16 Cg 552/31
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Im Namen der Republik!
Das Landesgericht für ZRS. Wien hat durch den
Landesgerichtsrat Dr. Franz Biack als
Einzelnrich
ter in der Rechtssache der klagenden Partei LotharRübelt, Photograph in Wien I, Wollzeile 14, vertreten
durch Dr. Ernst Uzel, RA. in Wien I, Augustinerstrasse 12,
wider die beklagte Partei
Karl Kraus, Eigentümer,
Herausgeber und
verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift
„die Fackel“ in Wien III, Hintere Zollamtsstrasse 3,
vertreten durch Dr. Oskar Samek,
RA. in Wien I, Schottenring 14,
wegen Verletzung des Urheberrechtes zu Recht
erkannt:
Der Beklagte ist schuldig, das
Ur
heberrecht
des Klägers an der in der
Zeitschrift „Die Fackel“
Nr.857bis 863
August 1931 XXXIII. Jahr auf
Seite 106 erschienen Photographie
mit der Unterschrift: Rothschilds
„Dagger“ nur Zweiter!
Photo Rübelt,
beziehungsweise das
Nichtbestehen
eines
Rechtes des Beklagten auf Ver
öffentlichung dieser Photographienach
bildung
anzuerkennen und jeden Ein
griff in das Urheberrecht des Klägers zu
unterlassen.
Der Beklagte ist weiters
schuldig,
der klagenden Partei die
mit 195 S 94 g bestimmten
Prozesskosten
binnen 14
Tagen bei sonstiger Exekution
zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Unbestritten ist:
Der Kläger, der das photographische Gewerbe als
Sport-, Gesellschafts-, und
Industriephotograph be
treibt, hat anlässlich des Wiener Derby 1931 auf dem
Rennplatze
Reportageaufnahmen gemacht, dabei auch
zufällig den
Rennstallbesitzer Alphons Rothschild por
trätiert, ohne
dass dieser um seine Zustimmung zur Auf
nahme oder zur
Veröffentlichung der Aufnahme gefragt
wurde. Die Aufnahme wurde
zur Veröffentlichung in
einige illustrierte Blätter, darunter auch an die
„Bühne“ vom Kläger abgegeben, welche in ihrer Nummer306
(Juni 1931) auf Seite 26 die genannte Aufnahme
mit der Unterschrift „Rothschilds
‚Dagger‘ – nur
Zweiter!
Photo Rübelt“ brachte.
Der Beklagte hat nun in seiner
Zeitschrift
„Die
Fackel“, Augustheft 1931, Nr. 857 bis 863,
XXXIII. Jahr, auf Seite 106
die genannte Aufnahme
verkleinert, mit derselben Unterschrift im Anschluss
an einen Artikel „Rothschild muss sich einschränken“
veröffentlicht, ohne hiezu
eine Zustimmung des Klägers
eingeholt
zu haben.
Hierin erblickt der Kläger eine Verletzung
seines Urheberrechtes an der
klagegegenständlichen
Photographie und stellte das im Urteilsspruche angeführte
Klagebegehren.
Der Beklagte beantragte die
kostenpflichtige Ab
weisung des Klagebegehrens und brachte vor:
1.) Das Klagebegehren sei
verfehlt, weil es das
einer
Feststellungsklage sei. Nun habe der Kläger
ein
rechtliches Interesse
an der alsbaldigen Feststellung
des Rechtes weder behauptet,
noch ein solches begrün
det.
Weiter klage der Kläger auf Unterlassung jeden Eingrif
fes in das
Urheberrecht. Auch dies sei verfehlt, weil
nur ein einziger Eingriff in
das Urheberrecht zur
Diskussion stehe, nämlich ob die Veröffentlichung des
Photographieporträts im
Zusammenhang als Zitierung nach
dem Gesetze erlaubt oder
unerlaubt gewesen sei; ferner
weil diese Veröffentlichung schon erfolgt sei und daher
die Unterlassungsklage zu
spät komme. Eine Unterlassungs
klage wäre nur dann zulässig, wenn eine künftige
Störung zu befürchten wäre,
was Kläger aber weder be
hauptet, noch
unter Beweis stelle.
2.) Dem Kläger stehe ein Urheberrecht an der
klagsgegenständlichen
Photographie gar nicht zu. Die
vom Kläger gemachte Repotageaufnuhme sei ein
Photo
graphieporträt. Gem. § 13 Abs. 2 des U.R.G. sei die
Ausübung des Urheberrechtes
in allen Fällen an die
Zustimmung der dargestellten Person oder ihrer Erben
gebunden. Kläger gebe nun selbst zu, dass der
Porträtierte Alphons Rothschild die Zustimmung zur
Aufnahme, Ausübung des
Urheberrechtes und Erhebung der
Klage nicht gegeben habe.
