Entwurf
der
Aeusserung zum vorbereitenden Schriftsatz der beklagten
Dr. Marie
Schnierer im Prozesse um Widerruf nach § 1330
A.B.G.B.
Zum vorbereitenden
Schriftsatz der beklagten
Dr.
Marie
Schnierer überreicht der Kläger in der
ihm aufer
legten
Frist folgende Aeusserung:
Der Ausdruck „im Ramsch
verkaufen“ kann in
tschechischer Sprache nicht adäquat wiedergegeben werden
und muss daher, damit er in
der tschechischen Uebersetzung dem
Sinne der deutschen Wendung
gleichkomme, umschrieben werden.
Dies ist durch die in der
Klage angeführte, übrigens von
einem beeideten Gerichtsdolmetsch beglaubigte Wiedergabe ge
schehen und es ist
unrichtig, dass „im Ramsch verkaufen“
soviel beueutet, als „in
Bausch und Bogen“ oder im „Ausver
kaufe verkaufen“. Die
Bedeutung der Wendung „im Ramsch
verkaufen“ ist die, dass es
sich um keinen regulären Ver
kauf handelt, sondern um
einen Verkauf, bei welchem eine
Ware, um überhaupt verkauft
werden zu können, zu reduzier
tem Preise losgeschlagen
wird. Wesentlich dabei ist, dass
ein normaler Verkauf einer
derartigen Ware, das heisst
ein Verkauf zu den ursprünglichen Verkaufspreisen, nicht
möglich ist, wenn diese Ware
bereits irgendwo im Ramsch
verkauft wurde oder wird.
Ganz abgesehen davon, dass
die Wiedergabe
des Ausdruckes
in der vorgelegten Uebersetzung den Sinn
des zu widerrufenden Artikels richtig reproduziert,
kommt
es auf den
tschechischen Wortlaut der betreffenden Phrase
überhaupt nicht an, da ja
doch der Widerruf in derselben
Sprache begehrt wird, in der die zu
widerrufende Notiz ab
gefasst war. Es wird daher
nichts anderes verlangt, als
dass die beklagte
Partei dasjenige widerrufe, was sie in
der im „Gegen-Angriff“ vom 7.VII.1934 abgedruckten Notiz
behauptet hat und dass
hiebei die Ausdrücke dieser Notiz
verwendet werden. Es ist
daher klar, dass die gegnerische
Einwendung und die
Behauptung, in der Klage seien unrich
tige Tatsachen angeführt,
nicht nur unrichtig, sondern auch
vollkommen irrelevant sind.
Beweis: Der in der Nummer 27
der Zeitschrift „DerGegen-Angriff“ vom 7.7.1934 veröffentlichte
Artikel.
Ebenso unrichtig ist die
Behauptung
der beklagten
Partei, dass der Leser der vom VerlageMELANTRICH veröffentlichten Inserate der Ansicht sein konnte,
die Bücher des Klägers würden zu herabgesetzten Preisen ver
kauft werden. Die
Beklagte
ist Herausgeberin und verantwort
liche Redakteurin der
Zeitschrift „Der Gegen-Angriff“
und
es ist ihre Pflicht,
den Inhalt der in dieser Zeitschrift
veröffentlichten Artikel zu kennen und vor der Veröffentli
chung zu prüfen. Dass es
sich nicht um eine belanglose
Notiz handelt, geht schon
daraus hervor, dass der Kläger
durch diese Notiz veranlasst würde, einen Widerruf der
seine
Interessen
gefährdenden Behauptungen zu begehren. Der Inhalt
des vom Verlage MELANTRICH A.G. veröffentlichten Inserates
gibt keinen Anlass zu der
Deutung, dass die Werke des Privatklägers durch
diesen Verlag zu reduzierten Preisen ver
kauft werden und
jeder, der das Inserat gelesen hat, muss
erkennen, dass eine
derartige Behauptung dem Inhalte des
Inserates widerspricht. Da
die Beklagte
für den Inhalt der
von ihr
herausgegebenen Zeitschrift als
verantwortliche
Redakteurin voll verantwortlich ist und man wohl annehmen
muss, dass nur eine solche
Person Herausgeberin und ver
antwortliche Redakteurin
einer Zeitschrift sein kann, die
im Besitze wenigstens einer
normalen Urteilskraft ist
/
dies kann man wohl auch von einer Kandidatin der Advokatie
und Doktorin der Rechte
voraussetzen /, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass
die Voraussetzungen des § 1330A.B.G.B. in
subjektiver Hinsicht gegeben sind.
Die beklagte
Partei bemüht sich vergeblich
das Vorhandensein der
Voraussetzungen dieser gesetzlichen
Vorschrift auch in
objektiver Hinsicht zu bestreiten.
Die Zeitschrift „Der Gegen-Angriff“ ist
in Trafiken bei Kolporteuren
und in Zeitungsverschleissen
erhältlich und liegt in den Kaffeehäusern auf. Schon daraus
geht hervor, dass sie nicht
nur von solchen Leuten gelesen
wird, die – wie die Beklagte fälschlich behauptet – die Werke
des Klägers infolge der Verschiedenheit der Anschauungen
ohnehin nicht kaufen würden.
