Der Gegen-Angriff, 7.7.1934Karl Kraus im AusverkaufDer Gegen-AngriffDie Fackel


An das
Zivilbezirksgericht Prag-Ost,
Prag.


Kläger: Karl Kraus, Eigentümer und Herausgeber
der Zeitschrift „FACKEL“ in Wien,
vertreten durch:


Beklagte: Dr. Marie Schnierer, Herausgeber und
verantwortlicher Redakteur der Wochenschrift
DER GEGENANGRIFF“, Prag XI., Biskupcova Nc. 1719


KLAGE
gemäss § 1330 A.B.G.B.


Wert des Streitgegenstandes
Kč 5.000.–


Zweifach
Vollmacht, Rubrik.


Der Kläger ist Herausgeber der in Wien erschei
nenden Zeitschrift „Die Fackel“. Die in dieser Zeitschrift
erschienenen Publikationen sind zum Teil auch in Buchform
herausgegeben worden. Diese Bücher wurden vom Kläger einzelnen
Buchhandlungen zum Verkaufe in Kommission übergeben. In letzter
Zeit wurde der Bücherbestand des Klägers, der sich bei einem
Leipziger Kommissionär befunden hat, dem Verlage Melantrich
A.G., Prag II., in Generalkommission übergeben und dieser
Verlag hat in einigen Prager Tageszeitungen der interessierten
Oeffentlichkeit durch ein Inserat davon Mitteilung gemacht.


Beweis: Die betreffenden Inserate, Zeugenaussage des
Verlagsdirektors, dessen Name und Adresse
bekanntgegeben werden.


In No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“,
deren Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin die
Beklagte ist, wurde in der Rubrik „Bemerkungen“ folgende
Notiz veröffentlicht: „Karl Kraus im Ausverkauf. Nach dem
politischen Freitot von Karl Kraus, über den wir vor
einiger Zeit berichteten, wird jetzt sein literarischer
Nachlass im Ramsch verkauft. Prager Zeitungen bringen
folgendes Inserat: folgt der Wortlaut des Inserates.“


Beweis: No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“.


In dieser Notiz wird durch die Behauptung, die
Werke des Klägers würden „im Ramsch“ verkauft, ausgedrückt, dass
der Ladenpreis dieser Werke, um sie überhaupt anbringen zu
können auf einen geringen Teil des ursprünglichen Preises
herabgesetzt werden musste und dass diese Werke regulär d.h.
zum ursprünglich festgesetzten Ladenpreise nicht mehr verkauft
werden und verkauft werden können.


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Der Kläger ist Herausgeber der in Wien erscheinen
den Zeitschrift „Die Fackel“ und mehrerer Bücher. Auch die
in dieser Zeitschrift erschienenen Publikationen sind zum
Teil in Buchform herausgegeben worden. Diese Bücher wurden
vom Verlag „Die Fackel“ und von einem Leipziger Kommissionär
an die Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf abgegeben.


In letzterer Zeit wurde der Bücherbestand des Klägers, der
sich bei einem Leipziger Kommissionär befunden hat und auch
ein Groß-Teil des Bücherbestandes des Verlages der Fackel dem
Verlag Melantrich A.G., Prag II. in Generalkommission überge
ben, der nunmehr an die einzelnen Buchhandlungen die
begehrten Exemplare weiterzuleiten hat. Dieser Verlag hat
in einigen Prager Tageszeitungen der interessierten Oeffent
lichkeit durch ein Inserat davon Mitteilung gemacht. Eine
Veränderung der Verkaufspreise und insbesondere eine Herab
setzung derselben ist nicht erfolgt und auch nicht mitge
teilt worden.


Diese unwahre Behauptung ist geeignet, den Erwerb des
Klägers zu gefährden. Der Autor der betreffenden Notiz resp. die
Beklagte als Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“ haben die Veröffentlichung
dieser Notiz vorgenommen, trotzdem sie wussten und wissen mussten,
dass die Behauptung, die Werke des Klägers würden im Ramsch ver
kauft, unwahr ist. Die Gefährdung des Erwerbes des Klägers liegt
darin, dass durch die Verbreitung dieser unwahren Behauptung
Interessenten für die Werke des Klägers zurückgehalten werden
können, diese Werke in den Buchhandlungen zu normalen Preisen
zu kaufen, da sie infolge der irreführenden Notiz annehmen müssen,
dass diese Werke vom Verlage Melantrich zu reduzierten Preisen
losgeschlagen werden.


Weiters liegt die Gefährdung des Erwerbes des Klägers
in dem Umstande, dass das Interesse an seinen Werken bei solchen
Leuten, die als Leser in Betracht kommen und andernfalls die Bücher
kaufen würden, durch den irreführenden Inhalt dieser Notiz herab
gesetzt werden kann. Ein Autor, dessen Werke nicht anders als zu
herabgesetzten Preisen verkauft werden können, verliert bei der
Leserschaft Ansehen und Interesse und seine Werke werden nicht
gekauft.


Beweis: Sachverständige aus dem Verlagsfache, der Verlags
direktor als sachverständiger Zeuge, Parteienver
nehmung.


Es ist daher der Tatbestand des § 1330 Absatz 2 ABGB
gegeben, weswegen die Fällung folgenden Urteiles beantragt wird:


Im Stritte des Klägers Karl Kraus, Herausgebers der
Zeitschrift „Die Fackel“ in Wien gegen die Beklagte Dr. MarieSchnierer, Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin der
Wochenschrift „Der Gegenangriff“ wird die Beklagte schuldig
erkannt, die in No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“
veröffentlichte Notiz „Zitierung des ersten Absatzes der Notiz
zu widerrufen und auf eigene Kosten binnen 14 Tagen unter
Exekutionsfolgen auf der 4. Seite der Wochenschrift „Der Gegenangriff“ im gleichen Drucke und unter der gleichen Rubrik, in
welcher diese Notiz veröffentlicht war, folgende Widerrufs
erklärung zu veröffentlichen:


„WIDERRUF. In No. 27 dieser Wochenschrift vom 7. Juli 1934
war unter dem Titel „Karl Kraus im Ausverkauf“ eine Notiz
veröffentlicht, in welcher behauptet wurde, dass der literarische
Nachlass Karl Kraus im Ramsch verkauft werde. Diese Behauptung
ist unwahr. Wahr ist, dass die Werke Karl Kraus’ vom Verlage Melantrich
A.G., Prag, in Generalkommission übernommen worden sind und zum
ursprünglichen vollen Ladenpreise durch diesen Verlag verkauft
werden. Dr. Marie Schnierer, Herausgeberin und verantwortliche
Redakteurin.“


Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Prozess
kosten binnen 14 Tagen unter Exekutionsfolgen zu bezahlen.


Der Wert des Streitgegenstandes beträgt Kč 5.000.–


Prag, am …


Karl Kraus.


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