3.) Aber selbst wenn dem Kläger ein Urheberrecht
zustehen sollte, so liege
ein unbefugter Eingriff in das
Urheberrecht des Klägers überhaupt nicht vor,
denn die
Veröffentlichung der
Photographie in Verbindung mit dem
erwähnten Zeitungsartikel stelle sich als
Bes
S
chaffung
eines neuen
Werkes unter freier Benützung eines Werkes
der bildenden Künste,
beziehungsweise einer Photographie
dar und sei daher gem. § 34 Zl. 1 und § 36 U.R.G.
nicht
als Eingriff in das Urheberrecht anzusehen;
Überdies liege aber auch
wegen § 34 Zl. 4 in Verbindung
mit § 36 U.R.G. kein Eingriff in das Urheberrecht des
Klägers vor, weil die Aufnahme eines Werkes der bil
denden Künste,
beziehungsweise einer Photographie
bloss zur Erläuterung des
Textes in ein Schriftwerk
gem. den zitierten Gesetzesstellen unter Quellenangabe
gestattet sei.
4.) Weiter liege aber auch
wegen § 25 ZI. 2 U.R.G.
keine Verletzung des Urheberrechtes vor. Die Photographie
sei in einer Zeitschrift
erschienen und dadurch
zu
einem Werke der Literatur geworden. Nach § 25 Zl.2 U.R.G.
sei die Aufnahme einzelner erschienener
Werke oder einzelner Skizzen
oder Zeichnungen aus
einem
solchen Werke in einem durch den Zweck gerecht
fertigten Umfang
in ein grösseres Ganzes, wenn sich
dieses nach seinem
Hauptinhalte als ein selbständiges
wissenschaftliches Werk
darstellt, nicht als Nachdruck
anzusehen; der Entlehner habe nur den Urheber oder
die benützte Quelle
anzugeben. Die in der „Fackel“
durch 32 Jahre geübte
Zeitkritik stelle sich als ein
selbständiges wissenschaftliches Werk dar.
Der vorliegende Rechtsfall
sei auch schon im Jahre 1915
in einem zu G.Zl. 1 Vr II 4716/14 des Landesgerichtesfür
Strafsachen Wien I gegen den Beklagten geführten
Strafverfahren wegen
Verletzung des Urheberrechtes ent
schieden worden.
Vorgelegt wurde von der klagenden
Partei
sub ./B das
die Abbildung enthaltende Blatt der
Zeitschrift „Die Bühne“ und der Zeitschrift
„Die Fackel“,
sowie
sub ./B 1 der
Originalfilmstreifen der Aufnahme.
Die beklagte Partei hat die
vorgelegten Urkunden
als echt
anerkannt.
Aus dem vom Beklagten
selbst zugegebenen Sach
verhalt ergibt sich, dass Beklagter einen
unbefugten
Eingriff im
Sinne des § 21 U.R.G. begangen hat, da er
ohne Zustimmung des Urhebers
eine durch das U.R.G.
dem
Urheber ausschliesslich vorbehaltene Verfügung
über das Werk durch die
oberwähnte Veröffentlichung
in der Zeitschrift „Die Fackel“
getroffen hat.
Die rechtlichen Einsendungen
des Beklagten
waren
nicht geeignet, das
Klagebegehren mit Erfolg abzuweh
ren.
Zu 1.): Die Einwendung im
Hinblick auf § 228ZPO. ist
nicht berechtigt.
Die gegenständliche Klage
stellt sich als
sogenannte
Negatorienklage dar. Der Klagegrund ist
das Urheberrecht und der vom
Beklagten
begangene Ein
griff. Der Kläger begehrt Anerkennung seines
Urheber
rechtes und die Unterlassung eines jeden Eingriffes in
dasselbe. Das Klagebegehren
stützt sich auf § 54 U.R.G.
welcher
ausdrücklich dem Urheber die Befugnis erteilt,
beim Zivilrichter auf
Anerkennung seines Urheberrechtes
sowie Unterlassung eines
jeden Eingriffes zu klagen,
ohne das Klagerecht an die besondere Voraussetzung
des § 228 ZPO. zu binden und ohne Rücksicht darauf, ob
die Gefahr weiterer
Eingriffe seitens des Beklagten
besteht oder nicht besteht.
