Sehr geehrter Herr!
Wir bestätigen mit dem besten
Dank den Empfang Ihres freund
lichen Schreibens vom 3. Februar und haben dazu das folgende zu
bemer
ken: Ihre
Befürchtung, daß Sie die Probendispositionen nicht so treffen
könnten, wie es die Rücksicht auf
einen so prominenten Gastregisseur
erfordern würde – Herr Karl Kraus muß mit allem
Dank für die freundli
che Ansicht, diese Titulatur ablehnen, teils weil er den Begriff „pro
minent“ an
und für sich verpönt, teils weil er damit in eine Gesell
schaft von hervorragenden
Dilettanten gebracht wird –, diese Ihre Be
fürchtung scheint uns in einem
krassen Widerspruch einerseits zu der
Tatsache zu stehen, daß ja doch
Proben stattfinden müssen, anderseits
zu Ihrer ursprünglichen
Einladung, den letzten Proben beizuwohnen und
auf sie künstlerischen Einfluß zu
nehmen. Herr Karl Kraus hat keines
wegs zu erkennen gegeben, daß er
der Schwierigkeit, die Zeit zu erfah
ren, in der diese Proben
stattfinden und die ja doch irgendwie fest
stellbar sein dürfte,
auszuweichen wünsche und die Zumutung ablehne,
sich dem umständlichen Betrieb,
von dem Sie sprechen, anzupassen. Wir
haben infolgedessen eher den
Eindruck, daß Sie die Gründe, die Sie zu
einer solchen Rücksichtnahme
bestimmen, noch nicht deutlich angegeben
haben, und ersuchen Sie, dies
freundlichst so bald als möglich, am
besten telegraphisch,
nachzuholen. Wir haben Ihnen mit der ausdrückli
chen Versicherung, daß wir an
Ihrem guten Willen, das Werk nach
Kräften
herauszubringen, nicht
zweifeln, gesagt, daß Herr Karl Kraus bereit
ist, ohne materielle
Entschädigung und gegen Ersatz der Barauslagen an
einer stilgerechten Reproduktion
mitzuwirken, und Sie darauf aufmerksam
gemacht, daß sich seine
Arbeitszeit durch die Wiener Reise des Regisseurs wesentlich
abkürzen ließe. Wir mußten selbstverständlich an
nehmen, daß diese Reise auf Grund
unseres Vorschlages erfolgt ist.
Eine Einladung der Aufführung „inoffiziell“ beizuwohnen, wie der
Wunsch, Herrn Karl Kraus bei dieser Gelegenheit zu begrüßen, ist uns,
so gut gemeint dergleichen sein
mag, nicht verständlich. Wenn Herr
Karl Kraus der Aufführung inoffiziell beiwohnen
wird, so wird er zum
Publikum
gehören und sich zu diesem Zweck eine Eintrittskarte kaufen.
Wir ersuchen Sie, zur Kenntnis zu
nehmen, daß Herr Karl Kraus der
letzte ist, vor dem man mit
Redewendungen der Freundlichkeit und Erge
benheit einen Sachverhalt
verhüllen könnte. Sollten wir uns in der Ver
mutung einer solchen Absicht
getauscht haben, so möchten wir Ihnen ver
sichern, daß etwaige
Schwierigkeiten der Disposition ihn nicht abhal
ten könnten, eine für das
Gelingen der Aufführung sehr wesentliche Ar
beit, die er in zwei Proben
bewältigen kann, zu übernehmen. Wenn Sie
aus einem sachlichen Grund,
dessen Bekanntgabe wir erwarten, nicht in
der Lage sind, von seiner
Bereitschaft Gebrauch zu machen, so wird er
sich damit begnügen, die
Aufführung (in bezug auf innere wie äußere
Unversehrtheit des Werkes) zu kontrollieren oder zunächst
kontrollie
ren zu
lassen und falls sie seinen Wünschen, die unschwer zu erfüllen
waren, nicht entsprechen sollte,
die Verantwortung in der Form ableh
nen, daß er versuchen wird, die
Begeisterung, die er in
Prag mit dem Vortrag des Werkes
erregt hat und auf die Sie sich in einer
Pressenotiz berufen, noch einmal
zu wecken. Wir ersuchen Sie, uns umge
hend Nachricht zu geben, ob Sie
damit einverstanden sind, daß er unter
der bekanntgegebenen Bedingung an
den zwei letzten Proben mitwirke und
eventuell außerhalb dieser mit
den Schauspielern arbeite. Eine Genehmi
gung des erbetenen Nachdrucks im
Programmheft könnte erst erteilt werden,
wenn sich der Autor davon überzeugt hatte, daß die Aufführung dem in den
zitierten Sätzen enthaltenen
Gedanken nicht widerspricht.
Mit vorzüglicher Hochachtung
P.S. Wir senden Ihnen in der
Anlage einen gleichzeitig angelangten an
den „verehrlichen Verlag der Fackel“ adressierten aber einer
Dresdner
Adresse zugedachten
Brief, der Kc 40.– enthält, zurück.