Das Gesetz vom 26. Dezember 1895Rothschilds „Dagger“ – nur ZweiterDie Bühne, Nr. 306Die BühneDie Fackel


16 Cg 552/31
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Im Namen der Republik!


Das Landesgericht für ZRS. Wien hat durch den
Landesgerichtsrat Dr. Franz Biack als Einzelnrich
ter in der Rechtssache der klagenden Partei LotharRübelt, Photograph in Wien I, Wollzeile 14, vertreten
durch Dr. Ernst Uzel, RA. in Wien I, Augustinerstrasse 12,
wider die beklagte Partei Karl Kraus, Eigentümer,
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift
die Fackel“ in Wien III, Hintere Zollamtsstrasse 3,
vertreten durch Dr. Oskar Samek, RA. in Wien I, Schottenring 14, wegen Verletzung des Urheberrechtes zu Recht
erkannt:


Der Beklagte ist schuldig, das Ur
heberrecht des Klägers an der in der
Zeitschrift „Die Fackel“ Nr.857bis 863 August 1931 XXXIII. Jahr auf
Seite 106 erschienen Photographie
mit der Unterschrift: Rothschilds
„Dagger“ nur Zweiter! Photo Rübelt,
beziehungsweise das Nichtbestehen
eines Rechtes des Beklagten auf Ver
öffentlichung dieser Photographienach
bildung anzuerkennen und jeden Ein
griff in das Urheberrecht des Klägers zu unterlassen.


Der Beklagte ist weiters schuldig,
der klagenden Partei die
mit 195 S 94 g bestimmten Prozesskosten
binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution
zu bezahlen.


Entscheidungsgründe:


Unbestritten ist:


Der Kläger, der das photographische Gewerbe als
Sport-, Gesellschafts-, und Industriephotograph be
treibt, hat anlässlich des Wiener Derby 1931 auf dem
Rennplatze Reportageaufnahmen gemacht, dabei auch
zufällig den Rennstallbesitzer Alphons Rothschild por
trätiert, ohne dass dieser um seine Zustimmung zur Auf
nahme oder zur Veröffentlichung der Aufnahme gefragt
wurde. Die Aufnahme wurde zur Veröffentlichung in
einige illustrierte Blätter, darunter auch an die
Bühne“ vom Kläger abgegeben, welche in ihrer Nummer306 (Juni 1931) auf Seite 26 die genannte Aufnahme
mit der Unterschrift „Rothschilds ‚Dagger‘ – nur
Zweiter! Photo Rübelt“ brachte.


Der Beklagte hat nun in seiner Zeitschrift
„Die Fackel“, Augustheft 1931, Nr. 857 bis 863,
XXXIII. Jahr, auf Seite 106 die genannte Aufnahme
verkleinert, mit derselben Unterschrift im Anschluss
an einen Artikel „Rothschild muss sich einschränken
veröffentlicht, ohne hiezu eine Zustimmung des Klägers eingeholt
zu haben.


Hierin erblickt der Kläger eine Verletzung
seines Urheberrechtes an der klagegegenständlichen
Photographie und stellte das im Urteilsspruche angeführte
Klagebegehren.


Der Beklagte beantragte die kostenpflichtige Ab
weisung des Klagebegehrens und brachte vor:


1.) Das Klagebegehren sei verfehlt, weil es das
einer Feststellungsklage sei. Nun habe der Kläger ein
rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung
des Rechtes weder behauptet, noch ein solches begrün
det.


Weiter klage der Kläger auf Unterlassung jeden Eingrif
fes in das Urheberrecht. Auch dies sei verfehlt, weil
nur ein einziger Eingriff in das Urheberrecht zur
Diskussion stehe, nämlich ob die Veröffentlichung des
Photographieporträts im Zusammenhang als Zitierung nach
dem Gesetze erlaubt oder unerlaubt gewesen sei; ferner
weil diese Veröffentlichung schon erfolgt sei und daher
die Unterlassungsklage zu spät komme. Eine Unterlassungs
klage wäre nur dann zulässig, wenn eine künftige
Störung zu befürchten wäre, was Kläger aber weder be
hauptet, noch unter Beweis stelle.


