Zm. I 618/36-6.
Tk VI 8789/34.
Das Oberste Gericht als Kassationsgericht hat
in nicht öffentlicher
Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde
des verstorbenen Karl Kraus
unter Berücksichtigung der von
seinem Bruder Josef Kraus gemäss § 15 des Gesetzes Nr.
108/1933
überreichten Erklärung wie folgt zu Recht erkannt:
Die gegen das Urteil des Kreis-Strafgerichtes
als Kmetengerichtes in Prag vom 15. April 1936 G.Z. Tk VI 8789/34
-41 überreichte
Nichtigkeitsbeschwerde, mit welchem Dr. Emil Strauss
gemäss § 259 Z. 2 St.P.O. von der
gegen ihn wegen des
Vergehens nach §§ 1, 2, 3, Ges. 108/33 bezw.
wegen Uebertretung nach § 4 Ges. 124/1924 freigesprochen wurde,
wird abgewiesen.
Der Bruder des
Privatanklägers des verstorbenen
Karl Kraus,
Josef
Kraus, ist verpflichtet, die Kosten des Straf
verfahrens und insbesondere
auch die Kosten der Rechtsvertretung
des Angeklagten,
deren Festsetzung dem Gerichte I. Instanz
über
lassen
wird, zu ersetzen.
Die gegen die
Kostenentscheidung der I. Instanz
überreichte Beschwerde wird
auf diese Entscheidung verwiesen.
Begründung:
In der zur Verhandlung
stehenden Angele
genheit hat der Privatkläger Karl Kraus rechtzeitig die Nich
tigkeitsbeschwerde
angemeldet und durchgeführt. Wie durch die
Zuschrift des Kreis-Strafgerichtes in Prag vom 1.XII.1936 Tk
VI 8789/34–35 amtlich
bescheinigt wurde, ist der Privatankläger
Karl Kraus
nachher am 12. Juni 1936 ohne Hinterlassung anderer
zur Privatanklage gemäss § 15 Ges. 108/33 legitimierter Personen
als der Geschwister,
verstorben, von denen der Bruder des Privatanklägers
Josef Kraus am
17. Juni 1936 die Erklärung abgege
ben hat, dass er auf der
Strafverfolgung beharrt.
Da diese Erklärung sowohl
sachlich, als
auch zeitlich
den im § 15 Ges. 108/33 festgesetzten Bedingungen
entspricht, war mit
Rücksichtnahme, auf diese Bestimmungen das
Strafverfahren fortzusetzen
und die durch den verstorbenen
Privatankläger Karl Kraus überreichte Nichtigkeitsbeschwerde
zu erledigen.
Das Prozessgericht hat festgestellt, dass
der inkriminierte Artikel
unter dem Titel „Fackel als faszistische
Hetzschrift“ in Nr. 185 der
periodischen Druckschrift„Sozialdemokrat“ vom 10. August 1934 erschienen ist und dass
der Antrag auf
Strafverfolgung wegen dieses Artikels am 11.
September 1934 überreicht wurde. Ferner hat das Erstgericht
festgestellt, dass zwischen
dem verstorbenen Privatankläger
Karl Kraus und
dem Angeklagten Dr. Emil Strauss sub Tk XIX 366/36
am 27. Jänner 1936 ein
Vergleich über die von Karl Kraus gegen
Dr. Emil Strauss
überreichte Klage wegen des Vergehens der Ehren
beleidigung abgeschlossen
wurde, welches durch die Veröffentli
chung des Artikels „Der Verrat der Geistigen“ in Nr. 279 derperiodischen
Druckschrift „Sozialdemokrat“ vom 30. November1935 begangen
worden ist und dass sich der Privatkläger bei
Abschluss dieses Vergleiches
die Verfolgung des Dr. Emil Strauss
wegen des unter dem Titel
„Fackel als faszistische
Hetzschrift“
in Nr. 185 der periodischen Druckschrift
„Sozialdemokrat“ vom10.8.1934 nicht vorbehalten hat.
Das Gericht hat dann Dr. Emil Strauss
von
der Anklage im
Hinblick auf die Bestimmung des § 18 Ges. 108/33
deswegen freigesprochen,
weil sich Karl
Kraus bei Abschluss des
angeführten Vergleiches die
Verfolgung wegen des inkriminiertenArtikels nicht
vorbehalten hat.
