Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich gestatte mir, Ihnen über den Ver
lauf der gestrigen Streitverhandlung folgendes zu berichten:


Wie Sie wissen, hat sich der Richter
in seinem, bei der letzten Streitverhandlung herausgegebenen
Beweisbeschlusse auf den Beweis durch die Zeugenschaft des Dr.Fučík beschränkt. Dieser wurde gestern einvernommen und hat, an
geregt durch entsprechende Fragen, folgendes zu Protokoll ge
geben:


Zwischen Herrn Kraus und der Fa. Melantrich, bei welcher ich als Verlagschef angestellt bin, ist es vor
cca. einem Jahre zu einer Vereinbarung über eine Generalkommis
sion gekommen, nach welcher der Verlag Melantrich die Auflagen
der Bücher des Klägers ausschliesslich für den Verkauf in der
tschechoslovakischen Republik übernommen hat. Es handelt sich um
die Bücher, welche bisher durch Vermittlung des Wiener- Verlages„Die Fackel“ und des Leipziger-Kommissionärs verkauft wurden.
Sogleich nach dem Abschluss dieses Kommissionsübereinkommens hat
der Verlag Melantrich die üblichen Anzeigen an die Buchhandlungen
mit Angabe des Ladenpreises der Bücher versendet und im Mai und
Juni wurde dann in den Tageszeitungen inseriert und angekündigt,
dass die Bücher des Klägers in der Č.S.R. von der Fa. Melantrich
in Generalkommission übernommen wurden und durch Vermittlung der
Buchhandlungen erhältlich sind. Nach meinen Erfahrungen kann die
Veröffentlichung der Nachricht, dass ein Buch unter dem Preise
verkauft wird, den Autor sowohl moralisch, als auch wirtschaftlich
gefährden, weil der innere Wert des Buches im Ladenpreis ausge
drückt wird, wirtschaftlich deshalb, weil der Interessent darüber
informiert wird, dass er die Bücher zu herabgesetzten Preisen er
halten könne. Eine ähnliche Erfahrung habe ich zum Beispiel im
Falle des Verkaufes durch die Verlagsanstalten Aventimum, Koči und
andere. Ist der Interessent in der Weise informiert, dass ein
Buch zu herabgesetzten Preisen verkauft wird, wird er von der Er
werbung des Buches abgeschreckt, weil er fühlt, dass der Verleger
die Auflage des Buches loswerden will und weil er über den Wert
des Buches eine andere Vorstellung erhält. Wird der Preis tat
sächlich herabgesetzt, dann folgt ein erhöhter Absatz, der jedoch
dann jäh zum Stillstande kommt. Die Bücherpreise der Werke des
Klägers wurden im Vorhinein durch die Vereinbarung mit dem Wienerverlag „Die Fackel“ genau festgesetzt, der Preis ist nicht herab
gesetzt worden und in den Inseraten war auch nirgends angekündigt,
dass es zu einer Herabsetzung des Preises gekommen ist.


Die Werke des Klägers waren und sind auch weiterhin bei Buchhänd
lern auf Lager. Die Buchhändler waren gezwungen, sich wegen der Er
werbung dieser Bücher ausschliesslich an den Verlag Melantrich
zu wenden, während dieser die Bücher an Privatkäufer nur ausnahms
weise abgibt, was cca. 5% der Auflage und des Umsatzes ausmacht.
Der Zeuge gibt über Befragen weiter an, es sei ihm nicht bekannt,
dass die Preise der Werke sogenannter linksgerichteter Autoren
infolge der deutschen Ereignisse / Hitler-Umsturz / im Inlande eine
Preisherabsetzung erfahren haben.


Der Richter hat das Verfahren für beendet er-
klärt und wird das Urteil schriftlich herausgeben.


Ich glaube nicht allzu optimistisch zu sein, wenn ich annehme,
dass der Klage stattgegeben werden wird, umsomehr, als ich dem
Richter verschiedene oberstgerichtliche Urteile vorlegen konnte,
aus welchen die Verantwortlichkeit der Beklagten für die veröffent
lichte Nachricht und der Anspruch des Klägers auf deren Widerruf
sehr leicht abgeleitet werden kann.


Ich werde nicht ermangeln, Ihnen gleich nach
Einlangen des Urteiles Bericht zu geben und bitte, vorläufig diese
Mitteilung zur Kenntnis zu nehmen und an Herrn Kraus weiterleiten
zu wellen.


Mit vorzüglichster Hochachtung und besten Grüssen
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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