2.) Dem Kläger stehe ein Urheberrecht an der
klagsgegenständlichen Photographie gar nicht zu. Die
vom Kläger gemachte Repotageaufnuhme sei ein Photo
graphieporträt. Gem. § 13 Abs. 2 des U.R.G. sei die
Ausübung des Urheberrechtes in allen Fällen an die
Zustimmung der dargestellten Person oder ihrer Erben
gebunden. Kläger gebe nun selbst zu, dass der
Porträtierte Alphons Rothschild die Zustimmung zur
Aufnahme, Ausübung des Urheberrechtes und Erhebung der
Klage nicht gegeben habe.


3.) Aber selbst wenn dem Kläger ein Urheberrecht
zustehen sollte, so liege ein unbefugter Eingriff in das
Urheberrecht des Klägers überhaupt nicht vor, denn die
Veröffentlichung der Photographie in Verbindung mit dem
erwähnten Zeitungsartikel stelle sich als Bes S chaffung
eines neuen Werkes unter freier Benützung eines Werkes
der bildenden Künste, beziehungsweise einer Photographie
dar und sei daher gem. § 34 Zl. 1 und § 36 U.R.G.
nicht als Eingriff in das Urheberrecht anzusehen;
Überdies liege aber auch wegen § 34 Zl. 4 in Verbindung
mit § 36 U.R.G. kein Eingriff in das Urheberrecht des
Klägers vor, weil die Aufnahme eines Werkes der bil
denden Künste, beziehungsweise einer Photographie
bloss zur Erläuterung des Textes in ein Schriftwerk
gem. den zitierten Gesetzesstellen unter Quellenangabe
gestattet sei.


4.) Weiter liege aber auch wegen § 25 ZI. 2 U.R.G.
keine Verletzung des Urheberrechtes vor. Die Photographie
sei in einer Zeitschrift erschienen und dadurch
zu einem Werke der Literatur geworden. Nach § 25 Zl.2 U.R.G. sei die Aufnahme einzelner erschienener
Werke oder einzelner Skizzen oder Zeichnungen aus
einem solchen Werke in einem durch den Zweck gerecht
fertigten Umfang in ein grösseres Ganzes, wenn sich
dieses nach seinem Hauptinhalte als ein selbständiges
wissenschaftliches Werk darstellt, nicht als Nachdruck
anzusehen; der Entlehner habe nur den Urheber oder
die benützte Quelle anzugeben. Die in der „Fackel
durch 32 Jahre geübte Zeitkritik stelle sich als ein
selbständiges wissenschaftliches Werk dar.


Der vorliegende Rechtsfall sei auch schon im Jahre 1915
in einem zu G.Zl. 1 Vr II 4716/14 des Landesgerichtesfür Strafsachen Wien I gegen den Beklagten geführten
Strafverfahren wegen Verletzung des Urheberrechtes ent
schieden worden.


Vorgelegt wurde von der klagenden Partei
sub ./B das die Abbildung enthaltende Blatt der
Zeitschrift „Die Bühne“ und der Zeitschrift
Die Fackel“, sowie
sub ./B 1 der Originalfilmstreifen der Aufnahme.


Die beklagte Partei hat die vorgelegten Urkunden
als echt anerkannt.


Aus dem vom Beklagten selbst zugegebenen Sach
verhalt ergibt sich, dass Beklagter einen unbefugten
Eingriff im Sinne des § 21 U.R.G. begangen hat, da er
ohne Zustimmung des Urhebers eine durch das U.R.G.
dem Urheber ausschliesslich vorbehaltene Verfügung
über das Werk durch die oberwähnte Veröffentlichung
in der Zeitschrift „Die Fackel“ getroffen hat.


Die rechtlichen Einsendungen des Beklagten waren
nicht geeignet, das Klagebegehren mit Erfolg abzuweh
ren.


Zu 1.): Die Einwendung im Hinblick auf § 228ZPO. ist nicht berechtigt.


Die gegenständliche Klage stellt sich als
sogenannte Negatorienklage dar. Der Klagegrund ist
das Urheberrecht und der vom Beklagten begangene Ein
griff. Der Kläger begehrt Anerkennung seines Urheber
rechtes und die Unterlassung eines jeden Eingriffes in
dasselbe. Das Klagebegehren stützt sich auf § 54 U.R.G.
welcher ausdrücklich dem Urheber die Befugnis erteilt,
beim Zivilrichter auf Anerkennung seines Urheberrechtes
sowie Unterlassung eines jeden Eingriffes zu klagen,
ohne das Klagerecht an die besondere Voraussetzung
des § 228 ZPO. zu binden und ohne Rücksicht darauf, ob
die Gefahr weiterer Eingriffe seitens des Beklagten
besteht oder nicht besteht. Da der Kläger das Urheber
recht und einen Eingriff seitens des Beklagten behaup
tet, war das Klagebegehren formell zulässig.


