Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich bekenne mich zum Empfang
Ihres Schreibens vom 18. ds.Mts. und
habe dazu und zu dem Schriftsatz des
Herrn Landsberg das Folgende zu erwidern.
Es wurde von Ihnen
missverständlich die Be
hauptung des Schriftsatzes dahin ausgelegt, dass Herr Kraus
von Herrn Landsberg direkt eine Ausfertigung des Beschlusses
am 17. Februar (soll richtig
heissen 17. Januar) erhalten hat.
Herr Landsberg schliesst nur aus der Tatsache,
dass ihm die
ser Beschluss am 16. Januar zugegangen ist, es müsse Herr Kraus
am 17. Januar in dessen Besitz
gewesen sein. Dies ist aber unrich
tig; wie sich ja aus dem
Rückschein oder bei der Post erheben
liesse, erfolgte die Zustellung
des Beschlusses, wie ich Ihnen
schon mitgeteilt habe, erst am 9.
Februar 1932.
Zu den weiteren Ausführungen des
Herrn Landsberg wäre zu sagen, dass
es eine perfide Erfindung ist, Herrn
Kraus den Vorwurf
zu machen, er habe versucht, „Menschen, die
mit dem Prozess
auch nicht das Mindeste zu tun haben, hineinzuziehen,
nur in der offenbaren Absicht,
sie blosszustellen“. Herr Kraus
wurde davon unterrichtet, dass
sowohl Herr Weismann, wie die
als Zeugin geführte Schauspielerin Tatzeugen von Umständen
waren, die das Prozessthema
bildeten, was ja auch sehr leicht
möglich war, da sie vor dem Unfrieden mit Herrn Kerr schon
wegen der
nahen Beziehungen zu diesem Kenntnis von mancherlei
Tatsachen erhalten haben konnten,
die das Leben des Herrn Kerr
betreffen. Ich glaube, es wäre
aufs Schärfste zurückzuweisen,
dass Herr Landsberg, der ja zu seiner Verteidigung
alles
Wahre und Unwahre
heranziehen darf, die Gelegenheit benützt,
um Herrn Kraus neuerlich zu
beleidigen, und davon spricht, es
sei irgend etwas, was Herr Kraus getan habe, als „würdelos“ zu
bezeichnen oder es habe ihn eine
„perfide Handlungsweise“
empört. Man ersieht daraus auch,
dass Herr Landsberg gar nicht
in der Lage ist eine
Prozessführung sachlich zu behandeln,
denn wenn es noch verständlich
wäre, dass die Prozessparteien
selbst sich in der Aufregung zu manchem hinreissen lassen, so
kann man dies keinesfalls auch
von dem Parteienvertreter ver
stehen, der die Verpflichtung
hat, objektiver Sachwalter zu
sein. Ich weiss nicht, ob es eine ähnliche Bestimmung in der
deutschen Anwaltsordnung, wie sie
die österreichische kennt, gibt,
die ausdrücklich bestimmt, der Anwalt sei befugt, alles was
er nach dem Gesetz zur Vertretung
seiner Parteien für dienlich
erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidi
gungsmittel in jeder Weise zu
gebrauchen, welche seiner Voll
macht, seinem Gewissen und den
Gesetzen nicht widerstreiten.
Beleidigungen widerstreiten den Gesetzen und gehören nicht zu
jenen Angriffs- und
Verteidigungsmitteln, die den Gesetzen ent
sprechen.
Was den Vorwurf des Herrn Landsberg betrifft,
Herr Kraus sei dafür
bekannt, dass er seine Widersacher in der
ungeheuerlichsten Weise zu
schmähen pflege, so ist dazu zu
erwidern, dass dies vielleicht der Fall ist, aber dass Herr
Kraus dafür auch
stets die Verantwortung im Gerichtssaal auf
sich genommen und den
Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen
angetreten hat, was ja auch Herrn
Landsberg möglich ist. Er
hat sich keinesfalls je auf eine
Notverordnung berufen, um
sich
einer Verantwortung zu entziehen. Dass Leute, die Herr
Kraus in der Fackel angegriffen hat, mit Tätlichkeiten
ant
worteten, ist
nicht darauf zurückzuführen, dass sie sich durch
die beleidigenden Aeusserungen
dazu verleiten liessen, sondern,
dass ihnen die Wahrheit der von Herrn Kraus mitgeteilten
Tat
sachen
unangenehm war. Ich übersende Ihnen die Durchschrift
einer Klage an das Strafbezirksgericht I in Wien, aus dem Sie
den Sachverhalt, der diesen
Behauptungen zu Grunde liegt, ent
nehmen können. Es dürfte auch
nicht unwichtig sein, dass alle
diese Vorfälle 38. bis 27. Jahre zurückliegen und vielleicht mag
es das Gericht
interessiert, dass der verantwortliche Redakteur
des „Neuen Wiener Journals“ zu S 200.– Geldstrafe verurteilt
wurde, weil er die pflichtgemässe
Obsorge vernachlässigt hatte
und
die Aufnahme der inkriminierten Stelle nicht verhinderte.
Es ist auch richtig, dass der
Schriftsteller
Pfemfert Herrn Kraus früher einmal
als den meistgeohrfeigten
Mann
von Wien bezeichnet hat. Er hat diese Aeusserung
zurück
gezogen und
sie bereut. Es ist aber vollständig unrichtig, dass
Herr Kraus und Pfemfert jetzt intime Freunde sind. Die Be
hauptung, Kraus habe Maximilian Harden
früher als den grössten
Lügner
der Welt bezeichnet, während er jetzt eine Art Kultus
mit ihm betreibt, ist glatt
unwahr. Kraus hat
Harden
niemals
als grössten Lügner
der Welt bezeichnet, er hat ihn allerdings
wegen dessen publizistischer
Haltung heftig angegriffen. Er
treibt auch keinen Kultus mit ihm, sondern er hat lediglich
einen Ausspruch Hardens auf dem
Totenbett, der schon dieses
Umstandes wegen und bei logischer Erwägung den Stempel der
Wahrhaftigkeit an sich trägt,
verwertet.
Herr Landsberg beschwert sich in dem
Schriftsatz auch darüber, es habe Herr Kraus seine „völlig
sachlichen
Ausführungen“ durch lautes Gelächter unterbrochen.
Herr Kraus ist sich
nicht bewusst, zu den Ausführungen des
Herrn Landsberg laut gelacht zu haben, es ist aber möglich,
dass er zu diesen Ausführungen
gelächelt hat, besonders,
wenn
sie ebenso sachlich waren wie sein Schriftsatz, dessen
Argumentationen in dem Glauben
schliessen, nicht die
Empfindlichkeit habe Herrn Kraus zur Privatanklage veranlasst,
sondern das „ihm eigene
Bedürfnis nach Sensationen“. Die
Argumentationen des Herrn Landsberg und ein Prozess mit ihm
bedeuten für Herrn Kraus gewiss keine
Sensation, wohl aber
Anlass zur
Heiterkeit.
Die eingesendete Durchschrift
der Klage
erbitte ich mir zurück.
Ich zeichne mit herzlichen
Grüssen
Ihr ergebener Kollege
1 Beilage.