Entwurf II.
Wir haben in unserer Zeitschrift Jahrgang IV. Nr. 22–23vom 1. September 1934 in
einem Artikel „Die Fackel schwelt“
Beleidigungen gegen die Person
des Herrn Karl
Kraus
uns zu
begangen
; insbesondere haben wir geschrieben:
schulden kommen
lassen
„Die Verunglimpfung wäre noch
schwerer, wenn man ihr
nicht mildernd anrechnen könnte, sie zeige deutlich paranoische
Züge.“
„Gewiss, man ‚kann ein Lump
sein‘, wenn man jemanden in
Gefahr bringt, man kann
sogar ein Lump sein, wenn man jemanden
in eine Gefahr bringt
und gleichzeitig aus einer anderen heraus
zieht, man kann aber
auch ein Lump sein, wenn man jemanden vor
einer kleineren Gefahr
bewahrt und in einer grösseren drinlässt,
bloss deshalb, weil man
an der Kleineren mitbeteiligt wäre und
gleichzeitig behauptet,
man täte es nur seinetwillen. Er hat
zwar noch niemals
gelogen und es damit bewiesen, dass er den
befürchteten Vorwurf auf
andere abgewälzt hat; deswegen ist er
aber noch immer nicht
der einzige Mensch auf der Welt, der sich
vom ‚Verlag der Fackel‘ nicht blöd machen lässt.“
„Wie könnte sich
das Phänomen, das nach 1000 Jahren
der einzig überlebende
Eckstein der Literaturgeschichte sein
wird, das auf 300 Seiten in
knappster Form auszudrücken versteht,
was das Geschmeiss der
Literaten in ein paar Zeilen weitschweifig
behandelt, (ein Pfauenrad, das
nur das erstemal schön war),
herablassen zu tun was andere tun. Schulter an Schulter mit
überhaupt jemandem zu stehen,
wie könnte der unvergleichliche
Sprachbildner (der er ja nun wirklich ist) es mit seiner Würde
vereinbaren etwas anderes zu
tun als seine Anhänger zu verblüf
fen, als einen erstmaligen
unerwarteten Standpunkt zu beziehen,
selbst dann, wenn
es kein anderer sein kann als ein falscher?
Aber das mag er halten wie er
will. Vom Begräbnis unserer
Hoffnungen zurückgekehrt, geht uns das wirklich einen Dreck an.“
„Der, der nur ‚um den Graben
geht‘ hat durch ‚lukrative‘
Umschlagtitel immer noch
nicht genug verdient, um grosse Sprünge
machen zu können, zum
Beispiel um durch langes Nichterscheinen
und Akkumulierung der
Spannung Aufmerksamkeit zu multiplizieren.“
„… hätte er die Verbesserung
der Fehler mit wenig
Aufwand erreichen können. Statt dessen hat er – nach Bankierart –
hinter sich einen
Gerichtsvollzieher und einen Advokaten, vor sich
ein auf
formaljuristische Wehrfähigkeit und Bankkonto abgeschätz
tes Angriffsobjekt,
mutwillig mit der tschechoslowakischen Exe
kutivgewalt
gedroht.“
„… aber für die endgültige
Beibehaltung eines Zu
standes zu sein, der
immer wieder nur Qualen, Wildheit, Unter
drückung produzieren
kann, ist keinem Ehrbaren gestattet.“
„Für einen, der einen
gesicherten Fensterplatz im
Café Imperial zu verlieren hat, ist der Unterschied
zwischen
Hitler und Starhemberg enorm. Für dreissig Millionen Proleten
in Deutschland und
Oesterreich aber ist der Unterschied zwischen
Konzentrationslager und
ihrem Lungererdasein, ihrem feuchten
Schlafplatz, ihrer
Freiheit des Verhungerndürfens weit unbeträcht
licher.“
Wir bedauern, diese Beleidigungen begangen zu
haben, und nehmen sie
zurück.