Im übrigen mussten auch die Voraussetzungen des
§ 223b ZPO. angesichts des behaupteten Eingriffes in das
Urheberrecht als gegeben angenommen werden.


Zu 2.) Auch die zweite Einwendung, gestützt auf
§ 13 U.R.G., ist nicht stichhältig.


Es ist unbestritten, dass die klagsgegenständ
liche Aufnahme eine zufällige Aufnahme ist, die auf dem
Rennplatze gemacht wurde, dass also eine Zustimmung
des Abgebildeten nicht eingeholt wurde, desgleichen
dass auch zur Veröffentlichung eine Zustimmung nicht
eingeholt worden ist. Was die Erhebung der Klage anbe
langt, so muss festgestellt werden, dass sie ohne Zu
stimmung des Porträtierten erfolgt ist , beziehungs
weise, dass klagende Partei eine solche Zustimmung
weder behauptet, noch unter Beweis stellt. Der Kläger
brachte in rechtlicher Beziehung vor, dass es sich um
eine Reportageaufnahme handelt, die nicht den Bestim
mungen des § 13 U.R.G. unterliege, daher eine Zustim
mung des Abgebildeten zur Veröffentlichung nicht not
wendig sei; dass sie aber dies auch im Falle des § 13 Abs. 2U.R.G. nicht notwendig sei, weil gegebenen Falls kein
Eingriff in das Urheberrecht nicht vorliege.


§ 13 Abs. 2 U.R.G. bestimmt, dass bei Photographie
porträts die Aushebung des Urheberrechtes nicht in allen
Fällen an die Zustimmung der dargestellten Person oder
ihrer Erben gebunden ist. Es statuiert neben dem Ur
heberrecht noch ein vom Urheberrecht durchaus unabhän
giges Persönlichkeitsrecht der dargestellten Person, das
sogenannte „Recht am eigenen Bilde“. Dabei macht
das Gesetz keinen Unterschied, ob das Bild bestellt
ist oder nicht, ob es sich um eine Aufnahme mit Zustim
mung der dargestellten Person oder um eine zufällige
Aufnahme oder um eine Reportageaufnahme, wie Kläger
die gegenständliche Aufnahme zu bezeichnen beliebt,
handelt. Sicherlich stehen auch solche Reportageauf
nehmen unter dem Schutze des § 13 Abs. 2 U.R.G.


Zur Entscheidung des vorliegenden Falles war
zu untersuchen, was unter „Ausübung des Urheberrech
tes“ im Sinne des § 13 Abs. 2 U.R.G. zu verstehen ist.
Unter den Worten „Ausübung des Urheberrechtes“ im
Sinne des § 13 U.R.G. sind nur solche Handlungen zu
verstehen, die „eine unter das Urheberrecht fallen
de Verfügung“ (siehe § 45 Zl. 3) darstellen (vgl.
Seiler, österr. Urheberrecht, Seite 52), das
heisst solche Verfügungen, die sich als Ausübung des
Inhaltes des Urheberrechtes, wie er im § 35 U.R.G.
umschrieben ist, darstellen (vgl. Seiler, ebendort).
Von der Ausübung des Inhaltes des Urheberrechtes
ist aber der Schutz des Urheberrechtes zu unterscheiden;
auch das Gesetz behandelt ja diese beiden Materien
getrennt.


Die Zustimmung des Dargestellten ist also für
solche Handlungen, die sich nicht als Ausübung des
Inhaltes des Urheberrechtes, sondern nur als Mass-
nahmen zum Schutze gegen Verletzungen des Urheberrech
tes darstellen, nicht erforderlich. Dies erhellt auch
aus Folgendem: Wäre die Zustimmung des Porträtierten
auch dann erforderlich, wenn der Urheber sein Urhe
berrecht nicht ausübt, sondern nur schützt, so könnte
der Dargestellte das Urheberrecht dadurch illusorisch
machen, dass mit seinem Einverständnis dritte Per
sonen Eingriffe in das Urheberrecht des Porträtierenden
begehen; dieser der Urheber könnte nichts unternehmen, um seine
Rechte zu wahren, weil der Dargestellte die Zustim
mung hiezu verweigert. Dies ist wohl sicher nicht
in der Absicht des Gesetzes gelegen.