Das freisprechende Urteil
wird durch die
Nichtigkeitsbeschwerde vom Standpunkte der Nichtigkeitsgründe
gemäss § 281 Z. 4, 7.9,b St.P.O. angefochten.
Die Nichtigkeit gemäss § 281 Z. 7. St.P.O.
erblickt die Beschwerde
darin, dass das Gericht nicht festge
stellt hat, ob
Dr. Emil
Strauss das Vergehen gemäss dem Gesetze
über den Ehrenschutz oder
bloss die Uebertretung der Vernach
lässigung der
pflichtgemässen Sorgfalt begangen hat. Allein
diese Feststellung war nicht
notwendig, wenn das Gericht von
der richtigen Ansicht
ausgegangen ist, dass die Verfolgung
überhaupt ausgeschlossen
ist, mag es sich nun um das Vergehen
nach dem Ehrenschutzgesetze
oder um die Uebertretung der pflicht-
gemässen Sorgfalt handeln.
Ob nämlich diese Nichtigkeit sowie
die weitere gemäss § 281 Z. 4 St.P.O. geltendgemachte Nichtigkeit
begründet ist, hängt von der
Lösung der Frage ab, ob die in
der Beschwerde weiters geltendgemachte Nichtigkeit gemäss §281 Zl. 9b.
St.P.O. begründet ist oder nicht. Ist diese Nich
tigkeit nicht begründet,
dann fallen auch die vom Standpunkte
des § 281 ZI. 4 und 7 St.P.O. geltendgemachten Nichtigkeitsgründe.
Bei der Geltendmachung des
Nichtigkeits
grundes gemäss § 281 Z. 9b. St.P.O. macht die Berufung im Wesen
geltend,
1./ dass die Bestimmung des
§ 18 des Ehrenschutzgesetzes mit
Rücksicht auf die
Ueberschrift dieses Paragrafen bloss dann
Anwendung finden darf, wenn
es sich um gegenseitige Klagen
handelt,
2./ dass es nur dann
notwendig ist, sich die Verfolgung vorzu
behalten, wenn die
Verfolgung bisher nicht eingeleitet war,
3./ dass die Bestimmung des
§ 18 nicht angewendet werden darf,
wenn es sich um die blosse
Uebertretung der Vernachlässigung
der pflichtgemässen Sorgfalt
gemäss § 4 des Gesetzes Nr. 124/24
im Wortlaute der Kundmachung des Justizministeriums Nr. 145/33
handelt.
Allein, die Beschwerde ist
nicht begründet.
ad
1./: Es ist richtig, dass für die Auslegung des Gesetzes
die Ueberschriften der
einzelnen Gesetzesbestimmungen und die
Marginalrubriken ein
wichtiges Hilfsmittel bilden, ebenso wie
die Motive des Gesetzgebers,
allein immer ist ausschlaggebend
der Gesetzeswortlaut. Nur
wenn der Wortlaut des Gesetzes un
klar ist, können bei der
Auslegung des Gesetzes die Ueber
schriften der einzelnen
gesetzlichen Bestimmungen und die Ma
terialien ins Gewicht
fallen. In diesem Falle hat jedoch die
Ueberschrift kein Gewicht,
weil die Bestimmungen des § 18 klar
sind; der erste Absatz des
§ 18 spricht doch allgemein von bei
den Parteien eben dass
„eine
Partei“ – also sowohl der Klä
ger, als auch der Angeklagte
– die andere Partei wegen einer an-
deren nach dem Gesetze über
den Ehrenschutz begangenen straf
baren Handlung verfolgen
kann, die sie begangen hat nur wenn
sie sich vor dem Vergleiche
oder vor Schluss des Beweisver
fahrens ausdrücklich das
Recht ihrer Verfolgung vorbehalten
hat und dass dieser
Vorbehalt nicht notwendig ist, wenn der
Berechtigte von der
strafbaren Handlung oder von der Person
des Schuldigen erst nach
Abschluss des Vergleiches oder nach
Schluss des Beweisverfahrens
Kenntnis erlangt hat.“
Weder in diesem Absatze,
noch im zweiten Absatze
des
§ 18 wird von einem gegenseitig
begangenen
Delikt
gesprochen und erst im Absatz 3 ist die Rede davon,
dass die Bestimmungen des
Absatz 1 auch auf gegenseitig be
gangene strafbare Handlungen
Bezug haben. Der Gesetzgeber hat
bei der Betitelung des § 18 „gegenseitige Klagen“
offenbar
nur die Fälle
gegenseitiger Beleidigungen im Sinne gehabt,
deren im Absatz 3, als der am häufigsten sich wiederholenden
Erwähnung getan wird, welche
Fälle verschiedentliche prozes
suale Ausflüchte bis zur
Herausgabe des Gesetzes 108/33 er
möglicht haben. Die
Ueberschrift des § 18 deckt sich daher
nicht mit dem ganzen Inhalte
dieses Paragrafen.
