Karl Kraus und die JugendDie letzten Tage der Menschheit


Sehr geehrter Herr Kollege.


Ich bestätige Ihr gesch. Schreiben vom 12. d.M.
samt Beilagen. Beim Untersuchungsrichter habe ich festgestellt,
dass er unseren vorbereitenden Schriftsatz schon nach Prag ge
schickt hat, damit Herr Heinrich Fischer als Zeuge über den
Inhalt dieses Schriftsatzes einvernommen werde. Ich kann also
nicht gut mehr Einfluss darauf nehmen, welche Fragen an Herrn
Fischer bei seiner Einvernahme in Prag gestellt werden sollen.
Ich würde daher empfehlen, dass Sie, falls es nicht inzwischen
ohnedies schon geschehen sein sollte, die in Ihrem Brief vom12. d.M. erwähnten 4 Fragen Herrn Fischer übermitteln, damit er
sie bei seiner Einvernahme beantwortet.


Da die Aussage Herrn Fischers ja vermutlich
recht umfangreich werden dürfte, wird ihn der Prager Untersu
chungsrichter gewiss das Protokoll diktieren lassen, sodass
Herr Fischer wohl die Möglichkeit haben wird, auch die von
Ihnen gestellten Fragen im Zuge seiner Aussage zu beantworten,
ohne einem Widerstand des Untersuchungsrichters zu begegnen.


Damit, dass Herr Prof. Jaray zur Hauptverhandlung
nach Brünn kommt, bin ich sehr einverstanden.


Bei meiner heutigen Intervention hat mit der
Untersuchungsrichter spontan gesagt, er wisse, dass der Präsident
Masaryk
Herrn Kraus ausserordentlich schätze. Ich hatte den Eindruck,
dass die Quelle des Wissens des Untersuchungsrichters nicht in
unserm vorbereitenden Schriftsatz zu suchen ist, sondern anders
wo. Jedenfalls werde ich mich bemühen, noch festzustellen, woher
der Untersuchungsrichter sein Wissen schöpft. Eine Gelegenheit
zu einer Rücksprache über diese Frage wird sich bald ergeben, da
ich dem Untersuchungsrichter versprochen habe ihm auf einige
Zeit die čechische Ausgabe der „letzten Tage der Menschheit
zu borgen, die er lesen will.


Der Besuch des Herrn Kraus hat auf den Untersuchungsrichter
einen tiefen Eindruck gemacht.


Mit den besten Grüssen und Empfehlungen, auch an Herrn Kraus,


Ihr sehr ergebener
Dr. Gallia


P.S. Ich glaube, dass die Broschüre Herrn Fischers vorläufig
nicht vorgelegt werden muss und dass es besser wäre, die
allfällige Vorlage der Hauptverhandlung vorzubehalten.


D.O.


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