Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich erhielt Ihr frdl. Schreiben vom 21. d.M.,
welches sich mit meinem gestrigen Schreiben gekreuzt hat und
durch dieses zum Teil
erledigt ist.
In der Sache SOZIALDEMOKRAT habe ich bei
der Urteilsverkündigung um
Zustellung einer Abschrift des Ur
teiles ersucht, sodass die
Frist zur Ausführung der Nichtigkeits
beschwerde gemäss § 285 vom Tage der Zustellung der schriftli
chen Ausfertigung laufen
wird. Ich befasse mich gerade mit dem
Studium der einschlägigen
Judikatur und hoffe jenen Fall fest
stellen zu können, in
welchem ähnlich wie in unserem Falle ju
diziert worden ist. Ich
werde natürlich der Ausarbeitung der
Beschwerdegründe die grösste
Sorgfalt widmen und hiebei auf
Ihre Anregungen Bedacht nehmen.
Meinem gestrigen Berichte
möchte ich noch
nachtragen,
dass ich heute vom Anwalte der LIDOVÉ
NOVINY, Dr.
Bohuslav Havlík aus Brünn, darüber verständigt wurde, er habe
dem verantwortlichen Redakteur dieser Zeitung die Veröffent
lichung der Berichtigung
empfohlen, wiewohl er glaubt, dass sie
nicht ganz dem Gesetze
entspricht / es wurde die Berichtigung
der Behauptung verlangt,
dass das Gericht die Beweise beider
Parteien teilweise
durchgeführt hat, also einer Behauptung,
welche nicht den Berichtigenden, sondern das Gericht betrof
fen hat – dies ist zwar
unrichtig, denn auch diese Behaup
tung hat Herrn K. betroffen –/. Trotzdem ist diese Berichti
gung in vollem
Umfange in Nr. 204 der LIDOVÉ NOVINY vom
22.IV.1936
veröffentlicht worden.
Der inzwischen von seiner
Urlaubsreise zurück
gekehrte Herr Dr. Gallia, an den ich mich über
Wunsch des
Herrn K. in Angelegenheit der Autorschaft des Artikels vom10.VIII.1934
gewendet habe, teilt mir mit, dass Herr K.
nicht
von ihm erfahren
haben kann, dass der Autor des inkriminierten Artikels Herr
Dr. Brügel ist, ihm sei über den Urheber
des Prager-Artikels leider gar nichts bekannt und er
habe
auch keine Ahnung,
woher Herr Kraus die Mitteilung erhalten
haben mag, dass der Artikel von Dr. Brügel stamme. Herr Dr.Gallia teilt ferner
mit, er werde über meinen Wunsch gerne
bei der Oberstaatsanwaltschaft, resp. bei der Generalprokura
tur wegen
Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung
des Gesetzes intervenieren.
Wollen Sie bitte Herrn Kraus ferner mitteilen:
Wie mir von der Advokatenkammer bekanntgegeben wurde,
wird
diese vom Strafbezirksgerichte über die Verurteilung
des Dr.Schwelb offiziell
verständigt werden. Ich werde feststellen,
ob dies geschehen ist und
falls es bisher nicht geschehen
sein sollte, veranlassen,
dass die Verständigung erfolgt.
Der Direktor der Kammer, der grosse
Erfahrungen in Disziplinar-
angelegenheiten hat,
bemerkte auf meine Mitteilung und An
frage bezüglich der
Zulässigkeit der Informierung des Press-Büros über den
Verlauf eines Prozesses durch einen Advokaten
(und der übrigen Tagespresse), dass darin kein Disziplinarver
3 gehen erblickt werden könne,
insoferne es sich nicht um fal
sche Informationen handelt
und insbesondere nicht, wenn der
Anwalt diese Informationen
über Wunsch seines Klienten er
teilt. Dass dies geschehen
ist oder zumindest im Diszipli
narverfahren behauptet und
nachgewiesen werden kann, scheint
mir unzweifelhaft.
Was nun die Ueberreichung
der Berichtigungs
klagen anbelangt, so werden Sie, sehr geehrter Herr
Doktor, mei
nem gestrigen Schreiben
entnommen haben, dass ich die Aussich
ten eines solchen
Einschreitens gerade im Falle des PRAGERTAGBLATT für nicht
sehr gross halte. Stärker scheint mir der
Standpunkt in Angelegenheit
SOZIALDEMOKRAT, aber auch in die
sem Falle kann
ich nicht unbedingt Erfolg versprechen, es wäre
denn, dass Herr K. von vornherein damit einverstanden ist, dass
gegebenenfalls eine vom
Gerichte abgeänderte Berichtigung zur
Veröffentlichung gelangt.
Ich erbitte mir
diesbezüglich die Weisungen
des Herrn K., dem Sie meine besten Grüsse
bestellen wollen.
Ich zeichne mit besten
Grüssen an Sie und in
vorzüglicher Hochachtung ergebener:
Dr. Turnovsky