ad 2./ Wie aus der Begründung des Regierungsentwurfes
/ Druck 830 ex 1930 Seite
29, 2 Abs./, ferner aus der Begrün
dung des Berichtes des
verfassungsrechtlichen Ausschusses
/ Druck 2266/33, Seite 30 /
klar hervorgeht, wollte der Gesetz
geber durch die Bestimmung
des § 18 des Gesetzes über den Ehrenschutz
durchsetzen, dass die Parteien völlig Farbe bekennen
müssen, damit alle
prozessualen Kniffe ausgeschlossen und dann
entweder durch ein Urteil
oder einen Vergleich alle und zwar
sowohl die einseitigen, als
auch die gegenseitigen Beleidigun
gen zwischen den Parteien
erledigt werden. Dieser Absicht ent
spricht vollkommen schon die
Textierung des ersten Absatzes
§ 18, der dritte Absatz setzt dann die Fristen zur
Verfolgung
der
gegenseitig begangenen strafbaren Handlungen fest.
Damit dann ein klares Bild
darüber geboten werde, was alles
die Veranlassung zu
irgendeiner Strafverfolgung wegen Ehren
beleidigungen bieten kann,
und damit diesbezüglich alle Aus
flüchte ausgeschlossen
werden, ist im § 18 festgesetzt, dass
sich die Parteien ausdrücklich das Verfolgungs
recht bezüglich aller ihr
bekannten Beleidigungen vorbehalten
muss, wenn sie ihretwegen
die andere Partei verfolgen will.
Dieser Vorbehalt muss
gemacht werden, mag es sich um ein
bereits nach § 17 des Ehrenschutzgesetzes eingeleitetes oder
bloss beabsichtigtes
Verfahren handeln. Dass unter „Verfolgen“
nicht bloss die Einleitung
des Strafverfahrens, sondern auch
seine Fortsetzung bis zum
Schlusse verstanden werden muss,
geht einerseits aus dem
grammatikalischen Begriffe selbst her
vor, der nicht nur die
Einleitung, sondern auch die Fortsetzung
der bereits eingeleiteten
Verfolgung in sich schliesst, sondern
auch daraus, dass in der
Verfolgung nicht nur die mit der Ein
leitung des Strafverfahrens
verbundenen prozessualen Handlun
gen / § 17, 23, Z. 2 Ges. über des Ehrenschutz /,
sondern auch sol
che Handlungen eingeschlossen sind, durch welche ein bereits
eingeleitetes Verfahren
fortgesetzt wird. / §§ 112 Abs. 2, 46, Abs. 3,
57, Abs. 2 u. 3, 249, 255, 282
Abs. 2, St.P.O. / Wenn der Gesetzgeber
die blosse Einleitung des
Strafverfahrens und keineswegs auch
die Fortsetzung im Sinne
gehabt hätte, hätte er dies auch aus
sprechen müssen. Sollte man
den § 18 Ges. über den Ehrenschutz
dahin auslegen, dass seine
Bestimmungen nur auf jene Fälle
Bezug haben sollen, in
welchen bisher die Verfolgung wegen
Ehrenbeleidigungen nicht
eingeleitet war, dann wäre das bei
nahe ausgeschlossen, was der
Gesetzgeber, wie oben angeführt,
beabsichtigt hat.
Im §
18 des zitierten Gesetzes ist die Ab
sicht ausgesprochen, alle
Strafverfahren wegen Ehrenbeleidigun
gen zwischen zwei Parteien –
mögen hiebei beide Parteien als
Kläger und Angeklagte, oder
nur eine von ihnen als Kläger, die
andere als Angeklagter
auftreten – zum Gegenstand tunlichst
eines Verfahrens zu machen.
