskar Samek
Rechtsanwalt
Wien, I. Schottenring 14


Wien, am 15. Juli 1931


Betrifft: KrausBerliner Tageblatt.


An den
verantwortlichen Redakteur des „Berliner Tageblatts“
Herrn Fred Hildenbrandt
Berlin SW.100 Jerusalemerstrasse 46–49.


In rechtsfreundlicher Vertretung des Herrn Karl Kraus
Herausgeber der „FackelWien III. Hintere Zollamtstrasse Nr. 3
sende ich Ihnen die beiliegende Berichtigung der in Ihrer
Nummer vom 10. Juli 1931 Abendausgabe, mitgeteilten ihn be
treffenden unrichtigten Tatsachen zur Veröffentlichung gemäss
§ 11 des Pressgesetzes.


Hochachtungsvoll
gez. Dr. Samek


1 Beilage
Rekommandiert mit Rückschein.


Abschrift.


Sie veröffentlichen in dem Artikel „Welttheaterkongress in Paris“ von Joseph Chapiro (10. Juli 1931, Abendausgabe) die
folgende Behauptung:


„– – wenn man sich daran erinnert, dass Gemier derjenige
war, der im Januar 1926 den ersten deutschen Vortrag nach dem
Krieg, den von Alfred Kerr, an der Sorbonne veranstaltete – –“


Die Behauptung, dass der im Januar 1926 von Gemier ver
anstaltete Vortrag des Herrn Alfred Kerr an der Sorbonne der
erste deutsche Vortrag nach dem Krieg gewesen ist, ist unwahr,
Wahr ist, dass Karl Kraus am 4., 7. und 10. März 1925 deutsche Vorträge
an der Sorbonne gehalten hat.


gez. Karl Kraus.