Madame l’archiduc


Sehr geehrte Herren!


Wir danken Ihnen bestens für Ihre Zuschrift vom 29. Februar
und antworten zunächst, daß Herr Kraus natürlich gern zu einer Rück
sprache bereit ist, welche auch die Kontrolle der Prager Aufführung,
die Sie besuchen werden, fördern soll. Eine Erinnerung an alle die
Mängel, deren Beseitigung ihm fest versprochen wurde, könnte freilich
nur seine eigene Anwesenheit gewährleisten, wie ja auch nur er dann
festzustellen vermöchte, was an Üblem, gleich der Besudelung des Sex
tetts, zu den Werten der Aufführung hinzugekommen ist. Das im Wesentli
chen Problematische – nach dem Probeneindruck – ist in dem Schreibenvom 16. Febr. (an Direktion, Regisseur und Dirigenten) zusammengefaßt,
dessen Kopie wir beilegen und mit dessen Ausarbeitung Herr Kraus un
mittelbar nach der Prager Strapaze noch bemüht war. Daß er bis heute
nicht einmal die Anzeige des Empfangs erhalten hat, versteht sich –
ganz so wie der Umstand, daß bis heute auch kein Beleg der Programm
nachdrucke eingetroffen ist – von selbst bei einer Theaterbürokratie,
die ja noch weniger als die staatliche die Formen menschlichen Umgangs
anerkennt. Diese Erfahrung, an der Sie natürlich ebenso unschuldig wie
gegen sie machtlos sind, ist einer der Beweggründe zu dem Vorschlag,
den wir Ihnen heute machen wollen und zu dem uns vor allem die Erkennt
nis bestimmt, daß Sie mit dem besten Willen auch nicht imstande wären,
das geistige Recht des Autors gegen die Übergriffe des Theaterwesens
als solchen zu schützen.