Der Hinweis der
Nichtigkeitsbeschwerde auf § 57 St.P.O. ist
daher nicht am Platze, denn
dieser § hat gerade den umgekehr
ten Vorgang vor Augen,
nämlich den Ausschluss einer Strafsache
aus einem gemeinsamen
Strafverfahren.
Die Unterlassung des
Vorbehaltes der weiteren
Verfolgung beim Vergleichsabschluss ist eine prozessuale Unter
lassung, deren Folgen jeden
treffen, der das zu tun unterlassen
hat, was das Gesetz
vorschreibt.
Insoferne die
Nichtigkeitsbeschwerde die An
sicht vertritt, dass der § 18 nur nachträgliche Klagen im
Sinne hat und unter
unrichtiger Zitierung der Anmerkung
Hrabánek – Milota, Seite 254, als Inhalt der Materialien des
Gesetzes auf die Analogie
des § 17 des Ehrenschutzgesetzes
hinweist, muss angeführt
werden, dass auch aus der Vorschrift
des §
17 Abs. 3. des E.Sch.G. keine Schlüsse für das Gebiet der
Vorschrift des § 18 Abs. 1. E.Sch.G. gezogen werden können;
ist doch, ganz abgesehen von
dem grundsätzlich verschiedenen
Wortlaute beider dieser
Bestimmungen, auch die Beschaffenheit
der Vorschrift des § 17 Abs. 3 grundsätzlich verschieden von
der des § 18 Abs. 1; in jenem Falle handelt es sich um die
Regelung des Klagerechtes
gegen einige Personen, welche an
einer strafbaren Handlung
teilgenommen haben, während durch
die Vorschrift des § 18 das Verhältnis normiert wurde, inso
ferne es sich um mehrere
ausschliesslich zwischen denselben
Personen vorgekommene
Beleidigungen handelt, wobei hauptsäch
lich auch der Kniff der
Ueberreichung nachträglicher Klagen
zwischen denselben Parteien
verhindert werden sollte, was beim
§ 17
Abs. 3 sichtlich überhaupt nicht in Betracht kommt.
Ueber die prozessualen
Schikanen und Kniffe
war
schon oben die Rede. Sie zu verhindern, war Zweck des
Gesetzes. Derlei Kniffe
wären möglich, wenn ihnen das Gesetz
nicht eben durch die
Bestimmung des § 18 Abs. 1 begegnet wäre,
welcher deswegen den
ausdrücklichen Vorbehalt der Verfolgung
nicht nur für die
Ueberreichung einer nachträglichen Klage,
sondern auch für die
Fortsetzung eines bereits eingeleiteten
Strafverfahrens anordnet,
von welchem der Schuldige und das
Gericht vielleicht nicht
einmal weiss.
Der Vergleich setzt nicht,
wie die Beschwerde
meint,
gegenseitige Klage voraus. Einen Vergleich kann man evtl.
auch über eine bloss
einseitige Klage abschliessen, was häufig
geschieht und zwar sowohl im
Straf- als auch im Zivilverfahren,
damit die Parteien ohne
Aufregungen und überflüssige Kosten
schneller das erreichen, was
sie anstreben, wenn auch viel
leicht in einem etwas
reduzierten Masse. Zu diesem Zwecke wur
de auch in den §§ 24, 25, 27 bis 31 E.Sch.G. das
obligatorische
Vergleichsverfahren eingeführt, die alle Verfolgungsanträge
wegen Ehrenbeleidigungen und
zwar wegen gegenseitiger und ein
seitiger, zum Gegenstande
haben. Der in einer Sache abgeschlos
sene Vergleich soll und muss
nach dem Sinne des § 18 E.Sch.G.
auch seine Folgen auf die
andern zwischen den Parteien pen
denten Strafverfahren haben,
mögen die Parteien diese Verfah
ren vor Augen gehabt haben
oder nicht. Der Wortlaut des Ver
gleiches ist hiebei
gleichgiltig und es muss aus ihm keines
wegs hervorgehen, dass die
Parteien durch den Vergleich auch die
zwischen Ihnen anhängigen
Strafsachen erledigen wollten und
es muss auch im Vergleiche
keinesfalls eine Genugtuung für
andere Ehrenbeleidigungen
gegeben werden. Wenn die Parteien
beabsichtigt haben, den
Vergleich nur auf eine Beleidigung
einzuschränken, dann hätten
sie sich das Recht der Verfolgung
anderer Beleidigungen im
Vergleiche vorbehalten sollen.
