Sehr geehrter Herr Kraus!


Verzeihen Sie es mir, – als einem Ihnen völlig Unbekannten – wenn
ich mir erlaube, diese Zeilen an Sie zu richten, – deren Ursache
die tötliche Angst um das Leben eines geliebten Menschen ist. –
Meine Schwester Alice Lach, durch den Umsturz in Deutschland um Brot
und Engagement gebracht, lebt seit längerer Zeit hier in Wien in Not
und Elend. – Seit Monaten ohne Verdienst, versucht sie nun als letzten
Rettungsanker sich in der Filmbranche zu betätigen und hat vermöge
ihrer schriftstellerischen Begabung tatsächlich Aussichten in abseh
barer Zeit auf diesem Gebiete zu Verdienst zu kommen; – ihre physi
schen Kräfte jedoch, sind durch monatelange Entbehrungen, durch Hunger
und durch die Unmöglichkeit, sich auch nur die bescheidenste Kleidung
anzuschaffen, derart gebrochen, dass sie sich mit Selbstmordabsichten
trägt, deren Ausführung ihrer Energie ohneweiters zuzutrauen ist. –


Unfähig, entsprechend helfen zu können, da ich für meine
Frau zu sorgen und nur ein sehr bescheidenes Einkommen habe, wende
ich mich in meiner Ratlosigkeit an Sie, weil ich Kenntnis davon habe,
dass Sie meiner Schwester vor Jahren anlässlich einer schweren Erkran
kung in unvorstellbar gütiger Weise beigesprungen sind. – Ob sich diese
Ihre Einstellung zu meiner Schwester im Laufe der Jahre geändert hat,
entzieht sich meiner Beurteilung, – eines steht jedoch fest, – dass das
Leben dieses guten Menschen in äusserster Gefahr schwebt und da, müs
sen Sie es eben schon vielmals entschuldigen, wenn dieser Brief über
haupt und natürlich ganz ohne Kenntnis meiner Schwester geschrieben
wurde, auch auf die Gefahr hin, von Ihnen ein Refus auf allen Linien
zu erhalten. –


Vielleicht können Sie mit Rat oder Tat helfen, um das Aergste zu ver
hüten. –


Indem ich Sie bitte, diese Zeilen und ihre Ursache streng diskret zu
behandeln, empfehle ich mich Ihnen


in vorzüglicher Wertschätzung
als Ihr ganz ergebener
Ing. Lach