Da der Kläger das Urheber
recht und einen
Eingriff seitens des Beklagten behaup
tet, war das
Klagebegehren formell zulässig.
Im übrigen mussten auch die
Voraussetzungen des
§ 223b ZPO. angesichts des behaupteten Eingriffes in das
Urheberrecht als gegeben
angenommen werden.
Zu 2.) Auch die zweite Einwendung,
gestützt auf
§ 13 U.R.G., ist nicht stichhältig.
Es ist unbestritten, dass
die klagsgegenständ
liche Aufnahme eine zufällige Aufnahme ist, die auf dem
Rennplatze gemacht wurde,
dass also eine Zustimmung
des
Abgebildeten nicht eingeholt wurde,
desgleichen
dass auch zur
Veröffentlichung eine Zustimmung nicht
eingeholt worden ist. Was
die Erhebung der Klage anbe
langt, so muss festgestellt werden, dass sie ohne Zu
stimmung des Porträtierten erfolgt ist , beziehungs
weise, dass klagende Partei eine solche Zustimmung
weder behauptet, noch unter
Beweis stellt. Der Kläger
brachte in rechtlicher
Beziehung vor, dass es sich um
eine Reportageaufnahme handelt, die nicht den Bestim
mungen des § 13 U.R.G. unterliege, daher eine Zustim
mung des
Abgebildeten zur Veröffentlichung nicht not
wendig sei; dass
sie aber dies auch im Falle des § 13 Abs. 2U.R.G.
nicht notwendig sei, weil gegebenen Falls kein
Eingriff in
das Urheberrecht nicht vorliege.
§ 13 Abs. 2 U.R.G. bestimmt, dass bei Photographie
porträts die
Aushebung des Urheberrechtes nicht in
allen
Fällen an die Zustimmung der
dargestellten Person oder
ihrer Erben gebunden ist. Es statuiert neben dem Ur
heberrecht noch
ein vom Urheberrecht durchaus unabhän
giges
Persönlichkeitsrecht der dargestellten Person, das
sogenannte „Recht am eigenen
Bilde“. Dabei macht
das Gesetz keinen
Unterschied, ob das Bild bestellt
ist oder nicht, ob es sich
um eine Aufnahme mit Zustim
mung der dargestellten Person oder um eine zufällige
Aufnahme oder um eine
Reportageaufnahme, wie Kläger
die gegenständliche Aufnahme
zu bezeichnen beliebt,
handelt. Sicherlich stehen auch solche Reportageauf
nehmen unter dem
Schutze des § 13 Abs. 2 U.R.G.
Zur Entscheidung des
vorliegenden Falles war
zu
untersuchen, was unter „Ausübung des Urheberrech
tes“ im Sinne des § 13 Abs. 2 U.R.G. zu verstehen ist.
Unter den Worten „Ausübung des Urheberrechtes“ im
Sinne des § 13 U.R.G. sind nur solche Handlungen zu
verstehen, die „eine unter das Urheberrecht fallen
de Verfügung“ (siehe § 45 Zl. 3) darstellen (vgl.
Seiler, österr.
Urheberrecht, Seite 52), das
heisst solche Verfügungen,
die sich als Ausübung des
Inhaltes des Urheberrechtes, wie er im § 35 U.R.G.
umschrieben ist, darstellen (vgl. Seiler,
ebendort).
Von der
Ausübung des Inhaltes des Urheberrechtes
ist aber der Schutz des
Urheberrechtes zu unterscheiden;
auch das Gesetz behandelt ja
diese beiden Materien
getrennt.
Die Zustimmung des
Dargestellten ist also für
solche Handlungen, die sich nicht als Ausübung des
Inhaltes des Urheberrechtes,
sondern nur als Mass-
nahmen zum Schutze gegen
Verletzungen des Urheberrech
tes darstellen, nicht erforderlich. Dies erhellt auch
aus Folgendem: Wäre die
Zustimmung des Porträtierten
auch dann erforderlich, wenn der Urheber sein Urhe
berrecht nicht
ausübt, sondern nur schützt, so könnte
der Dargestellte das
Urheberrecht dadurch illusorisch
machen, dass mit seinem
Einverständnis dritte Per
sonen Eingriffe in das Urheberrecht des Porträtierenden
begehen;
dieser
der Urheber
könnte nichts unternehmen, um seine
Rechte zu wahren, weil der
Dargestellte die Zustim
mung hiezu verweigert. Dies ist wohl sicher nicht
in der Absicht des Gesetzes
gelegen.
