Sehr geehrter Herr Kollege.
Ich erhielt Ihr gesch. Schreiben vom 2. Mai l.J. Hoffentlich
liegt ein Erinnerungsfehler des Herrn K.
nicht vor, da sonst seine
Zeugenaussage doch an Wert verlieren
würde. Zumindest müssen wir,
falls das Kriegsfackelheft,
dessen Vorlage Herr Kraus angeboten hat, den
behaupteten Inhalt
nicht
haben sollte, an dessen Stelle andere Urkunden, vielleicht
irgend welche Aufzeichnungen
oder Manuskripte oder Belege über
von Herrn Kraus im Kriege gemachte mündliche Aeusserungen vor
legen.
Ich habe in dem Hauptprozess inzwischen veranlasst,
dass der Akt zur Einvernahme
Herrn Fischers nach Prag geht. Herr
Kraus dürfte ja diesen Zeugen über seine bevorstehende Einver
nahme bereits informiert
haben.
Bei der gestrigen
Hauptverhandlung in der neuen
Ehrenbeleidigungssache haben die Angeklagten die Unzuständigkeit
des Bezirksgerichtes geltend gemacht mit der Begründung,
es
schwebe zwischen den
gleichen Parteien ein Strafverfahren beim
Kreisgericht und es seien die inkriminierten
Behauptungen in
einem
vorbereitenden Schriftsatz gemacht worden, der von
ihnen
in dem Kreisgerichtsprozess eingebracht worden sei.
In der Sache selbst hat der
Verteidiger eine
14tägige Frist zur
Durchführung des Wahrheitsbeweises resp. des
Erweises entschuldbaren
Irrtums verlangt.
Ich selbst habe unter
Berufung auf den § 56 der Str.P.O.
gleichfalls die Abtretung
des Aktes an das Kreisgericht beantragt.
Der Richter hat den Beschuldigten die von ihnen erbetene
14tägige Frist bewilligt.
Inzwischen wird er den Kreisgerichts
akt abverlangen und nach
dessen Herbeischaffung über den Antrag
auf Abtretung entscheiden.
Wie ich aus Aeusserungen des
Verteidigers vor der Verhand
lung entnommen habe,
scheinen die Angeklagten den Beweis darüber
antreten zu wollen, dass ein
Unterschied zwischen den sogenannten
österr. und čsl.
Fackelheften bestehe, darin nämlich, dass der Preis
aufdruck auf diesen Heften
verschieden sei. Es ist klar, dass die
Antretung dieses Beweises
ein Rückzugsmanöver der Angeklagten
ist.
Wie das inkriminierte
Vorbringen des gegnerischen Schriftsatzes wirklich
gemeint war, ist ja ganz klar. Wahrscheinlich
werden die Angeklagten auch
versuchen, die Schuld auf den Verteidiger zu
schieben.
Wir können also mit der
üblichen Taktik der Gegenseite
rechnen.
Ich verbleibe mit den besten
Grüssen an Sie und Herrn
Kraus
Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia