Abschrift.
Sehr geehrter Herr Kollege!
Ihr Schreiben vom 30. April l.J. habe ich
erhalten und wende mich
unter Einem an meine Mandantin wegen
Bekanntgabe der Modalitäten,
unter denen die Auflösung des
Vertrages stattzufinden hätte.
Auf den übrigen Inhalt Ihres
Schreibens
heute einzugehen, ist daher
für mich kein Anlass.
Nur das eine möchte ich
richtigstellen, dass
ich in
meinem telefonischen Gespräch mit Ihnen wohl der An
schauung Ausdruck gegeben
habe, dass die Universal-Edition
die Stücke überhaupt nicht
angebracht hätte, wenn sie die
Klausel hineingenommen hätte, dass absolut jede noch so ge
ringfügige Aenderung
untersagt sei. Hingegen habe ich nicht
eine Bemerkung des Inhaltes
gemacht, dass dies der Grund sei,
weshalb die Universal-Edition die Bestimmung, es seien Aende
rungen im Text
und an der Musik nur mit Zustimmung des Herrn
Karl Kraus zulässig, in den Vertrag mit den Bühnen nicht
auf
genommen habe. Ich
habe keinerlei Kenntnis darüber, warum die
gewünschte Bestimmung nicht
in der von Herrn Karl Kraus viel
leicht erwarteten Form in
den Vertrag aufgenommen wurde. Ich
war daher auch nicht in der
Lage, die Gründe für die Nicht-
aufnahme jener Klausel in
den Vertrag anzugeben. Ich habe
lediglich meiner Vermutung Ausdruck gegeben,
dass
vielleicht deswegen die Bestimmung in den Vertrag nicht
auf
genommen
wurde, weil sonst die Stücke unanbringlich gewesen
wären.
Es ist daher auch Ihre
Schlussfolgerung,
dass
die Universal-Edition bewusst und in der
Hoffnung, HerrKraus werde „ihr
nicht darauf kommen“, den Vertrag nicht
erfüllt habe, eine absolut
unzutreffende. Eine solche Schluss
folgerung wäre auch schon
deswegen verfehlt, weil ja der Autor
auch dann gegen
Entstellungen seines Werkes geschützt ist, wenn
eine solche Klausel im
Vertrag nicht enthalten ist.
Was das Intermezzo mit Ihrer
Kanzleibeamtin
betrifft, von dem Sie am
Schlusse Ihres Briefes mir Mitteilung
machen, so bin ich
überzeugt, dass Herrn Dr. Heinsheimer es ge
wiss ferne
gelegen ist, Ihr Fräulein unwirsch zu
behandeln.
Es liegt gar
nicht in der Tonart der Universal-Edition,
in der
durchwegs
hochgebildete und kultivierte Personen tätig sind,
sich gegen Angestellte oder
gar gegen die Kanzlei eines Ver
tragspartners unhöflich zu
benehmen.
Ich hoffe Ihnen in wenigen
Tagen eine meri
torische Antwort zukommen lassen zu können und zeichne
mit kollegialer
Hochachtung
Dr. Scheu m.p.