Zu 3.): Die Berufung auf § 34 Zl. 1 U.R.G. ist
unzutreffend. Diese Gesetzesstelle findet nur dann
Anwendung wenn ein neues
Werk geschaffen wird, wobei
eine schon bestehende Photographie als Vorwurf dient,
oder ein Werk in Anlehnung
an eine bestehende Photo
graphie geschaffen wird. Dies ist hier nicht der Fall
und vom Beklagten auch gar nicht
behauptet worden. Es
war
nicht die vom Kläger verfertigte Photographie
An
lass,
beziehungsweise Vorbild für den Artikel. Es fehlt
sohin das Anwendungsgebiet
für den § 34 Zl. 1 U.R.G.
Der Beklagte kann sich auch
nicht mit Erfolg
auf § 34 Zl. 4 U.R.G. stützen, dieser Bestimmung zu
folge ist die
Aufnahme einer Photographie bloss zur
Erläuterung des Textes in
ein Schriftwerk nicht als
Eingriff in das Urheberrecht anzusehen. Das Gericht
hatte sich daher die Frage
vorzulegen, ob dies im
gegenständlichen Falle zutreffe, musste dies aber ver
neinen.
Zwischen Photographie und
Text besteht zwar ein
Zusammenhang; dies genügt
aber noch nicht. Vielmehr
musste die Photographie auch zur Erläuterung des Tex
tes dienen, das
heisst (vgl. Seiler, österr. Urheberrecht,
Seite 121) „die Aufnahme … in das Schrift
werk muss dar
um
in
begründet sein, dass sie zum Verständ
nisse, zur
Erläuterung, zur Verdeutlichung des Textes
notwendig oder
erforderlich ist.“
Dies trifft im
gegenständlichen Falle nicht zu.
Der erwähnte Artikel handelt
von dem in der Öffent
lichkeit zur Diskussion stehenden Vermögensverfall
Rothschilds; das Bild dagegen stellt Rothschild bei
einem Rennen dar. Zwischen
Artikel und Bild besteht
eigentlich nur der
Zusammenhang, dass es sich in
beiden um Rothschild handelt. Ein näherer
Zusammenhang
fehlt. Es
fehlt aber vor allem auch das Moment, dass
das Bild „zum Verständnisse,
zur Erläuterung oder zur
Verdeutlichung des Textes notwendig oder erforderlich“
wäre. Der Text lässt sich
genau so gut auch ohne das
Bild lesen und verstehen. Damit ist die Berufung auf
§ 34 ZI. 4 hinfällig.
Zu 4.): Abwegig ist auch der
Hinweis auf
§ 25 ZI. 2 U.R.G.
Wenn man auch Photographien
unter dem Begriff
„Skizzen und
Zeichnungen“ unterordnet, so erscheint
doch vorliegendenfalls die
Anwendung des § 25 ZI. 2U.R.G.
ausgeschlossen.
Als „grösseres
Ganzes“, in welches die Auf
nahme der
Photographie erfolgt ist, ist nach Ansicht
des Gerichtes nicht die
Zeitschrift „Die Fackel“
als solche, sondern der
gegenständliche Artikel anzu
sehen. Dass dieser kurze, nur 67 Zeilen umfassende
Artikel nicht
als „grösseres
Ganzes“ anzusehen ist,
liegt wohl auf der Hand.
Es würde aber euch an der
Sachlage nichts ändern,
wenn
man als das „grössere Ganze“, in welches die
Aufnahme erfolgt ist, nicht
den einzelnen Artikel, son
dern die „Fackel“
als solche ansieht. Die Bestimmung
des § 25 ZI. 2 U.R.G. gibt nur zu Gunsten wissenschaft
licher Werke,
nicht aber auch der übrigen literarischen
Werke. Als
wissenschaftliches Werk im Sinne des § 25ZI. 2 U.R.G.
kann weder der klagegegenständliche Artikel
noch auch die Zeitschrift
„Die Fackel“, auch ange
sichts des
Umstandes, dass zum grossen Teil darin
Zeitkritik geübt wird,
angesehen werden.
Wenn schliesslich Beklagter noch
darauf hinwies,
dass er in
einem ähnlichen Falle im Jahre 1915 obsiegte,
so muss dem entgegengehalten
werden, dass das Gericht
an andere Entscheidungen
nicht gebunden ist.
Es war daher dem
Klagebegehren stattzugeben.
Die Kostenentscheidung
gründet sich auf § 41ZPO.
Landesgericht für ZRS. Wien,
Abt.16, am 28.12.1931.
König