ad
3./: Hier handelt es sich um die Frage, ob die Ueber
tretung der Vernachlässigung
der pflichtgemässen Sorgfalt
gemäss § 4 Ges.Nr. 124/24 im Wortlaute des § 39 E.Sch.G. Nr. 108/33
nach diesem Gesetze, d.i.
nach dem Gesetze Nr. 108/33 strafbar
ist.
Als „nach dem Ehrenschutzgesetze
strafbare Handlungen“
im Sinne des 1. Absatzes des § 18 sind nicht nur die den §§ 1–4
Ehrenschutzgesetz
angeführten Handlungen, sondern auch die Ueber
tretung der Vernachlässigung
der pflichtgemässen Sorgfalt zu
verstehen. Für diese
Auslegung spricht vor allem die seit je
her und zwar schon durch die
Judikatur des Wiener OberstenGerichtshofes
anerkannte und betonte subsidiäre Beschaffenheit
der genannten kulposen
Uebertretung gegenüber dem Vergehen
gegen die Sicherheit der
Ehre, begangen durch die Presse.
Die Richtigkeit dieser
Auffassung geht jedoch auch aus der
ganzen Entwicklung und dem
Werdegange der Kompilierung des
Ehrenschutzgesetzes 108/33
hervor, sowie aus der Fassung die
ses Gesetzes selbst.
Wie aus dem ursprünglichen
Regierungsent
wurfe / Druck 830/1930 / zu ersehen ist, hätte das Ehrenschutzge
setz mit einem unifizierten
Rechtsgesetze / siehe § 40 Reg.Entwurf / Geltung
erlangen sollen, durch welches auch das Gesetz
Nr. 124/1924 aufgehoben
werden sollte. Da jedoch diese ursprüng
liche Absicht nicht
verwirklicht werden konnte und sich die Not
wendigkeit ergeben hat,
einzelne Vorschriften des bisherigen
Pressgesetzes bereits vor
der Herausgabe des neuen Pressgesetzes
zu novellieren, ist es zu
der gesonderten Herausgabe des Eh
renschutzgesetzes ohne
Rücksicht darauf gekommen, wann das neue
Pressgesetz Geltung erlangen
wird.
Mit Rücksicht darauf war es
notwendig,
abermals auch
das Verhältnis zur Pressgesetznovelle Nr. 124/1924
zu regeln. Dies geschah in
der Weise, dass in den § 39 E.Sch.G.
Bestimmungen der
Pressgesetznovelle vom 30.5.1924 Zl. 124 G.Slg.
in teilweise geänderter und
den neuen Bestimmungen des Ges. 108/33
angepasster Form aufgenommen
worden sind.
Es liegt also schon nach
allen diesen Er
wägungen und insbesondere auf Grund der systematischen Regelung
des Gesetzes auf der Hand,
dass die Pressgesetznovelle einen
integrierenden Bestandteil
des Gesetzes 108/1933 bildet.
Ist daher im § 18 des E.Sch.G. die Rede
von nach diesem Gesetze
strafbaren Handlungen, so sind darin
naturgemäss und
selbstverständlich auch die Tatbestände der
pflich
Uebertretung der pflichtgemässen Sorgfalt nach § 4 derPressgesetznovelle
im Wortlaute der Kundmachung des Justizministeriums Nr.
145/1933 enthalten.
