Sehr geehrter Herr Kollege.


In den letzten Tagen wurde mir von Dr. Ečer resp.
seinem Konzipienten mitgeteilt, dass unser vorbereitender
Schriftsatz, dessen zweites Pare inzwischen der Gegenseite zu
gestellt wurde, zum Gegenstand einer Ehrenbeleidigungsklage gegen
Herr Kraus gemacht werden würde. Es blieb mir nichts übrig, als
den Angeklagten zu diesem Versuch viel Glück zu wünschen.


Offenbar wollen Sonka und Schramek Herrn Kraus hier
klagen. Ich bin jedoch der Meinung, dass ein Gerichtsstand hier
nicht gegeben ist, da der Schriftsatz nur von mir unterfertigt
wurde und auch die mit Maschine am Ende niedergeschriebene Un
terschrift auf mich und keineswegs auf Herrn Kraus als Autor
des Schriftsatzes hindeutet.


Meiner Meinung nach könnte Herr Kraus wohl nur in
Wien belangt werden, weil er dort seinem Anwalt Information zum
Schriftsatz erteilt hat. In Wien zu klagen werden sich die Gegner
allerdings wohl überlegen.


Dr. Ečer hat mir weiter angekündigt, dass Sonka
darauf bestehe, dass ihm der Schriftsatz in čechischer Sprache
zugestellt werde. Es ist leider richtig, dass Sonka das Recht
hat, einen derartigen Anspruch zu stellen. Ich habe Herrn
Dr. Ečer ausführlich auseinandergesetzt, wie schikanös dieses
Verlangen ist, wie unkollegial und unsachlich. Dr. Ečer ent
gegnete, er persönlich sehe meinen Standpunkt vollkommen ein,
doch habe er von Prag strikte Aufträge, an die er sich halten
müsse. Er versprach mir, noch einen Versuch zu machen, Sonka da
zu zu bewegen, den Anspruch auf Lieferung der Uebersetzung nicht
geltend zu machen.


Heute sprach mein Konzipient zufällig mit dem Stellver
treter des Generalprokurators, Herrn Dr. Brix, über die Frage
der Auslegung des § 18 des Ehrenschutzgesetzes. Herr Dr. Brix
teilte unsere Meinung, hat jedoch Herrn Dr. Barber gesagt, es
sei ein analoger Fall, der von der Kanzlei Dr. Meissner in Prag
bearbeitet werde, schon beim Obersten Gericht anhängig, ohne dass
bisher eine Entscheidung des Obersten Gerichtes erflossen wäre.
Aus den Mitteilungen des Herrn Dr. Brix geht hervor, dass beim
Obersten Gericht die Frage den Gegenstand heftiger Kontroversen
zu bilden scheint, wobei es bisher so aussah, als ob die uns un
günstige Meinung die Oberhand gewinnen würde.


Da Herr Dr. Brix die Meinung äusserte, es wäre gut,
wenn unsere Nichtigkeitsbeschwerde auch ehestens dem OberstenGericht vorliegen würde, habe ich Herrn Dr. Turnovsky sofort an
gerufen, ihm die Aeusserungen Herrn Dr. Brix’ mitgeteilt und
ihm nahegelegt, zu veranlassen, dass die Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Akt von Prag aus sobald als möglich an den Kassationshof abgeht. Herr Dr. Turnovsky wird das Nötige, wie er mir sagte,
sofort veranlassen. Bisher erfolgte die Vorlage an das Oberste
Gericht nicht, da die Frist zur Aeusserung des Prager Angeklagten
erst gestern oder vorgestern abgelaufen ist.


Ich bestätige noch mit bestem Danke den Erhalt der Fackel
hefte Nr. 426–430, 454–456, 484–498 und bin mit den besten
Empfehlungen an Sie und Herrn Kraus


Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia


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