Madame l’archiduc


Sehr geehrte Herren!


Auf Ihr Schreiben vom 14. März habe ich
Ihnen das Folgende zu antworten:


Sie haben die schon in den ursprünglichen
Vertrag aufgenommene Verpflichtung, den Bühnen mitzuteilen,
dass Aenderungen im Text oder in der Musik nicht ohne Zustimmung
des Herrn Karl Kraus vorgenommen werden dürfen, niemals erfüllt.
Sie haben dies auch nicht getan, nachdem Sie ausdrücklich zuge
sagt hatten, dies auf unseren ausdrücklichen Wunsch auf Grund
der Berliner Erfahrungen für alle künftigen Bühnenverträge vor
zunehmen.


Abgesehen von der Unmöglichkeit dieses
persönlichen Verh ä a lt nisses ens , ist durch diese Unterlassung die
Verletzung des Vertrages evident geworden.


Ich fordere Sie auf binnen 14 Tagen alle
notwendigen Schritte zu unternehmen, um sowohl die Essener- wie
die Prager-Bühnen zu zwingen, die vertrags- und urheberrechtswidrig
vorgenommenen Aenderungen rückgängig zu machen und dem Werk wieder
die Gestalt zu geben, die ihm der Textautor bestimmt hat.


Was Essen betrifft, so ist schon der Wider-
spruch zwischen der Ausrede des Telegramms und dem im offiziel
len Programm mit förmlichen Stolz mitgeteilten Sachverhalt offen
bar. Das in meinem Brief vom 11. berührte Problem, ob Ihr Herr
Dr. Heinsheimer am 5. März, nämlich im Zeitpunkt unseres Gespräches,
von dem Essener Geständnis bereits gewusst hatte (was wir noch
immer bezweifeln), bedarf einer direkten Stellungnahme, damit
Ihr freundliches Anbot, ob Herr Kraus wünsche, dass Sie ihm
persönlich über die Berliner Verhandlungen berichten, beant
wortet werden kann.


Was Ihren Wunsch betrifft, eine Bestätigung
zu erhalten, dass Herr Karl Kraus mit der Lösung des Vertrages
mit der Städtischen Oper in Berlin einverstanden ist, so wird
dieses Einverständnis selbstverständlich gerne erteilt, da ja
die Lösung auf seinen ausdrücklichen Wunsch erfolgt ist, und
auf sämtliche Bühnen Deutschlands und Oesterreichs ausgedehnt.
Er erklärt in aller Form, dass er es satt hat, sich von
Dilettanten in seinem geistigen Recht verkürzen zu lassen, in
jedem einzelnen Fall, in dem es geschieht, seine Zeit und Arbeit
an die Bereinigung vergeuden zu müssen und auch noch die persönliche
Manierlosigkeit einer von dem ihm nach Gebühr eingeschätzten Theater
bürokratie hinzunehmen. Es ist sein sehnlichster Wunsch, ein Verhältnis
zu lösen, das ihm nicht nur nicht gegen die Beeinträchtigung der
gegenständlichen künstlerischen Arbeit schützt, sondern auch
durch die Notwendigkeit der jedesmaligen Remedur in seiner sonsti
gen Arbeit beeinträchtigt.


Dr. Samek