An das
Zivilbezirksgericht Prag-Ost,
Prag.
Kläger: Karl Kraus, Eigentümer und Herausgeber
der Zeitschrift „FACKEL“ in Wien,
vertreten durch:
Beklagte: Dr. Marie Schnierer, Herausgeber und
verantwortlicher Redakteur
der Wochenschrift
„DER GEGENANGRIFF“, Prag XI., Biskupcova Nc. 1719
KLAGE
gemäss § 1330 A.B.G.B.
Wert des
Streitgegenstandes
Kč
5.000.–
Zweifach
Vollmacht, Rubrik.
Der Kläger ist Herausgeber der
in Wien erschei
nenden
Zeitschrift „Die Fackel“. Die in
dieser Zeitschrift
erschienenen Publikationen
sind zum Teil auch in Buchform
herausgegeben worden. Diese Bücher wurden vom Kläger einzelnen
Buchhandlungen zum Verkaufe
in Kommission übergeben. In letzter
Zeit wurde der Bücherbestand
des Klägers,
der sich bei einem
Leipziger
Kommissionär befunden hat, dem Verlage Melantrich
A.G., Prag II., in Generalkommission übergeben und dieser
Verlag hat in einigen Prager
Tageszeitungen der interessierten
Oeffentlichkeit durch ein
Inserat davon Mitteilung gemacht.
Beweis: Die betreffenden Inserate, Zeugenaussage
des
Verlagsdirektors, dessen Name und Adresse
bekanntgegeben werden.
In No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“,
deren Herausgeberin und
verantwortliche Redakteurin die
Beklagte ist, wurde in der
Rubrik „Bemerkungen“ folgende
Notiz veröffentlicht: „Karl Kraus im Ausverkauf. Nach dem
politischen Freitot von
Karl
Kraus, über den wir vor
einiger Zeit
berichteten, wird jetzt sein literarischer
Nachlass im Ramsch verkauft. Prager Zeitungen
bringen
folgendes
Inserat: folgt der Wortlaut des Inserates.“
Beweis:
No. 27 der Wochenschrift „Der
Gegenangriff“.
In dieser Notiz wird durch die Behauptung, die
Werke des Klägers würden „im
Ramsch“ verkauft, ausgedrückt, dass
der Ladenpreis dieser Werke,
um sie überhaupt anbringen zu
können auf einen geringen Teil des ursprünglichen Preises
herabgesetzt werden musste
und dass diese Werke regulär d.h.
zum ursprünglich
festgesetzten Ladenpreise nicht mehr verkauft
werden und verkauft werden
können.
Der Kläger ist Herausgeber der
in Wien erscheinen
den Zeitschrift
„Die Fackel“ und mehrerer
Bücher. Auch die
in dieser
Zeitschrift erschienenen
Publikationen sind zum
Teil
in Buchform herausgegeben worden. Diese Bücher wurden
vom Verlag „Die Fackel“ und von einem Leipziger Kommissionär
an die
Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf abgegeben.
In letzterer Zeit wurde der
Bücherbestand des Klägers, der
sich
bei einem Leipziger Kommissionär befunden hat und
auch
ein Groß-Teil des Bücherbestandes des Verlages der Fackel dem
Verlag Melantrich A.G., Prag II. in
Generalkommission überge
ben, der nunmehr an die einzelnen Buchhandlungen die
begehrten Exemplare
weiterzuleiten hat. Dieser Verlag hat
in einigen Prager
Tageszeitungen der interessierten Oeffent
lichkeit durch
ein Inserat davon Mitteilung gemacht. Eine
Veränderung der
Verkaufspreise und insbesondere eine Herab
setzung derselben
ist nicht erfolgt und auch nicht mitge
teilt worden.
Diese unwahre Behauptung ist
geeignet, den Erwerb des
Klägers zu
gefährden. Der Autor der betreffenden Notiz resp. die
Beklagte als Herausgeberin
und verantwortliche Redakteurin der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“ haben die
Veröffentlichung
dieser
Notiz vorgenommen, trotzdem sie
wussten und wissen mussten,
dass die Behauptung, die Werke des Klägers würden
im Ramsch ver
kauft,
unwahr ist. Die Gefährdung des Erwerbes des Klägers liegt
darin, dass durch die
Verbreitung dieser unwahren Behauptung
Interessenten für die Werke
des Klägers
zurückgehalten werden
können,
diese Werke in den Buchhandlungen zu normalen Preisen
zu kaufen, da sie infolge
der irreführenden Notiz annehmen müssen,
dass diese Werke vom Verlage
Melantrich zu reduzierten Preisen
losgeschlagen werden.
Weiters liegt die Gefährdung
des Erwerbes des Klägers
in dem
Umstande, dass das Interesse an seinen Werken bei solchen
Leuten, die als Leser in
Betracht kommen und andernfalls die Bücher
kaufen würden, durch den
irreführenden Inhalt dieser Notiz herab
gesetzt werden
kann. Ein Autor, dessen Werke nicht anders als zu
herabgesetzten Preisen
verkauft werden können, verliert bei der
Leserschaft Ansehen und
Interesse und seine Werke werden nicht
gekauft.
Beweis: Sachverständige aus dem Verlagsfache, der
Verlags
direktor als sachverständiger Zeuge, Parteienver
nehmung.
Es ist daher der Tatbestand
des § 1330 Absatz 2 ABGB
gegeben, weswegen die Fällung folgenden Urteiles beantragt wird:
Im Stritte des Klägers Karl Kraus,
Herausgebers der
Zeitschrift
„Die Fackel“ in Wien gegen die Beklagte Dr. MarieSchnierer,
Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“ wird die Beklagte
schuldig
erkannt, die in
No. 27 der Wochenschrift „Der
Gegenangriff“
veröffentlichte Notiz „Zitierung
des ersten Absatzes der Notiz“
zu widerrufen und auf eigene
Kosten binnen 14 Tagen unter
Exekutionsfolgen auf der 4. Seite der Wochenschrift „Der Gegenangriff“ im gleichen Drucke und unter der gleichen Rubrik,
in
welcher diese Notiz veröffentlicht war, folgende
Widerrufs
erklärung zu veröffentlichen:
„WIDERRUF. In No. 27 dieser Wochenschrift vom 7. Juli
1934
war unter dem Titel „Karl Kraus im
Ausverkauf“ eine Notiz
veröffentlicht, in welcher
behauptet wurde, dass der literarische
Nachlass Karl Kraus
im Ramsch verkauft werde. Diese Behauptung
ist unwahr. Wahr ist, dass
die Werke Karl Kraus’ vom Verlage Melantrich
A.G., Prag, in Generalkommission übernommen worden sind und zum
ursprünglichen vollen
Ladenpreise durch diesen Verlag verkauft
werden. Dr. Marie
Schnierer, Herausgeberin und verantwortliche
Redakteurin.“
Die Beklagte ist verpflichtet,
dem Kläger die Prozess
kosten binnen 14 Tagen unter Exekutionsfolgen zu bezahlen.
Der Wert des
Streitgegenstandes beträgt Kč 5.000.–
Prag, am …