Dieser Auslegung
widerspricht auch nicht der
Wortlaut der Vorschriften des Absatz 5 § 6 und Abs. 5 § 9 desE.Sch.Ges., in
welchen angeführt ist, dass der §§ 6 und 9 desEhrenschutzgesetzes sinngemäss auch für die Uebertretung der
pflichtmässigen Sorgfalt
gelten. Es war doch der Zweck des Absatzes 5 § 6 und
Abs. 5 § 9 E.Sch.Ges., wie der Motivenbericht
des verfassungsrechtlichen
Ausschusses / Druck Nr. 2268/1933 Seite
28, 29, / anführt, bloss
alle Unklarheiten in der angeführten Rich
tung auszuschliessen. Gegen
diese Auslegung spricht auch nicht
der Wortlaut des § 23 E.Sch.Ges., insofern dort ausser von den
nach dem Ehrenschutzgesetze
strafbaren Handlungen auch von der
Uebertretung der
Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalt
die Rede ist. Es wird doch
auch durch diese vom § 18 einigermas
sen abweichende
weitläufigere Diktion nichts an der Tatsache
geändert, dass auch die
Uebertretung der Vernachlässigung der
pflichtmässigen Sorgfalt im
Sinne des § 18 „eine nach diesem
Gesetze strafbare
Handlung“ ist, wenn sie doch in dieses Gesetz
ausdrücklich in veränderter
Form nach § 39 E.Sch.Ges. aufgenom
men worden ist, welcher noch
dazu auf die Strafsätze des §§ 1–4
Ges. 108/33 hinweist.
Uebrigens war der Hinweis
auf die Uebertre
tung der Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalt im §
6,Abs. 5 und
§ 9 Abs. 5 E.Sch.Ges. schon mit Rücksicht auf den
Wort
laut
dieser §§ am Platze, zumal in ihnen von den „in den §§ 1,
2
oder 4, angeführten strafbaren Handlungen / § 6 Abs.
1 / und von
„Absehen
von der Bestrafung wegen einer in den §§ 1, 2, oder 4
angeführten strafbaren
Handlung / § 9 Abs. 1. / die Rede ist, sodass
hier sicherlich mit
Rücksicht auf diese Stilisierung der Hinweis
auf die Uebertretung der
pflichtmässigen Sorgfalt angebracht war,
der in den letzten Absätzen
der beiden Paragrafen enthalten ist.
Aus der subsidiären
Beschaffenheit der Uebertre
tung der pflichtmässigen
Sorgfalt gebt hervor, dass die beanstän
deten Artikel nicht von
demselben Autor herrühren müssen. Man
kann sich Fälle vorstellen,
in welchen in derselben periodischen
Druckschrift, ja in
derselben Nummer, mehrere Autoren in ver
schiedenen Artikeln dieselbe
Person angreifen und in diesem Fal
le ist für alle diese
Artikel der verantwortliche Redakteur, zu
mindest wegen
Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalt
haftbar.
Zu den übrigen Ausführungen
der Nichtigkeitsbe
schwerde wird noch Folgendes bemerkt:
Weder durch das Gesetz Nr.
124/24, noch durch das
Gesetz
Nr. 108/33, wurde die Vorschrift des § 390 St.P.O. aufge
hoben, nach welcher dem
Privatankläger, insoweit das Strafver
fahren auf Begehren des
Privatanklägers stattgefunden hat, durch
Beschluss der Ersatz aller
aufgelaufenen Kosten aufzutragen
ist, wenn das Strafverfahren
auf andere Weise, als durch ein
verurteilendes Erkenntnis,
beendigt wurde. Es ist wahr, dass der
Ersatz dieser oft sehr
bedeutenden Kosten die zwischen den Par
teien herrschende Bitterkeit
noch steigert und dass dadurch
die beleidigte Partei geschädigt zu werden pflegt, sodass zwi
schen den Parteien nicht
Alles liquidiert wird. Allein diese
Folge eines auf andere
Weise, als durch ein verurteilendes
Erkenntnis beendigten
Strafverfahrens muss der Privatkläger
immer in Betracht ziehen,
mag er die Klage leichtfertig erho
ben haben oder mag es sich
nur um Aussprüche handeln, welche
von ihm zwar als
Ehrenkränkung empfunden werden, jedoch die
Beschaffenheit einer nach
dem Ehrenschutzgesetze strafbaren
Handlung nicht erreichen,
oder wenn der Wahrheitsbeweis er
bracht wird, schliesslich,
wenn er, wie in dem gegebenen Falle,
irgendeine prozessuale
Handlung unterlässt. Man kann also
nicht behaupten, dass
dadurch der durch den § 18 angestrebte
Zweck vereitelt würde.
Es ist daher der
Nichtigkeitsgrund gemäss § 281 Z. 9b
St.P.O. nicht begründet.
