3Als Anlage /1 übersende ich Ihnen den mir gestern
in der Sache des Herrn Karl KRAUS gegen Dr. Richard Smetana vom Strafbezirksgerichte I zugekommenen Beschluss. Er trägt der juristischen
Situation Rechnung und es kann daher ein Einwand gegen diesen Beschluss nicht erhoben werden.


4Als Anlage /2 finden Sie die getreue Abschrift derErklärung, die Rechtsanwalt Dr. Smetana namens seines Bruders, des
Rechtsanwaltsanwärters Dr. Richard Smetana am 12. April 1934 im CaféDiglas, Wien, I., Wollzeile, gelesen, genehmigt und unterfertigt hat.
Das von dem Rechtsanwalte Dr. Smetana gefertigte Original befindet
sich in meinem Besitze. Ein gleichlautendes von mir namens des Herrn
Karl KRAUS gefertigtes Original wurde von mir dem Gegenanwalte Dr.Smetana übergeben.


Die sich bietende Gelegenheit eines Briefes an Sie be
nütze ich dazu, die kurz vor der Vereinbarung vom 12. April 1934 lie-
genden Vorgänge wie folgt schriftlich wiederzugeben.


1.) Da ich Kenntnis davon hatte, dass für Herrn Karl KRAUS die Durch
führung der für den 14. April 1934 anberaumten Verhandlung vom
gesundheitlichen Standpunkte, infolge eines Fussübels, unbequem
wäre und, da ich Samstag, den 14. d.M., eine Reise hätte antreten
sollen, habe ich am 10. April 1934 Herrn Dr. Smetana wegen eines
einverständlichen Ansuchens um Vertagung auf die Zeit nach dem
1. Mai l.J. angerufen, welches ich mit dem Hinweis auf meine Behin
derung begründete. Herr Rechtsanwalt Dr. Smetana hat dieses Ver
tagungsansuchen nach vorheriger Rücksprache mit seinem Bruder
Dr. Richard Smetana (den er befragen zu müssen erklärte), mit der
Begründung abgelehnt, dass sein Bruder im Mai auf Urlaub gehe. Ich
hatte das Gespräch aus Gründen der kollegialen Höflichkeit mit
dem Hinweis auf meinen seinerzeitigen Weg zu Präsident Dr. K. und
meinen daraus ersichtlichen Versuch, eine einen jungen Standes
genossen betreffende gerichtliche Ehrenbeleidigungsklage ausser
gerichtlich zu erledigen, eingeleitet. Mein Gesprächspartner sprach
damals von einer umfassenden Ehrenerklärung, von einer Sühne und
von Kostentilgung. Da ich diese Bedingungen ablehnte, war der wei
tere Gegenstand des Telefongespräches nur mehr die Vertagungs
frage. Es ist mir erinnerlich, dass Rechtsanwalt Dr. Smetana mich
am Apparate ersuchte, Herrn Karl Kraus seinen Ausgleichsvorschlag
bekanntzugeben. Eine Verpflichtung hiezu habe ich nicht übernom
men.


2.) Am 11. April 1934 hat mich Herr Rechtsanwalt Dr. Smetana als Ver-
treter seines Bruders spontan angerufen. Er brachte die Sprache auf
den Ausgleich, erwähnte den Sühnebetrag nicht mehr und stellte im
wesentlichen nur die Forderung nach einer umfassenden Ehrenerklä
rung, in welcher Herr Karl KRAUS die von ihm gebrauchte Aeusserung
mit Bedauern zurücknehmen müsse. Dies habe ich mit dem Hinweis abge
lehnt, dass mir der Fall nur durch eine beiderseits vorzunehmende
Feststellung, resp. abzugebende Erklärung austragbar zu sein scheine.


3.) Nach der Besprechung, die ich am Abend des 11. April 1934 mit Herrn
Karl KRAUS hatte, bin ich mit Herrn Rechtsanwalt Dr. FriedrichSmetana am 12. April 1934, um 1/4 8 Uhr abends (infolge einer tele
fonisch von mir mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Smetana getroffenen Ab
rede) im Café Diglas, Wien, I., Wollzeile, zusammen gekommen. Die die
Abgabe der Erklärung betreffende Unterredung dauerte mehr als eine
halbe Stunde. Das Ansinnen des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Smetana, Herr
Karl KRAUS möge die inkriminierte Aeusserung zurücknehmen, habe ich
abgelehnt, desgleichen umsomehr das Ansinnen, es möge die Aeusserung
mit Bedauern zurückgenommen werden.


4.) Mit Benützung von stenographischen Notizen, die ich vor mir hatte,
habe ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedrich Smetana die einverständ
liche Erklärung in die Feder diktiert. Ich habe ihn dann gebeten,
mir auf Grund seiner nunmehr fertiggestellten, handschriftlich voll
zogenen Notiz den Wortlaut zu diktieren. Es ist demnach volle Gewähr
dafür geboten, dass das in Händen des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Smetana
befindliche Elaborat, welches von mir in Vertretung des Herrn KarlKRAUS gefertigt wurde, mit dem in meinen Händen befindlichen Elabo
rate, welches von Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedrich Smetana noe. Dr.
Richard Smetana gefertigt wurde, wörtlich übereinstimmt.


5.) Nachdem ich den Verhandlungsrichter Dr. Wenger und der Vorsicht
halber auch Herrn Hofrat Dr. Chamrath durch einen Kanzleibeamten vom
Nichtstattfinden des Termines verständigt hatte, habe ich, wieder
durch ein Organ meiner Kanzlei, am 14. April 1934, um 10 Uhr vormit
tags, konstatieren lassen, dass für den Gegner niemand erschienen war
und dass daher in beiden Fällen (Aktivsache und Passivsache) vom
Richter die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen wurde.


In kollegialer Hochachtung
Dr. Wolf


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