Sehr geehrter Herr Kollege!


Von Herrn K. habe ich gehört, dass alle
Argumente gegen die missverständliche Auffassung des
§ 18 Ehrenschutzgesetzes fruchtlos geblieben sind und
der Angeklagte freigesprochen wurde. Es sind mir nach
träglich noch einige Argumente eingefallen, die Sie
vielleicht bei der Berufung verwenden können. – Wenn
man schon zur Auffassung dieser Gesetzesstelle in der
Richtung käme, dass bei einem Vergleich der Privatklä
ger gehindert sein soll, Beleidigungen zu verfolgen,
wenn er sich dieses Recht nicht ausdrücklich vorbehal
ten hat, so kann deren Sinn doch nur der sein, dass die
Hinterhältigkeit eines Privatklägers ausgeschlossen
werden soll, in einer ihm unangenehmen Sache einen Ver
gleich zu schliessen unter der Mentalreservation, wegen
einer anderen Beleidigung den Angeklagten weiter zu
verfolgen. Keinesfalls aber könnte man doch eine bereits
anhängig gewordene Verfolgung unter diese Kategorie
einreihen. Auch bezüglich der Prozesskosten halte ich
das Urteil für verfehlt. Wenn das Gericht auf dem Stand
punkte steht, eine weitere Verfolgung einer bereits an
hängigen Sache sei durch den Vergleich ausgeschlossen,
so müsste es implizite auf dem Standpunkte stehen, dass beide
Angelegenheiten durch den Vergleich erledigt seien und könnte
dem Angeklagten bei Einstellung des Verfahrens keine Kosten
zusprechen oder höchstens die Kosten der einen Verhandlung,
die deshalb notwendig geworden war, weil der Privatkläger nicht
selbst die Einstellung beantragt hat.


Herr K. hat mir ferner mitgeteilt, dass einige Berich
tigungen wegen des Prozessberichtes hinausgegeben sind, und dass
er mit Ihnen schon besprochen hat, für den Fall des Nichter
scheinens Klagen einzubringen. Ich erlaube mir zu diesen Klagen
den Vorschlag zu machen, nicht alle gleichzeitig einzubringen,
um das Prozesskostenrisiko zu vermindern, sondern vorläufig nur
die gegen das Prager Tagblatt und bezüglich der übrigen Blätter
zuzuwarten, allerdings aber die subjektive Verjährungsfrist zu
wahren. Ich habe darüber nachgedacht, welche Einwendungen die
Blätter dem Berichtigungsanspruch entgegensetzen könnten. Dass
der Bericht von einer Korrespondenz ausgegangen ist, kann ja
den Berichtigungsanspruch nicht ausschliessen, denn es wäre ab
surd, sich von der Berichtigungspflicht dadurch zu befreien,
dass man sich auf den unrichtigen Bericht eines anderen beru
fen darf. Eine ähnliche Bestimmung, wie sie im „neuen österrei
chischen Recht“ enthalten ist, dass die Aufnahme der Berichti
gung verweigert werden kann, wenn diese offenbar mutwillig wah
re Tatsachen bestreitet, wonach es auch im Berichtigungsverfah
ren quasi einen Wahrheitsbeweis gibt, habe ich im tschechischen
Recht nicht gefunden. In Österreich würde sich dadurch der an
genehme Zufall ergeben, den Nachweis zu erbringen, dass bei der
Verhandlung überhaupt kein Berichterstatter anwesend war, son
dern dass der Bericht unbedingt auf die Information des gegnerischen Anwaltes zurückzuführen sein muss, was gewiss eine gro-
teske Überraschung wäre.


Ich hoffe, dass es Ihnen gelingen wird, in der
obersten Instanz die Absurdität der Auffassung des § 18
durch das Erstgericht begreiflich zu machen, und dass wir
den Prozess in der zweiten Instanz gewinnen worden. Wenn
dies aber schon nicht der Fall sein sollte, so wird hof
fentlich die Kostenfrage in günstigeren Sinne gelöst
werden.


Indem ich Ihnen die herzlichsten Grüsse des
Herrn K. übermittle und Sie auch persönlich herzlichst
grüsse, bin ich mit vorzüglicher,


kollegialer Hochachtung
Ihr ergebener


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