Damit kommen wir zu dem Wunsche, den Sie im Schlußpassus
Ihrer Zuschrift aussprechen und der uns leider nicht ganz verständlich
ist. Sie sagen: „Wir glauben damit Ihrem Schreiben vom 29. in vollem
Umfange entsprochen zu haben und würden Ihnen dankbar sein, wenn Sie
uns dies bestätigen würden“. Wenn sich die Bestätigung nicht bloß auf
den Empfang der Antwort, sondern auch auf deren Inhalt beziehen soll,
so werden Sie unschwer einsehen, daß wir sie vorläufig nur so weit er
teilen könnten, als sie sich auf den von Ihnen ausdrücklich betonten
Glauben bezieht, daß Sie unserer Forderung durch die zweite Zuschriftan die Prager Direktion in vollem Umfange entsprochen haben. Diesen
Glauben bezweifeln wir keineswegs. Worum es sich jedoch Herrn Kraus han
delt und was doch schon unser Schreiben vom 26. mit größter Deutlichkeit
zum Ausdruck gebracht hat, ist der Anspruch auf eine solche Remedur, die
es dem Theater unmöglich macht, weiterhin jene gröbliche Entstellung des
Kunstwerks zu verüben, die ohne Wissen des Autors verübt wurde und für
die er von einem Publikum, dem seine Mitwirkung, ja sein Wohlgefallen
annonciert wurde, mit Recht ebenso verantwortlich gemacht wird wie für et
waige Vorzüge der Aufführung. Wir wiederholen, daß wir von Ihrem guten
Glauben, die Verwahrung gegen solche Möglichkeit und den Anspruch auf
Remedur des Übels nunmehr vorgebracht zu haben, nicht zweifeln. Wir dür
fen aber vielleicht noch zweifeln, ob die Art Ihres Vorbringens auch den
Wünschen des Textautors in vollem Umfange gerecht wird, solange Sie ihm
nicht durch Vorweisung des Schreibens, das Sie an die Theaterdirektion
gelangen ließen, die Beruhigung verschafft haben, daß, wenn er, wie vor
behalten, selbst an die Direktion heranträte, dem so berechtigten Ver
langen kein wirksamerer Ausdruck zuteil würde. Sie haben eingesehen, daß
ihre erste Erledigung einen Zweifel übrig ließ und einer wesentlichen
Ergänzung bedurft hat. Wenn es Ihnen, wie Sie nunmehr sagen, „selbstver
ständlich erscheint“, daß der autorrechtliche Schutz auch jene elende Zu
tat der Regie betrifft, so möchten wir darauf hinweisen, daß ja die Be
schwerde über eben diese den eigentlichen Inhalt unserer ersten Zuschrift
gebildet hat. Die verspätete Erledigung dürfte immerhin noch die Fort
setzung des Unfugs ermöglicht haben. Ein volles Gefühl der Sicherheit,
daß alles geschehen ist, um die Remedur zu erzielen, könnte Herr Kraus
nur haben, wenn er wüßte, in welcher Art Sie einen bis zur Selbstver
ständlichkeit erkannten Sachverhalt auch behandeln. Er macht kein Hehl
daraus, daß ihm die Vertretung seines geistigen Rechtes, wenn in jedem
Gebiete, so ganz besonders in dem seiner Offenbach-Arbeit, eine Angele
genheit bedeutet, die Zugeständnisse welcher Art immer ausschließt und
ganz und gar die Möglichkeit, daß er im Umkreis des eigenen Wirkens Din
ge geschehen lassen könnte, die er an der Praxis anderer tadelnswert
findet. Er möchte aber auch daraus kein Hehl machen, daß die bloße Ahnung
solcher Möglichkeit, ja auch nur der Notwendigkeit, zu ihrer Abwehr, zur
Durchsetzung des primitivsten geistigen Anspruchs, diese Korrespondenz
zu führen, ihn davor bewahrt hätte, die Offenbach-Bearbeitungen anders
als für den eigenen Zweck zu verwenden. Das Verständnis aber, das er für
seine Interessen fordert, versagt er den Ihrigen durchaus nicht, ja er
würde ohneweiters verstehen, daß ein legitimes geschäftliches Interesse
öfters der unerbittlichen Vertretung des geistigen Anspruches im Wege
steht und daß dann eine Unvereinbarkeit resultiert, aus der es keinen
andern Ausweg gäbe als die Trennung der Interessensphären. Gerade weil
er Ihren besten Willen und Ihre Bemühung anerkennt, dem geistigen An
spruch gerecht zu werden, möchte er Sie bitten, die Schwierigkeit zu
ermessen, die naturnotwendig für beide Teile erwachsen muß, und Ihnen
den Entschluß nahelegen, auf den weiteren Vertrieb der Offenbach-Bear
beitungen zu verzichten, angesichts der völligen Aussichtslosigkeit,
gegenüber dem heutigen Bühnenwesen die Prinzipien des Vertragsteilneh
mers zu vertreten und seinem Repräsentanten entweder Achtung vor Kunst
werten beizubringen oder es durchzusetzen, daß der Mitautor selbst für
deren Erhaltung tätig und verantwortlich sei.


Sollten Sie es aber vorziehen, in jedem einzelnen Fall, der
ruchbar wird, sein geistiges Recht gegen die Übergriffe eines respekt
losen Dilettantismus zu verteidigen, so wäre es unerläßlich, daß Sie
uns von der Art, in der Sie es tun oder zu tun beabsichtigen, Kenntnis
verschaffen. Daß wir ohne eine solche Ihnen nicht gut eine Erfüllung
des Anspruchs „in vollem Umfange“ bestätigen können, werden Sie gewiß
einsehen. Ihn in der vorliegenden Sache selbst zu vertreten, könnte
uns nur, und wird uns hoffentlich, durch die Mitteilung Ihrer Korres
pondenz mit dem Prager Theater, um die wir ersuchen, erspart bleiben.


Mit vorzüglicher Hochachtung
[Unterschrift]