Dass gerade die Leser der Werke
des Klägers die Zeitschrift „Der Gegenangriff“ lesen,
geht doch schon aus der
Tatsache hervor, dass diese Zeit
schrift eben jene Notiz veröffentlicht hat und zwar
in
der Absicht, den Kläger zu schädigen. Eben, weil die
Leser des „Gegen-Angriff“ für die Werke des Klägers interes
siert sind, hatte es einen
Zweck, die irreführende Notiz
zu veröffentlichen und die
Behauptung des Gegenteiles wird
wohl auch [¿¿¿]
von der Gegenseite nicht begründet werden
können und kann sicherlich
bei niemandem Glauben finden.
Es steht daher fest, dass die Veröffentlichung der den Leser
irreführenden Notiz geeignet ist, den Kläger in seinem Er
werbe zu gefährden, sodass
die Voraussetzungen des § 1330A.B.G.B. auch in
objektiver Hinsicht gegeben sind.
Vollkommen unwahr ist die
Behauptung, dass
der Verlag MELANTRICH allein die Bücher des Beklagten ver
kauft und dass diese Bücher
anderswo nicht zu haben sind.
Der Verlag MELANTRICH ist nur
Kommissionär der Bücher des
Klägers gewesen, dessen Aufgabe es war,
Bestellungen der
Buchhändler
zu erledigen, das heisst, die von diesen ver
langten Bücher an die
einzelnen Buchhandlungen vom Kommis
sionslager aus zu liefern.
Die Bücher des Klägers wurden
seit jeher und werden, nach
wie vor durch Buchhandlungen ver-
kauft und die vom Verlage MELANTRICH A.G. veröffentlichte
Anzeige hatte vor allem den
Zweck, die Buchhandlungen darauf
aufmerksam zu machen, dass
diese Bücher nicht mehr vom Verlage der FACKEL in
Wien bezogen werden müssen, sondern vom
Verlage MELANTRICH auf Lager gehalten werden.
Der Privatkäufer bezieht
jedoch die Bücher, ebenso wie
früher, nicht vom Verlage, sondern kauft sie beim Buch
händler. Wenn er jedoch
durch die unwahre Behauptung der
in der Zeitschrift „Der Gegenangriff“
veröffentlichten
Notiz dahin informiert wird, dass
diese Bücher durch den
Verlag MELANTRICH im Ramsch verkauft, das
heisst:
zu billigeren
Preisen losgeschlagen werden, als von den
Buchhandlungen,
verlangt [¿¿¿] dann wird er es natürlich
unterlassen, die Bücher beim
Buchhändler zu kaufen. Er wird
es jedoch höchstwahrscheinlich unterlassen, die Bücher
überhaupt zu kaufen, weil er
aus der behaupteten Tatsache,
dass sie vom Melantrich verramscht werden, also zu ermässigten
Preisen abgegeben werden,
schliessen muss, dass es sich um
Bücher eines Autors handelt,
dessen Werke im normalen Ver
kaufe unanbringlich, daher
nicht lesenswert sind. Darin
liegt eine wesentliche Gefährdung des Erwerbes des Klägers,
der
natürlich von dem Ertrage seiner Werke leben muss und
durch eine Verringerung des
Absatzes dieser Werke in seiner
Existenz geschädigt wird.
Beweis: Sachverständige aus dem Verlags- und Buchhandlungs
fache, Zeugenaussage des Dr.
Bedřich Fučik, Direk
tors des Verlages
MELANTRICH, Parteienvernehmung.
Wie bereits erwähnt, wird
nichts anderes,
als der
Widerruf der Notiz und zwar mit
ihren Worten verlangt.
Da der
Widerruf in der deutscher Sprache veröffentlicht werden
soll, ist es vollkommen
gleichgiltig, wie der Ausdruck „im
Ramsch verkaufen“ in der
Klage ins Tschechische übersetzt wurde.
Da der § 1330 A.B.G.B. über die Form, in welcher
der Widerruf veröffentlicht
werden soll, keine Vorschrift ent
hält, so muss eine Form
gewählt werden, die die Absicht des
dieser gesetzlichen
Bestimmung erfüllt, das ist eine Form, die geeig
net ist, den Widerruf einer
den Kredit, den Erwerb oder das
Fortkommen eines anderen
gefährdenden unwahren Tatsache
denjenigen zur Kenntnis zu bringen, die von dieser Tat
sache erfahren haben.
Es ist daher
selbstverständlich,
dass
der Widerruf in der gleichen Weise erfolgen muss, in
welcher die zu widerrufende
Tatsache der Oeffentlichkeit
bekanntgegeben wurde, also in derselben Zeitschrift, in
demselben Drucke und in der gleichen Art, wie der Artikel,
dessen Widerruf begehrt
wird.
Wollte man die Wahl der
Form, in
welcher der Widerruf
erfolgen soll, dem zum Widerrufe Ver
pflichteten überlassen, dann
würde wohl der vom Gesetz
geber durch die Bestimmung
des § 1330 Absatz 2 A.B.G.B.
angestrebte Zweck niemals
erreicht werden und der Zustand,
durch welchen die Gefährdung
des Erwerbes oder Fortkommens
des den Widerruf Begehrenden herbeigeführt worden ist,
könnte niemals behoben
werden.
Das Klagspetit widerspricht
daher
keineswegs den
Bestimmungen des § 1330.
Mit Rücksicht darauf beharrt
der Kläger bei dem
Vorbringen und den Anträgen der Klage.
Prag, am