War jedoch die Verfolgung
überhaupt ausge
schlossen, dann ist es gleichgiltig, ob es sich um das Ver
gehen gegen die Sicherheit
der Ehre, oder um die Uebertretung
der Vernachlässigung der
pflichtmässigen Sorgfalt gehandelt
hat und ob gewisse Beweise
hätten zugelassen werden sollen
oder nicht. Es ist daher
nicht notwendig, sich noch separat
mit den Nichtigkeitsgründen
gemäss § 281 Zl. 4 und 7 St.P.O.
zu befassen. Im Uebrigen war die Frage der Auslegung des §
18des
E.Sch.Ges. in der Entscheidung des Obersten Gerichtes Z. 5670
der Sammlung bereits
grundsätzlich erläutert und der Beschwerde
führung auf die in dieser
Entscheidung angeführten Begründung
verwiesen / Anmerkung: es handelt sich um die jüngst publizierte
Entscheidung in dem durch
die Kanzlei Dr. Meissner, Dr. Sommer ge
führten Prozess /.
Die Nichtigkeitsbeschwerde
des Privatanklägers
war daher unter den
Voraussetzungen des Gesetzes Nr. 56/33 be
reits in nichtöffentlicher
Verhandlung abzuweisen.
Was den Ausspruch über die
Kosten betrifft,
ist
Folgendes zu sagen: Das Recht gewisser Personen und Grup
pen im Falle des Ablebens
des Privatanklägers nach der Ueber
reichung des Ansuchens um
Strafverfolgung auf Strafverfolgung
zu beharren, wurde
abweichend von der bisherigen Gesetzgebung
/ § 495 St.G. / im § 15 Abs. 3
E.Sch.Ges. neu geregelt.
In der Kostenfrage enthält
dieses Gesetz keiner
lei separate Bestimmungen,
wie auch aus dem § 34 Abs. 2 des Gesetzes hervorgeht,
in welchem nur die Frage der Haftung für die
Kosten in dem Falle geregelt
wird, wenn Privatkläger eine Or
ganisation ist, die keine
juristische Person ist. Es gelten da
her für den Fall des § 15 Abs. 3 Ges. 108/33 zweifellos die Vor
schriften der St.P.O.,
welche diesbezüglich weder abgeändert,
noch aufgehoben worden sind.
Es muss daher der Privatankläger,
der bei der Strafverfolgung
beharrt, sicherlich die Folgen die
ser seiner Erklärung tragen
und gemäss § 390 Abs. 1 St.P.O. alle
Kosten tragen, insbesondere
gemäss § 393 Abs. 3 St.P.O. alle
Kosten der Verteidigung,
wenn es zu einem freisprechenden Er
kenntnisse gekommen ist. /
ohne Berücksichtigung des Falles
des §
34, Abs. 4 E.Sch.Ges., welcher hier alledings nicht in
Betracht kommt.
Für die Richtigkeit dieses
Standpunktes
spricht auch
der Inhalt des Motivenberichtes / Zl. 830. 1930 /,
in welchem auf Seite 27
angeführt ist, dass „die angeführten
Personen – zu verstehen
sind die im § 15 Abs. 1 genannten Per
sonen – in die Rechte
des Verstorbenen eintreten“.
Es war daher in diesem Falle
dem Privatankläger – dem Bruder des
verstorbenen Privatklägers Karl Kraus –
der Ersatz aller Kosten und
zwar nicht nur der des Nichtig
keitsverfahrens, sondern
auch des Strafverfahrens überhaupt,
aufzuerlegen.
Dadurch wird auch der Beschluss des erkennenden Gerichtes
über die Kosten in ersten Instanz vom
15.IV.
1936
gegenstandslos, welcher unter ganz anderen Voraussetzun
gen herausgegeben wurde,
nämlich in einem Zeitpunkte, in wel
chem der ursprüngliche
Privatkläger Karl
Kraus noch am Leben war.
Dieser Beschluss hat infolge der Nichtigkeitsbeschwerde und
des Kostenrekurses bisher
keine Rechtskraft erlangt.
Durch diese Entscheidung ist
auch der von
der Klagspartei
gegen diesen Kostenbeschluss der I.
Instanz
überreichte
Rekurs gegenstandslos geworden.
Brünn, am 23. Dezember 1936.