Die Fackel


Sehr geehrter Herr Kollege!


Nach seiner Rückkehr, die vor zwei Tagen
erfolgte, hatte ich Gelegenheit Herrn Kraus den Klagsentwurf
vorzulegen, um mit ihm den Entwurf einer Erklärung zu be
sprechen. Beim Durchlesen der Klage sind nun Herrn Kraus Be
denken bezüglich der Richtigkeit respektive Verständlichkeit
der folgenden Stellen aufgefallen:


1.) Er meint, dass der von mir eingefügte Satz: „… bezeich
net die Zurückweisung seiner Erwartung auf einen ‚Aufruf‘ als
eine Verunglimpfung …“ dem Richter nicht genügend verständ
lich sein wird und dass man entweder bei der mündlichen Ver
handlung oder vorher in einem Schriftsatz weiter ausführen müs
se, der Angeklagte habe den (der ganzen Sorte gemachten) Vor
wurf der Sensationserwartung als Verunglimpfung bezeichnet, die
noch schwerer wäre, wenn nicht … Es muss der Richter davon
abgelenkt werden, anzunehmen, dass man das Wort „Verunglimpfung“
am Ende als Beleidigung empfunden habe. Falls Sie der Ansicht
sind, dass es in einem Schriftsatz zu geschehen habe, so er
bitte ich mir Ihre Ansicht. Ich werde dann mit Herrn Kraus be
sprechen, wie dieser abgefasst werden soll.


2.) Zu der vierten inkriminierten Stelle meint Herr Kraus, dass
wir sie missverstanden haben. Die Stelle lautet: „Der, der nur
‚um den Graben geht‘ hat durch ‚lukrative‘ Umschlagtitel immer
noch nicht genug verdient, um grosse Sprünge machen zu können,
zum Beispiel um durch langes Nichterscheinen und Akkumulierung
der Spannung Aufmerksamkeit zu multiplizieren.“ Damit wollte
der Angeklagte nun offenbar nicht aus drücken, dass der Privat
ankläger durch die geschickten und eindrucksvollen Umschlag
titel seiner Zeitschrift viel Geld verdient habe, ihm das aber
nicht zu genügen scheine, weshalb er, um noch mehr zu verdienen,
das Erscheinen der Fackel zurückzuhalten und dadurch bei seinen
Lesern eine Spannung hervorgerufen habe, die einen erhöhten
Absatz der Fackel und dadurch ein erhöhtes Einkommen des Privatanklägers zur Folge haben müsse, sondern diese Stelle heisst
so viel, dass der „Aufruf“ es sich nicht leisten könne, gleich
dem Privatankläger durch langes Nichterscheinen und Akkumulie
rung der Spannung Aufmerksamkeit zu multiplizieren und den
materiellen Erfolg zu erzielen, weil er trotz seinen lukrativen
Umschlagtiteln, (die er gleichsam zugibt), die ihm in der Fackel
zum Vorwurf gemacht werden, immer noch nicht genug verdient hat,
um grosse Sprünge zu machen.


Auch zu diesem Punkt erbitte ich mir die
Antwort, ob der Sachverhalt bei der mündlichen Verhandlung oder
schon vorher in einem Schriftsatz richtiggestellt werden soll.


Bei dieser Gelegenheit frage ich Sie, ob
Sie es nicht für angezeigt hielten, zur Informierung der Justiz
über ein doch offenbar verzerrtes geistiges Charakterbild die
tschechischen Aeusserungen, deren Zusendung an Sie ich veran
lasst habe, gegebenenfalls vorzulegen.


Ferner erbitte ich mir eine gefällige Mit-
teilung, ob in dieser Sache eine Vergleichstagsatzung anbe
raumt war und wie sie verlaufen ist.


Den Entwurf der Erklärung werde ich erst
in der nächsten Woche mit Herrn K. besprechen können und Ihnen
dann einsenden. Herr K. hat mich auch ersucht, Ihnen für alle
Ihre Berichtschreiben seinen besten Dank auszudrücken.


Ich zeichne


mit vorzüglicher kollegialer
Hochachtung


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