Zu 3.): Die Berufung auf § 34 Zl. 1 U.R.G. ist
unzutreffend. Diese Gesetzesstelle findet nur dann
Anwendung wenn ein neues Werk geschaffen wird, wobei
eine schon bestehende Photographie als Vorwurf dient,
oder ein Werk in Anlehnung an eine bestehende Photo
graphie geschaffen wird. Dies ist hier nicht der Fall
und vom Beklagten auch gar nicht behauptet worden. Es
war nicht die vom Kläger verfertigte Photographie An
lass, beziehungsweise Vorbild für den Artikel. Es fehlt
sohin das Anwendungsgebiet für den § 34 Zl. 1 U.R.G.


Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg
auf § 34 Zl. 4 U.R.G. stützen, dieser Bestimmung zu
folge ist die Aufnahme einer Photographie bloss zur
Erläuterung des Textes in ein Schriftwerk nicht als
Eingriff in das Urheberrecht anzusehen. Das Gericht
hatte sich daher die Frage vorzulegen, ob dies im
gegenständlichen Falle zutreffe, musste dies aber ver
neinen.


Zwischen Photographie und Text besteht zwar ein
Zusammenhang; dies genügt aber noch nicht. Vielmehr
musste die Photographie auch zur Erläuterung des Tex
tes dienen, das heisst (vgl. Seiler, österr. Urheberrecht, Seite 121) „die Aufnahme … in das Schrift
werk muss dar um in begründet sein, dass sie zum Verständ
nisse, zur Erläuterung, zur Verdeutlichung des Textes
notwendig oder erforderlich ist.“


Dies trifft im gegenständlichen Falle nicht zu.
Der erwähnte Artikel handelt von dem in der Öffent
lichkeit zur Diskussion stehenden Vermögensverfall
Rothschilds; das Bild dagegen stellt Rothschild bei
einem Rennen dar. Zwischen Artikel und Bild besteht
eigentlich nur der Zusammenhang, dass es sich in
beiden um Rothschild handelt. Ein näherer Zusammenhang
fehlt. Es fehlt aber vor allem auch das Moment, dass
das Bild „zum Verständnisse, zur Erläuterung oder zur
Verdeutlichung des Textes notwendig oder erforderlich“
wäre. Der Text lässt sich genau so gut auch ohne das
Bild lesen und verstehen. Damit ist die Berufung auf
§ 34 ZI. 4 hinfällig.


Zu 4.): Abwegig ist auch der Hinweis auf
§ 25 ZI. 2 U.R.G.


Wenn man auch Photographien unter dem Begriff
„Skizzen und Zeichnungen“ unterordnet, so erscheint
doch vorliegendenfalls die Anwendung des § 25 ZI. 2U.R.G. ausgeschlossen.


Als „grösseres Ganzes“, in welches die Auf
nahme der Photographie erfolgt ist, ist nach Ansicht
des Gerichtes nicht die Zeitschrift „Die Fackel
als solche, sondern der gegenständliche Artikel anzu
sehen. Dass dieser kurze, nur 67 Zeilen umfassende
Artikel nicht als „grösseres Ganzes“ anzusehen ist,
liegt wohl auf der Hand.


Es würde aber euch an der Sachlage nichts ändern,
wenn man als das „grössere Ganze“, in welches die
Aufnahme erfolgt ist, nicht den einzelnen Artikel, son
dern die „Fackel“ als solche ansieht. Die Bestimmung
des § 25 ZI. 2 U.R.G. gibt nur zu Gunsten wissenschaft
licher Werke, nicht aber auch der übrigen literarischen
Werke. Als wissenschaftliches Werk im Sinne des § 25ZI. 2 U.R.G. kann weder der klagegegenständliche Artikel
noch auch die Zeitschrift „Die Fackel“, auch ange
sichts des Umstandes, dass zum grossen Teil darin
Zeitkritik geübt wird, angesehen werden.


Wenn schliesslich Beklagter noch darauf hinwies,
dass er in einem ähnlichen Falle im Jahre 1915 obsiegte,
so muss dem entgegengehalten werden, dass das Gericht
an andere Entscheidungen nicht gebunden ist.


Es war daher dem Klagebegehren stattzugeben.


Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41ZPO.


Landesgericht für ZRS. Wien,
Abt.16, am 28.12.1931.
König


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