Die Fackel


Sehr geehrter Herr Fischer!


Sie werden in den nächsten Tagen eine Ladung
vor das Prager Gericht erhalten, um in der Angelegenheit des
Herrn K. gegen die „Arbeiterzeitung“ als Zeuge vernommen zu werden.
Ursprünglich sollten Sie nur über ihr Wissen von eine s m Verkehres
des Herrn K. in Berlin im Jahre 1925 in kommunistischen Kreisen
einvernommen werden und über eine Rede des Herrn Sonnenschein-
Sonka bezüglich des Abwehrkampfes des österreichischen Regimes
Dollfuss und Schuschnigg, von der Sie Herrn K. Mitteilung
gemacht haben. Nachträglich hat Herr Dr. Gallia, der Brünner
Vertreter des Herrn K., den Plan gefasst, Gegenzeugen gegen die
von den Angeklagten behaupteten Tatsachen eines angeblichen
Gesinnungswechsels und insbesondere etwaiger unlauterer Motive
zu führen. Leider ist der Akt schon nach Prag abgegangen, sodass
es Herrn Dr. Gallia unmöglich war, auf die weitere Fragestellung
Einfluss zu nehmen. Er empfiehlt aber, dass Sie die zwei weiteren
Fragen, die er an Sie zu stellen gehabt hätte, ohne gefragt zu
werden, zum Gegenstande ihrer Aussage machen, und erwartet, dass
Sie dabei keinem Widerstand des Untersuchungsrichters zu
begegnen haben werden. Wenn also Ihre Aussage auch in dieser
Richtung möglich sein wird, so bitte ich Sie, sie abzulegen und
auch als genauer und langjähriger Leser der Fackel auszusagen,
welches was der Inhalt der Stelle aus der Nr 912–915, Seite61f., letzter Absatz, ist, von der die Angeklagten behaupten,
sie enthalte eine Aeusserung des Herrn K. über „die tschecho
slowakische Nation und ihren Kampf um die Befreiung in dem
Sinn, es hätte ‚die Partei den Hausherrn hinausgeworfen‘.
Als Hausherrn bezeichnet er die Habsburger und Partei ist
zufolge der beseelten Ansicht des Privatklägers offenkundig
die tschechoslowakische Nation, die seiner Ansicht nach
offenbar keinen Anspruch auf Selbständigkeit gehabt habe“.
Es wäre ausführlich darzulegen, was in diesem Absatz steckt,
insbesondere wäre der der sozialdemokratischen Partei gemachte
Vorwurf, den Bekessy in Wien eingebürgert und Herrn MaxReinhardt eine Wohnung in Schönbrunn und in der Hofburg ein
geräumt zu haben, deutlich herauszuarbeiten. Sollten Sie
irgendwelche Schwierigkeiten bei der Ablegung der Zeugenaussage
in dieser Richtung haben, weil sie bisher nicht Gegenstand
eines Antrages war, so bitte ich, es mir unverzüglich mitzu
teilen, damit Herr Dr. Gallia das Nötige veranlassen kann, was
allerdings zur Folge hätte, dass Sie eine zweite Aussage
abzulegen hätten. Es wäre vielleicht auch vorteilhaft, dass
Sie Ihre Zeugenaussage vorher mit Herrn Dr. Turnovsky besprächen,
der im Besitze einer Abschrift seines Schriftsatzes an das
Brünner Gericht ist.


Mit besten Grüssen und
vorzüglicher Hochachtung